Heimatverein Sendenhorst e.V. seit 1925
Heimatverein Sendenhorst e.V. seit 1925

Tagebuch Heinrich Hölscher

Zum Einsatz als Seilmonteur im Donetzbecken (Russland)
[Red. 2025: Russisch völerrechtswidig bestztes Ukrainisches Staatsgebiet]

im Auftrag der DBHG. (der Deutschen Berg und Hüttenwerkgesellschaft.) von 1942 - 1943

Von Heinrich Hölscher, Seilermeister.

Es war Jahre 1942

Die unter Kriegseinwirkungen zerstörte Industrie im Donetzbecken sollte unter allen Umständen wieder in Betrieb gesetzt werden. Zu diesem Zweck wurden Fachkräfte eingesetzt, bzw. nach dort, abkommandiert. Zu dieser Zeil war is als Seilermeister dienstverpflichtet in den Spinnerei und Seilfabrik Richard Finsner. Freiburg in Schlesien. Diese Firma musste einen Fachmann nach dort abstellen, und somit kam nur ich in Frage. Ich bekam auch bald Nachricht in Berlin bei der DBH G. vorstellig zu werden und die Reise nach Russland sofort anzutreten. Nun konnte die Reise Los gehen. Am Donnertagmorgen abends um 8 Uhr fuhr ich von Freiburg nach Berlin und war dort am Freitagmorgen um 7 Uhr. Meine Frau, die auch gerade in Freiburg war, fuhr auch mit nach Berlin. Als wir dort ankamen, haben wir erst gut gefrühstückt d. h. von dem, was wir mitgebracht hatten Dann wurde es auch Zeit, daß ich zur DBHG kam, denn ich sollte dort lt. Telegramm am Freitag eintreffen, dort musste ich zu Herrn Pellny. Es wurden mir Instruktion erteilt und zur Fasanstr. geschickt wo ich Formulare ausfüllen musste mit der Angabe was ich noch für die Reise benötigte, die Bezugscheine dafür konnte ich aber erst am Dienstag abholen.

Übernachtung und Reise nach Hamburg

Zur Übernachtung wurde mir ein Zimmer im Hotel Allemannia am Anhalter Bahnhof zugewiesen. Dort haben wir übernachtet und sind dann am Samstagabend nach Hamburg gefahren. Zuvor haben wir jedoch noch einen Berliner Stadtbummel gemacht: Wir waren am Brandenburger Tor, an der Reichskanzlei, haben das Zeughaus und auch das Schloss besichtigt. Dann wurde es aber auch Zeit, dass wir zum Bahnhof kamen. Unterwegs trafen wir noch den Sohn von Linnemann aus Sendenhorst (Südgruben) und kurz darauf den Feldwebel Theo Offers aus Sendenhorst (Nordstraße). Um 18 Uhr fuhren wir von Berlin ab und kamen gegen 2 Uhr 11 in Hamburg an.

Aber die zwei Tage vergingen sehr schnell, und am Dienstagmorgen um 6:30 nach Berlin gefahren und gleich holte ich mir von der DBHG meine Bezugscheine. Dann ging es auf Zimmersuche, aber ich hatte Glück: Es war gegen 11 Uhr, und ich fand ein Hotel am Alexanderplatz. Abends war ich noch im Kabarett, wo es auch sehr gemütlich war. Am Mittwochmorgen ging ich einkaufen bei Karstadt in Berlin-Neukölln, dort gab es eine Sonderabteilung für den Ost-Einkauf. Meine Stiefel musste ich allerdings anderswo kaufen. Mit diesem Einkauf war der Tag zu Ende. Aber mir fehlte noch ein Picknapf (Essentopf), und das habe ich am Donnerstag unter großen Mühen erstanden, zusammen mit einer kleinen Einkaufskarte für die Reise (Brot, Butter, Wurst usw.). Ich ging abends noch zur Abwechslung ins Kino und so konnte die Reise am folgenden Tag beginnen, denn ich hatte Fahrkarte und Rubel.

Red.: Iwan-Programm (Quelle Wikipedia) Das Iwan-Programm war ein von Rüstungsminister Albert Speer im Mai 1942 initiiertes Vorhaben zur Wiederinbetriebnahme der von der Wehrmacht besetzten Schwerindustriebetriebe in der Ukraine (v. a. im Donezk-Becken und Dneper-Bogen). Ziel war es, diese Werke trotz vorheriger Zerstörung durch die sowjetische Armee schnellstmöglich für die Rüstungsproduktion – insbesondere Granaten – nutzbar zu machen. Die Umsetzung übernahm Edmund Geilenberg. Deutsche Montanunternehmen zeigten zunächst wenig Interesse, da die Rentabilität fraglich war und Fachkräfte fehlten. Erst unter Druck willigten sie ein, sich als „Patenbetriebe“ an der Wiederherstellung zu beteiligen. Mit dem deutschen Rückzug 1943 wurde das Programm beendet. Viele der Betriebe wurden wieder zerstört oder demontiert. Die angestrebten Produktionsziele wurden nie vollständig erreicht.
Fahrt nach Osten (in die Ukraine)

Am Freitagmorgen sollte mein Zug um 8:25 Uhr von Berlin-Charlottenburg abfahren, hatte aber etwa eine Stunde Verspätung. Im Wartesaal, wo ich mich noch aufhielt, fand ich einen Glückspfennig, und das konnte ja nur Glück bedeuten. Der Bahnsteig war völlig überfüllt – alle wollten nach Osten. Aber ich hatte Glück und bekam einen Sitzplatz am Fenster. Der Zug war jedoch völlig überfüllt. Am Abend um 22 Uhr kamen wir in Warschau an, und am Samstagnachmittag erreichten wir mit etwa vier Stunden Verspätung Kowel. Dort hatte ich sofort Anschluss nach Fastov. ...

 

Am Freitagmorgen sollte mein Zug um 8:25 Uhr von Berlin-Charlottenburg abfahren, hatte aber etwa eine Stunde Verspätung. Im Wartesaal, wo ich mich noch aufhielt, fand ich einen Glückspfennig, und das konnte ja nur Glück bedeuten. Der Bahnsteig war völlig überfüllt – alle wollten nach Osten. Aber ich hatte Glück und bekam einen Sitzplatz am Fenster. Der Zug war jedoch völlig überfüllt. Am Abend um 22 Uhr kamen wir in Warschau an, und am Samstagnachmittag erreichten wir mit etwa vier Stunden Verspätung Kowel. Dort hatte ich sofort Anschluss nach Fastov. Aber alles ging im Galopp. Die Soldaten und die Eisenbahner hatten alle viel Gepäck. Alles musste verstaut werden. Ich bekam wieder einen Fensterplatz. Die Fahrt von Kowel noch Fastov war für mich sehr interessant. Es war ja auch die erste Fahrt die ich in Russland machte. Die Spuren des Krieges konnte man überall sehen. Wie eine Schlucht gewesen war, sah man Soldatengräber & zerschossene Tanks. Aber an der zerstörten Eisenbahn wurde fieberhaft gearbeitet. Diese Arbeit wird von den Russenfrauen ausgeführt. Auf den Bahnhöfen sieht man oft ganze zerschossene Eisenbahnzüge. Fährt man durch die kleinen Städte und Dörfer, so sieht man immer die Spuren des Krieges immer wieder zerschossene Panzer, Soldatengräber. Aber Es ist eigenartig, wenn man so ein einzelnes Soldatengrab sieht. Immer denkt man dann: Wer mag dort wohl liegen? Aber es geht immer weiter – das eine Erlebnis löst das andere ab. Oft ist es sehr romantisch, oft wie im Film: die kleinen Holzhäuser, aber es sieht alles sehr verkommen aus.

Der Boden scheint recht Ordnung. Es ist hier eben ein anderer Menschenschlag. Am Sonntagmorgen war der Zug in Fastov. Von Fastov aus sollte der Zug um 7:00 Uhr weiterfahren, aber es wurde gemeldet, dass der Zug etwa 3,5 Stunden Verspätung hat. Aber das ist mir ziemlich egal. Der Wartesaal ist überfüllt mit Soldaten und Zivilisten, auch viele Eisenbahner sind darunter.

Mir gegenüber sitzt Am Tisch sitzt ein Kosak, der ist bei der Polizei. Er ist noch jung – ich schätze, er ist etwa 20 Jahre alt. Er macht aber einen recht guten Eindruck. Auch sind noch Soldaten am Tisch von der Organisation Todt. Die sind gerade beim Frühstücken, und mir läuft das Wasser im Munde zusammen – die Butter und der Käse sind so dick wie das Brot. Aber alle sind so vergnügt. Niemand schimpft darüber, dass der Zug so viel Verspätung hat. Alle bleiben vergnügt. Es ist jetzt 9:40 Uhr. Die Fahrt geht jetzt los – von Fastov nach Dnjepropetrowsk, dort soll der Zug am Montagmittag um 12 Uhr eintreffen. Im Gepäckwagen bin ich untergekommen. Wir sitzen auf Koffern und Kisten. Gerade ist hier ein Zug mit Italienern zur Front abgefahren – die waren aber sehr gut eingekleidet. Es scheint, als wäre diese Fahrt vom Pech verfolgt. Als der Zug losfahren wollte, riss die Wagenkupplung ab. Der Schaden war zwar bald behoben, aber es hat doch eine gute Stunde gedauert. Die Fahrt selbst war ansonsten sehr angenehm, die Gegend prima. Die Bilder wechselten sich mit prima Ackerboden ab. Das Land ist auch sehr bewirtschaftet. Man sieht hier große Viehherden und viele Hopfenkulturen. An den Stationen, wo der Zug hält, kommen die russischen Frauen an den Zug und verkaufen Lebensmittel. Ein Ei kostet 50 Kopeken. In der Nacht war es dann doch ziemlich kalt. Die Beine tun weh, und man weiß nicht, wo man die Dinger lassen soll. Aber sobald es hell wurde, kam wieder Leben in den Wagen. Jetzt ist es Montagvormittag. Schon haben wir wieder Pech – wir warten schon wieder seit einer Stunde. Und wie lange mag es noch dauern, bis das Loch repariert ist? Die Pumpe soll kaputt sein. Aber es nützt nichts – nur warten. Wasser ist nirgends zu haben. Soeben hat sich ein Mann mit Kaffee rasiert. Um 12 Uhr ging die Fahrt weiter, und um 22 Uhr waren wir in Dnjepropetrowsk. Hier hat der Krieg aber schrecklich gewütet. Überall sieht man ausgebrannte Fabriken. Der Bahnhof ist auch total zerschossen, überall sind Baracken aufgebaut. Es wimmelt von Militär. In einer Baracke habe ich mein Gepäck abgegeben, und als ich das Gepäck los war, habe ich die Stadt besichtigt. Sofort am Bahnhof gibt es wunderbare Anlagen. In diesen Anlagen lagen Hunderte von Flüchtlingen aus dem Frontgebiet – zum größten Teil zerlumpt und abgemagert. Der Schrecken des Krieges war noch in den Gesichtern zu sehen. Die Menschen lebten dort zwischen Koffern, Kisten, Betten und Hausgerät. Auf den Straßen standen zerschossene Straßenbahnen kreuz und quer durcheinander. Die Straßen selbst waren nur noch ausgebrannte Ruinen.

In einer der Anlagen, die durch den Krieg total verwildert war, besuchte ich einen Basar-Markt. Dort waren viele Landser zu finden. Es kostete: 1 Schachtel Streichhölzer – 0,80 Mark, 1 Ei – 1 Mark. Man bot mir eine Uhr an für 600 DM. Als ich meine eigene Uhr verkaufen wollte, sollte ich nicht mehr als 80 DM dafür bekommen. Unerhörte Preise! Aber fast jeder war am Handeln. Da ich so etwas noch nicht kannte, war es doch sehr interessant.

Um 6 Uhr abends konnte ich weiter fahren. Ich hatte Glück. In einem der für Eisenbahner reservierten Waggons bekam ich im überfüllten Zug einen Sitzplatz. Im selben Abteil waren noch zwei Eisenbahner aus meiner Heimatgegend – der eine war aus Rheine und der andere aus Osnabrück. Am nächsten Morgen (Dienstag) war der Zug in Jassinowataijar Stalino angekommen. Hier musste ich aussteigen und konnte erst am nächsten Morgen weiterfahren.

Red.:
Stalino: der frühere Name der heutigen Stadt Donezk in der Hintergrund:
•        Der Name Stalino wurde der Stadt 1924 gegeben, zu Ehren von Josef Stalin, dem sowjetischen Diktator.
•        Zuvor hieß die Stadt Jusowka (nach dem walisischen Industriellen John Hughes, der dort im 19. Jahrhundert ein Hüttenwerk gründete).
•        1961, im Zuge der Entstalinisierung unter Chruschtschow, wurde der Name Stalino wieder abgelegt und die Stadt erhielt den heutigen Namen Donezk, abgeleitet vom Fluss Donez.

Der Bahnhof war völlig zerschossen und das Leben spielte sich in Baracken ab. Hier sah ich nur wenige Zivilisten – sonst war alles Militär. Die Stadt war schwer zerstört. Aber an das Elend und die notleidenden Menschen gewöhnt man sich schnell. Bald achtet man kaum noch darauf und geht achtlos an diesen Dingen vorbei. Gegen Mittag hatte ich wieder Glück: Mit einem Lastwagen der Luftwaffe kam ich nach Stalino gefahren und war schon um 12:00 Uhr dort.

Die ganze Fahrt hat nun gedauert: Die Abfahrt in Berlin am Freitagmorgen um 8.45 Uhr, Ankunft in Stalino am Dienstagmittag um 12.00 Uhr. Die Deutsche Berg- und Hüttenwerksgesellschaft hat hier in Stalino ein großes Verwaltungsgebäude und auch ein wunderbares Casino. Dort habe ich erst zu Mittag gegessen. Um 3 Uhr fing dort der Dienst wieder an, und ich musste erst meine Formalitäten erledigen. Aber es geht schon richtig los: „Einen Moment – nicht jetzt, kommen Sie in einer Stunde wieder.“ Aber ich habe ja heute Ruhe und Zeit mitgebracht. Und dann war auch schon wieder Feierabend. Inzwischen hatte ich wieder ein Auge auf das Casino geworfen. Ich hatte ja noch für zwei Tage Marschverpflegung. Aber trotzdem konnte ich dort im Casino essen. Dazu gab es echten Bohnenkaffee und Wodka, alles reichlich. Ich habe alles in vollen Zügen genossen. Ich wusste wohl, dass es nachher anders wird.

Ich habe bloß noch kein Quartier. Und dann wird erzählt, dass jeder bald Läuse hat und jeder eine Durchfallperiode durchmachen muss. Aber das geht auch vorüber. Ich bin schon so ein halber Soldat geworden. Hier treibt keiner. Gestern Abend, also am Ankunftstag, hatte ich noch kein Quartier gefunden. Ich habe bei den Stores der D.B.H.G. geschlafen. Es war recht gemütlich, ich hatte ja auch reichlich Wodka getrunken – also die erste Nacht gut überstanden. Aber das Schlimmste ist das Rauchen. In Berlin hatte ich doch so gut vorgesorgt, aber jetzt ist es schon längst alle. Eigentümlich ist es, dass man gar nicht weiß, was so richtig los ist. Radio habe ich schon lange nicht mehr gehört und Zeitungen bekommt man auch nicht. Die Hauptsache ist, dass es rund geht.

Hier in Stalino sind auch viele Soldatenheime. Zwei kenne ich schon Kochen tun deutsche Rote-Kreuz-Schwestern, und Russenfrauen bedienen. Die Landser können sich aber schon gut mit ihnen unterhalten. Ich muss immer noch warten. Aber die Gelegenheit kann ich gut nutzen, was Neues zu entdecken. So war ich auch zu den großen Stalinwerken. Alles ist zerstört. Die Russen sollen alles gesprengt haben. Auch war ich zu einem großen Kriegslazarett, gleich dahinter war der große Friedhof. Dort lagen die deutschen, italienischen und rumänischen Soldaten friedlich nebeneinander, daneben noch fertige ausgeschachtete Gräber, die noch auf die Soldaten warteten, die noch am Sterben sind. Ich habe jetzt auch ein Quartier in der Linie Haus-Nr 16. Die Frau scheint in Ordnung zu sein. Sie macht wenigstens einen guten Eindruck.

Am Donnerstag ging es wieder von einer Dienststelle zur anderen. Es wurde mir aber schon bekannt gegeben, dass ich zum Schacht 12/18 soll und am Samstagmorgen soll ich dorthin abfahren. Beim Portier traf ich noch einen Landsmann aus Unna-Westfalen. Ihm will es überhaupt nicht gefallen. Das Essen auf den Bau-Stellen soll sehr schlecht sein. Auch habe ich erfahren, dass ich 4 Wochen zu früh hier bin. Ich wollte gleich wieder abfahren, aber es ist hier vorn so leicht nicht wieder fort. Es ist mir auch gleich, denn zum ewigen Hierbleiben bin ich ja auch nicht verdammt. Ich will ja auch sehen, dass ich ordentlich was rausgeschlagen habe. Also auf gut Glück. Heute Morgen war ich wieder auf dem Bazar. Dort kostet alles viel Geld. 7 Schachteln Streichhölzer 1,30 Mark. Auch habe ich wieder einen deutschen Soldatenfriedhof besucht. Dort wären 700–840 Soldaten begraben. Aber alle haben ein Kreuz mit Namen. Der Offizier neben den einfachen Soldaten. Dieser Friedhof ist ca. 3/4 Std. außerhalb von Stalino. Auf meinem Rückweg zog ich noch durch die Umgebung von Stalino. Die Hauptstraße von Stalino ist sehr schön: große Gebäude, aber gleich dahinter die Hütten der armen Leute. Die Leute dort sind doch ärmlich gekleidet. Das sieht man am besten, wenn man auf den Bazar ist. Dort ist es immer interessant, womit die Leute alle handeln. krumme Nägel, alte Schuhe, Anzüge und Kleider, also alles, was der Mensch gebrauchen kann. Ich muß immer nur staunen.

Jetzt sitze ich im Park und bin am Schreiben. Das Wetter ist ja wunderbar, denn heute ist auch schon der 1. Oktober. Soeben waren 2 Jungs bei mir und wollten Streichhölzer und Feuersteine kaufen. für meine Schuhe wollten sie 130 Mark zahlen. Jetzt sind sie bei einem Landser am Handeln. So bietet das Leben hier seine interessanten Alltäglichkeiten. Heute Morgen habe ich für 4 Tage Marschverpflegung erhalten. 2 Brote, 1 große Büchse Fleisch, 300 gr Butter, Zucker und Bohnenkaffee. Den Bohnenkaffee will ich aber nach Hause schicken, denn die hätten dort mehr Freude daran. Heute Abend muß ich noch einen Brief schreiben, wird ja nicht mehr lange dauern, Freitag. 16. Oktober. Der Tag verlief wie jeder andere. Abends war ich im Soldatenheim. (Männer müssen so sein.)

17. Oktober
Aber heute, 17. Oktober ging die Fahrt los. Ich hatte vorher noch etwas zu erledigen. Aber das Eigentümliche war, daß Gerede der Leute, die sich vorschoben. Einer sagte zu mir: Mein lieber Mann, fahren Sie zurück nach Deutschland. Wenn Sie dort ins Zuchthaus kommen, leben Sie immer noch besser als hier. Es sieht brenzlig aus, und wenn Sie mit dem Leben davonkommen, dann haben Sie Glück gehabt. Denken Sie an Stalingrad. Ich durfte nicht weiter fragen. Ich konnte mir auch kein Urteil erlauben.

So bin ich denn am Sonnabend, 17. Oktober auf dem Schacht 14/18 gelandet. Die Fahrt dauerte etwa 1½ Stunden mit einem Personenwagen. Die Fahrt führte durch viele Dörfer und vorbei an Lehmhütten, aber es waren auch schöne kleine Häuser dazwischen. Aber die Leute waren arm, das konnte man an der Bekleidung sehen. Die Wege waren sehr schlecht, es ging oft querfeldein. Ich fühlte mich ins Mittelalter versetzt. Es ging durch übergroße Mais- und Kartoffelfelder.

Der Ingenieur, der mich zur Schachtanlage 12/18 brachte, war ein netter Mann. Er sprach sehr gut Russisch. Auf der Schachtanlage trafen wir auch sofort einen Obermonteur Riedel, mit dem ich wohl zusammenarbeiten sollte.

Die anderen deutschen Kameraden, die hier sind, sind alles Menschen von echtem Schlag, aus hartem Holz geschnitzt. Sie haben bereits ein gutes Stück Arbeit geleistet. Es macht den Eindruck, als wenn sich diese Menschen so richtig in die Arbeit verbissen hatten. Alle sind stolz auf das, was sie erreicht haben. Man merkt sofort, dass hier eine echte Kameradschaft herrscht. So schön habe ich das noch nie erlebt. Aus Schutt und verbogenen Eisenträgern, aus gesprengten Mauern und zerstörten Maschinen haben die Kameraden es geschafft, rund 200 Tonnen Kohle gefördert werden konnten.

Ein schönes, großes Zimmer wurde mir zugeteilt. Das einzige Möbelstück war ein eisernes Bettgestell – Vorder- und Hinterteil fehlten allerdings. Am nächsten Tag brachten zwei russische Frauen eine andere eiserne Bettstelle. Die Wände sind schön weiß gekalkt, sonst aber sauber. Sofort habe ich mir ein Gestell gebaut, an dem ich meinen Mantel und Anzug aufhängen konnte. Heute, am Sonntag, den 18. November, habe ich mir einen Tisch gezimmert – für die Verhältnisse hier ist er wirklich gut geworden. So ist mein kleines Eigenheim hier bald vollständig. Geschlafen habe ich bisher sehr gut – Läuse, Flöhe und Wanzen gibt es hier nicht. Das ist auch ein Glück. Die Zimmer werden sehr sauber gehalten. In dieser Hinsicht sind die Kameraden sehr zufrieden.

Aber was das Essen betrifft – das ist der große wunde Punkt. Immer wieder nur Kohl und nochmals Kohl. Die Leute wissen langsam nicht mehr, was sie sich noch einfallen lassen sollen. Kartoffeln gibt es keine – nicht eine einzige ist eingelagert worden. Wie soll das bloß im Winter werden?

Heute, am Sonntagmittag gab es eine Suppe ohne Kartoffeln, ein paar Wurzeln – und das war auch alles. Aber gegessen wird trotzdem alles. Die Leute sind nur darüber verärgert, dass die Herren in Stalino in Saus und Braus leben. Ganz ungeniert genießen sie dort das gute Leben. Ich habe es ja selbst gesehen und erlebt.

Mit Sorge und Bangen schauen alle dem Winter entgegen. Wenn jemand hier ernsthaft krank wird, dann muss ein Arzt aus Stalino geholt werden – aber wie soll der hierherkommen? So einfach ist das nicht. Auch Medikamente sollen sehr knapp sein. Das ist es, was alle so deprimiert. Zu Rauchen gibt es pro Tag 3 Zigaretten. Aber Machorka, in Zeitungspapier gedreht, schmeckt auch ganz gut.

Red.: Machorka ist eine russische Tabaksorte aus Nicotiana rustica mit sehr hohem Nikotingehalt. Der grob geschnittene Tabak wird meist als Papirossa oder selbstgedrehte Zigarette geraucht und eignet sich nicht für Pfeifen. Ursprünglich von nordamerikanischen Indianern kultiviert, wird er heute fast nur noch in Russland und Polen angebaut. Die Einfuhr in die EU ist verboten. Machorka hatte besonders in der Sowjetzeit symbolische Bedeutung und war bei Soldaten weit verbreitet. Im Zweiten Weltkrieg nannten deutsche Soldaten den Tabak „Stalinhäcksel“.

Montag, 19. November
Obwohl das Wetter gestern schlecht war, ist es heute, trocken – ein Glück, denn die Leute sind dabei, den Förderturm aufzurichten, und andere bauen am Eisengerüst für eine Brikettfabrik. Dieser Gruppe bin ich zugeteilt. Andere sind als Maurer eingesetzt. Gefangene Russen laufen genug herum. Aber auch bei denen wird die Arbeit großgeschrieben. Ich kann es den Leuten nicht verdenken. Es wirkt, als sei hier die Elite der deutschen Arbeiter eingesetzt.

Morgens, sobald es hell wird, geht es los – und gearbeitet wird bis zum Einbruch der Dunkelheit. Aber niemand macht früher Feierabend, und keinem scheint die Arbeit zu viel zu sein. Jeder sagt: „Wir müssen fertig werden.“ Hier glaubt noch jeder an den Sieg Deutschlands. So ist der deutsche Arbeiter hier. Es ist nur schade, dass es für diese Leute in Sachen Essen und Trinken nicht besser gesorgt wird.

Könnte da nicht etwas von Stalino mitgebracht werden? Müssen die Leute, die dort in den Büros arbeiten, noch ein gutes, freies Essen für 50 Pf haben? Nein – auf den Baustellen müsste das gute Essen und etwas Wodka hin. Jetzt sind die Wege nach Stalino noch trocken, aber wehe, wenn diese verschlammt sind. Auf anderen Schachtanlagen soll es aber besser sein. Aber hier in der Küche fehlt es an allem. Mit den primitivsten Mitteln wird sich beholfen. Sonst herrscht hier tiefer Frieden. Die Zimmer werden jeden Tag gewischt. Heizen können wir, so viel wir wollen – das ist auch viel wert. Über Sauberkeit kann sich keiner beklagen.

21. Oktober
Heute war wieder prima Wetter und schön warm. Es war eine Freude zu arbeiten. Ich bekam 3 Gefangene zugeteilt und musste Eisenträger einbauen. Es wollte aber gar nicht funktionieren. Mittags hatten wir erst einen eingesetzt. Als Neuling weiß man sich ja auch oft nicht zu helfen. Aber Abends hatten wir doch 4 Träger geschafft,

Meine 3 Gefangenen waren prima Kerle, wir verstanden uns recht gut. Es ist nur gut, dass ich die russische Sprache etwas beherrschte. Heute sollten wir geimpft werden. Wegen der schlechten Wegeverhältnisse konnte der Arzt nicht kommen, also bis auf nächste Woche verschoben. Da Marschverpflegung heute abläuft musste ich zum Stab und neue holen. Dort ist eine große Küche. Viele Deutsche Bergleute essen dort.

Ich glaube, dass es 38 Mann sind. Da aber der Sonderführer – Oberhoch – nicht da war, habe gewartet. In der Küche war es auch schön warm. Auch viele Soldaten kamen in die Küche, suchten Wärme oder ein Gespräch. Fast immer war die erste Frage: „Was bist du für ein Landsmann?“ Es sind alles Bergleute aus dem Ruhrgebiet. Aber alle beschweren sich über das Essen. Und jetzt wieder eine große Debatte: Wo bleibt unsere Verpflegung? Was ist mit den Versprechungen? Warum ist es anderswo besser? Der Küchenchef hebt nur die Schultern: „Ich bekomme doch nicht mehr.“ Dann wieder Stimmen: Wo bleibt das Zeug denn? Die Diskussion dauerte eine dreiviertel Stunde. Mit offenen Augen sieht man doch, dass hier etwas nicht stimmt. Aber dann sagt einer wieder: „Mensch, du bist Soldat. Du hast es besser als die an der Front.“

Mit dem Brot – na ja – kann man ja wohl auskommen. Solange ich noch meine Marschverpflegung hatte, konnte ich nicht klagen. Es tut mir so leid, wie erbärmlich hier die Kameraden in Punkto Essen leben. Immer wird sich damit ausgeredet „Transportschwierigkeiten!“

Mittwoch 21. Oktober
Heute hatte ich einen schlechten Tag, denn meine Marschverpflegung, die ich gestern Abend hätte erhalten sollen, ist ausgeblieben. Den letzten Rest habe ich gestern Abend verzehrt. Meine Kameraden anbetteln kann ich auch nicht, denn die haben doch viel zu wenig, wo doch keine Kartoffeln da sind. Heute morgen bin ich nüchtern angefangen. Zum Frühstück 2 Löffel voll Zucker. Aber als ich nachmittags meine Verpflegung abholen wollte, musste ich noch 2 Std warten. Als der Wagen aber kam, war wieder nicht da für mich.

Als Ersatz bekam ich ein halbes Brot. Meine Marschverpflegung sollte ich am Donnerstag erhalten, also morgen. Tee gibt es genug und etwas Zucker habe ich organisiert. Tee mit Zucker und Brot schmeckt ja auch gut. Aber das Brot habe ich fast auf einmal aufgegessen. Etwas musste ich ja für Donnerstag behalten. Entbehrungen kann der Mensch besser ertragen als Enttäuschungen.

Sonst ging der Tag gut zu Ende. Die Arbeit gefällt mir immer besser. Meine 3 Russen sind so feine Kerle und so hilfsbereit. Die wollen nur gut behandelt werden. Immer haben die den dicken Mantel an, auch wenn es noch so warm ist. Meine Sprachkenntnisse tragen viel zur Verständigung bei. Wir haben jetzt Vollmond, die Nacht ist so klar und hell und man hört, wenn es ganz still ist, das Donnern der schweren Artillerie oder das Detonieren schwerer Bomben. Die Russen, die hier wohnen, sagen, dass es Stalingrad wäre – da sollen schwere Kämpfe sein. Aber ich kann es kaum glauben, denn Stalino und Stalingrad liegen doch zu weit auseinander. Aber Märchen werden ja viel erzählt.

Donnerstag, 22. Oktober

Das ich gut geschlafen habe, kann ich nicht sagen denn ich liege immer noch so auf der Matratze. Einen Strohsack ist von Stalino angefordert, aber noch nicht hier. Damit die Matratze nicht so drückt, lege ich mein Zeug auf die Matratze, damit es etwas weich ist. Aber das ist nur ein halbes Leiden. Wenn man ein ruhiges und gutes Gewissen hat, dann schläft es sich auch ganz sorglos. Aber heute hatte ich wieder Glück. Von einem Kameraden bekam ich etwas Brot und Mittags einen Teller Suppe und so ging es wieder.

Heute bis 4 Uhr habe ich Fenster eingesetzt. Die Arbeit klappt sehr gut. Dies macht meinen 3 Russen selbst viel Freude. Die wollen immer so viel erzählen über immer. Aber man sie nicht gut immer verstehen. Aber dann wurde es für mich auch Zeit meine Verpflegung abzuholen. Aber, oh Schreck, meine Marschverpflegung ist wieder ausgeblieben. Da schlug aber meinerseits das heilige Donnerwetter ein. Ich habe es den Herren hier klar gemacht, dass ich morgen zur Direktion nach Stalino fahren werde. Denn unter diesen Umständen macht das Arbeiten keine Freude. Es ist aber so wie mir schon gesagt wurde, dass ich noch mein blaues Wunder erleben werde. Auf 3 Stellen wird hier gekocht. Total falsch organisiert. Es muss doch besser gesorgt werden. Gerade jetzt, wo doch in der Nähe die Cholera wütet. Ein bisschen Wodka täte auch gut. Vor 4 Tagen ist ein Kamerad ins Lazarett eingeliefert worden (Darmkrank) und jetzt hat schon wieder einer die Lauferei. Aber nichts wird getan. Der Mann ist total krank, aber keiner kann helfen. Hoffentlich wird es nicht schlimmer. Im benachbarten Russenlager sterben auch jeden Tag viele. Heute lag auch ein junger Russe zwischen dem Bauholz. Er krümmte sich vor Bauchschmerzen, die eigenen Kameraden kümmerten sich überhaupt nicht darum: Wie abgestumpft sind doch die Menschen.

Heute Morgen war ich auf dem Bazar um Tabak zu kaufen. Mein guter Tabak ging zu Ende und so musste ich Machorka kaufen. Der wird nicht gewogen, sondern mit einem Glas gemessen. (Glas = Stakan), 1 Stakan Schachttabak 5.- Mk, 1 Stakan Machorka 2.- Mk, 1 Glas Salz 0.80 Mk. Auf dem Rückwege kamen mir kranke Russen entgegen. Es waren 2, die von ihren Kameraden in der Mitte gestützt wurden. Die wurden so richtig weiter geschleppt. So bringt jeder Tag etwas Neues.

Freitag, 23. Oktober

Da ich noch keine Verpflegung erhalten habe, halte ich es auch nicht notwendig zu arbeiten. Heute ist ein herrlicher Tag. Um 6 ¼ Uhr ging die Sonne auf. Gestern regnete es ab und zu. Soeben kommt ein Russe in unsere Küche und sagt, dass die Eier jetzt 12 Rubel = 1,20 Mk kosten sollten. Heute war ich in Proverruha zum Lebensmittelempfang. Der Ort liegt ca. 6 km von hier. Ich beabsichtige nach dort zu Fuß zu gehen. Unterwegs traf ich einen Lastwagen und somit kam ich leicht dorthin. Ich bekam dort 3½ Brote – Wurst – Butter – Margarine – 2 Eier – 30 Zigaretten – 2 Zigarren & Tabak. Mit einem alten Panzerwagen fahre ich zurück. Ein alter Russe mit seinen Enkelkindern fährt auch dieselbe Strecke, unterwegs haben wir viel gelacht. Es ist doch gut, wenn man die Sprache in etwa sprechen und verstehen kann.

Heute war ich in Stalino. Im Kasino 1 habe ich gegessen. Ein Soldat, der als Bergmann eingesetzt war und mit zurück musste, war ganz sprachlos über das gute Essen. Es ist ein Ärgernis für die Leute, die dort gegessen haben. In Stalino in den Kasinos der Überfluss und auf den Baustellen ist der Fraß bald nicht zu genießen. Wenn alle aus einem Napf essen müssten, wäre alles zu ertragen.

Gleiches Essen für alle. Gerechtigkeit haben wir zu fordern. Aber jeden Tag ist es dasselbe – muss man sich das alles so gefallen lassen? Jetzt sollen Kartoffeln geliefert werden, denn bald ist hier Regen und Frost. Aber die Herren in Stalino sind satt und haben den Bergmann und den Arbeiter auf der Baustelle vergessen. Ich kann offen sagen: in Punkto Verpflegung ist es eine Luderwirtschaft.

Sonnabend, 24. Oktober

Wenn ich mit Seilmontagen nicht ausgelastet bin, helfe ich am Aufbau der Brikettfabrik, die aus der Heimat gekommen ist und hier wieder aufgebaut wird. Auch diese Arbeit macht mir Freude. Man sieht, dass es weitergeht. Die Arbeit macht mir nichts aus. Das Dach ist fertig, die Fenster werden eingesetzt und dann lass den Winter nur kommen! Kohlen zum Heizen sind genug da. Auch habe ich heute beim Stab geschlafen. Zu Mittag gab es Hirse und Fleisch, schmeckte aber sehr gut. Auch habe ich heute die Marschverpflegung von Stalino erhalten: 1½ Brot – 180g Butter und 12 Zigaretten. Um die Wurst bin ich bemogelt worden. Aber immer kritisieren soll man ja auch nicht. Sonst ist heute nichts Neues passiert, 2 Gefangene Russen sind ausgerissen. Die wohnten hier in der Nähe. Appetit hätte ich jetzt auf einen Schnaps, aber leider... Heute am Samstag wird gearbeitet, das gute Wetter muss ausgenutzt werden.

Sonntag, 25. Oktober

Es ist, als wenn das Wetter immer besser wird. Die Sonne ging schön klar auf, als wenn es wieder Frühling werden sollte. Mein Zimmer wird jetzt auch vollständiger. Ich habe schon einen Schrank mit 4 Abteilungen. Prima, alles selbergemacht und sieht auch gut aus. Das Essen war heute prima. Es gab Fisch-Erbsen und Kartoffeln. Darüber kann keiner klagen. Da Sonntag ist, haben wir nur bis 15 Uhr gearbeitet. Etwas Ruhe muss der Mensch auch haben. Meinem Zimmer gegenüber wohnt ein russischer Ingenieur, 50 Jahre. Ein wirklich netter Mann. Hat leider den rechten Arm verloren. Er will gerne Deutsch lernen und ich Russisch. Jeden Abend wird eine Stunde gelernt, das ist die beste Schule. Lesen kann ich schon ganz gut, aber noch nicht alles verstehen. Wir lernen aus einem russischen Buch. Wenn ich noch lange hier bleibe, werde ich noch gute Fortschritte machen.

Montag, 26. Oktober

Es ist immer so: Den Mund soll man nicht zu früh aufmachen. Vorige Woche schrieb ich noch, dass hier keine Läuse und Ungeziefer sind. Diese Nacht wurde ich wach. Es war, als wenn mir etwas über den Arm kroch. Ich hatte schon so eine Ahnung. Und richtig: Ich fand im Hemdsärmel eine dicke fette Laus. Ich habe das Biest unter meine Taschenlupe gelegt. Aber widerliche Dinger sind es doch. Die Russen sitzen ja voll von Ungeziefer, und die dicke Laus konnte ich nur von meinem Freund, dem russischen Ingenieur, bekommen haben. Sonst nahm hier alles seinen gewohnten Gang. Das Wetter war sehr neblig, obschon die Sonne so klar aufging. Aber gelacht habe ich heute sehr. Das Wasser zum Trinken und zum Kochen muss von einem besonderen Brunnen geholt werden. Der Brunnen liegt aber ca. 1 km vom Schacht entfernt. Schon öfter hatte ich Frauen gesehen, die Wasser holten. Eine Latte, 2 m lang, etwas gebogen und an beiden Enden ein Haken. An diesen Haken werden die Eimer gehängt, die Latte über die Schulter und so wird Wasser geholt. Heute mussten wir mit 2 Mann Wasser holen. Aber was man nicht gewohnt ist… Die Eimer schaukelten so an der langen Latte, so dass bald kein Wasser mehr im Eimer war. Das 21. Mal ging es schon besser. Die Erbsensuppe mit Fleisch schmeckte auch sehr gut. Heute wurde auch gesagt, dass jeder 1 Liter Wodka haben sollte. Hoffentlich wird es wahr. Hier muss auf alles verzichtet werden. Geld braucht man nicht, nur für Tabak. Das wäre auch alles.

Dienstag, 27. Oktober

Es ist so, als wenn es doch anderes Wetter werden will. Der Himmel ist so bewölkt, und der Wind heult nur so. Es ist aber nicht so wichtig, denn die Scheiben sind eingesetzt. Also es ist zum Aushalten. Heute Morgen fehlten schon wieder 3 Russen. Ich glaube aber, dass die einfach totgeschrieben werden vom Lagerkommandanten. Denn hier ist die Cholera ausgebrochen. Heute sind wir alle geimpft worden. Das prickelt aber ganz nett, Vorsicht ist auch hier am Platz. Das Essen war heute sehr schlecht. Es gab Kappes, etwas Fleisch und nur 2 Kartoffeln. Dann wird immer gemeutert. Heute Abend gab es Mais-Kürbissuppe, schmeckte sehr gut, aber warum so wenig? Das Zeug wächst doch hier genug. Morgen soll es was Besonderes geben. Jeder musste 3 Mark zahlen.

Mittwoch, 28. Oktober

Es wird so langsam Winter. Als ich heute Morgen wieder zum Bazar ging, hatte ich kalte Ohren. Ich habe gleich für Mark Tabak gekauft. Heute Abend haben wir Geburtstag gefeiert. Ein Kamerad ist 38 Jahre alt geworden. Wir hatten nichts zu trinken, nur geraucht haben wir. Um 10 Uhr Abends war die Feier auch schon zu Ende. Die Hirse-Graupensuppe war ja gut, aber etwas zu dünn. Heute Abend gab es nichts. Ich habe Brot gegessen und schwarzen Kaffee. Morgen gibt es was anderes, und solange hält man es ja aus.

Donnerstag, 29. Oktober

Es ist ja so, dass sich das Leben von Gegensätzen aufbaut. Als ich heute Mittag mein Essen hatte, es gab Kappes und 2 Kartoffeln (Saufressen), wurde mir bekannt gegeben, dass ich erst in 4 Wochen Anspruch auf die Marketenderware hätte. Wenn ein vernünftiger Mensch darüber nachdenkt, stehen einem die Haare zu Berge. So unklug zu sein, zu einem Menschen zu reden, der noch Verstand hat. Als ich die Nachricht bekam, habe ich mich aber sofort beruhigt und erklärte dem Küchen-Unteroffizier, dass ich die Sache selber regeln werde, da ich noch morgen nach Stalino zur Hauptverwaltung müsse. Abends, als ich meine Suppe holte, da war alles da. Die Herren hatten Wind gerochen. Aber mit der dünnen Suppe ist es ein richtiges Kohldampf-Schieben. Es ist nur gut, dass die Heimat nicht weiß, was hier in Punkto Verpflegung los ist. Jetzt soll ein Wagen mit Kohle losgeschickt werden zum Organisieren. Heute gab es Wodka. Jeder bekam ca. ¼ Liter. Er hat gut geschmeckt. Ich hatte einen schönen Schwips. Das Organisieren hat sich gelohnt. Für 5 Tage gab es 2½ Brot, 18 Zigaretten, 3 Zigarren, 3 Stumpen, 150g Butter und etwas Wurst.

Freitag, 30. Oktober

Heute bekam ich die Marketenderware: 5 Mann 1 Liter Wodka, 6 Zigaretten und Marmelade, und die Seifenzuteilung. Um 9 Uhr sind wir nach Schumatowha gefahren, dort ist eine moderne von den Russen total gesprengte Kohlenwäsche. Alles, was da noch eben zu gebrauchen ist, wird wieder zum Aufbau anderer Bergwerke gebraucht. Mit einer Gründlichkeit haben die Russen gesprengt. 8 Stockwerke ist die Wäsche hoch. Aber alles völlig demoliert. Man sieht nur verbogene Eisenträger und eingestürzte Betondecken. Die Elevatoren und die Becherwerke hängen so in der Luft herum, alles verbogen und zerknickt. Überall Schutt, Geröll und schwere Betonklumpen. Kein Stückchen Holz, alles ist verbrannt. Es ist doch schade, denn es ist ein ganz modernes Werk gewesen. Ein ganz moderner Verladebahnhof liegt direkt am Werk, wohl 15 Gleise nebeneinander. Die bewohnte Siedlung, die ganz in der Nähe des Werkes liegt, sieht sehr verludert aus. Der Russe hat eben keinen Ordnungssinn. Die zerbrochenen Latten und Bretterzäune und der tägliche Abfall in den kleinen Vorgärten machten keinen guten Eindruck. Die Straßen zwischen den Häusern sind in einem miserablen Zustand, als wenn man querfeldein fährt.

Leider hört das Tagebuch hier auf. Heinrich Hölscher hat jedoch überlebt und kam als Kriegsgefangener nach 1945 erneut in die Ukraine. Die Erlebnisse hat er ebenfalls festgehalten.

Meine Erinnerungen und unser gemeinsames Erleben in russischer Gefangenschaft von 1945–1947

Auch wenn alles schon längst vorbei ist und die Welt noch nicht zur Ruhe gekommen ist – ja, schon wieder beginnt kriegerische Unruhe –, möchte ich meine Erinnerungen so gut wie möglich aufzeichnen, um nicht zu vergessen, wie es war.

Jahreswechsel 1944/45

Das Jahr 1944 ging zu Ende. Meine Weihnachtsferien konnte ich noch in Hamburg im Kreis der Familie verbringen. Wie ein Albdruck lag es auf allen Deutschen: Wie wird die Zukunft werden? Unaufhörlich zog sich die deutsche Wehrmacht zurück; dem Druck der feindlichen Fronten konnte kein Einhalt mehr geboten werden. In Ostpreußen tobten schwere Kämpfe, der Volkssturm war aufgerufen, den Druck im Osten aufzuhalten. Auch ich erhielt Nachricht, sofort nach Freiburg in Schlesien zurückzukehren. Dem Befehl zufolge hatte ich an einem Waffenkurs teilzunehmen. So blieb mir nichts anderes übrig, als Hamburg zu verlassen.

Reise nach Schlesien

Am 1. Januar ging es um 4 Uhr morgens los. Hamburg hatte am Vortag einen schweren Angriff erlebt, Straßenbahnlinien waren zum Teil gestört. Ich musste also früh aufbrechen, um den fahrplanmäßigen Zug nach Berlin zu erreichen. Es war bitterkalt; ein Teil des Weges zum Hauptbahnhof lag zu Fuß vor mir. Doch ich hatte Glück und erreichte den Zug. Ich verließ das brennende Hamburg – ohne zu ahnen, welche schweren Tage mir noch bevorstanden. Um 11 Uhr kam ich in Berlin an. Noch bevor ich den Bahnhof Friedrichstraße erreichte, ertönte Vollalarm. Zum Glück fand ich im großen Bahnhofsbunker Deckung. Nach drei Stunden war der Angriff vorbei, und ich konnte einen D-Zug nach Liegnitz nehmen. Von dort ging es über Königszelt nach Freiburg, wo ich um 23 Uhr ankam.

Ankunft in Freiburg

Doch vieles hatte sich verändert: der Bahnhof, die Hotels, die Betriebe. Das Hotel „Lindenhof“ war mit Flüchtlingen belegt – nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Auch im Betrieb war es traurig: Wegen Stromsperren konnten wir nicht mehr voll arbeiten. Aufträge gab es in Hülle und Fülle, doch wir kamen kaum voran. Am 5. Januar musste ich nach Schweidnitz. Dort wurden ältere Männer in einem alten Gymnasium untergebracht – die Schulräume mit Stroh ausgelegt. Wir nahmen es mit einem Lächeln hin.

Ausbildung im Volkssturm

An das Soldatenleben mussten wir uns gewöhnen: Wecken um 6 Uhr, eine Stunde Waffenlehre, dann Antreten. Es folgten Märsche und Vorführungen, danach Ausbildung an Maschinengewehr, Karabiner, Panzerfaust und anderen Waffen. Die Ausbildung dauerte acht Tage; anschließend wurden wir als „ausgebildete Volkssturmmänner“ entlassen. In Freiburg ging das Leben scheinbar normal weiter, doch innerlich war jeder unruhig. Immer mehr Flüchtlinge strömten herein, die Unterbringung wurde schwierig. Zurückflutende Wehrmachtsteile prägten das Bild. Wilde Parolen machten die Runde; Rundfunkansprachen sollten beruhigen – doch die Ahnung, dass noch schwere Zeiten bevorstanden, lastete auf allen.

Einberufung nach Breslau

Am 22. Januar, früh um 9 Uhr, erhielt ich per Telefon die Nachricht, dass ich um 14 Uhr mit einem Tagesvorrat Verpflegung am Bahnhof Freiburg anzutreten hatte. Ich packte meine Sachen, ließ mir helfen und gab meine Koffer im Betrieb mit der Weisung ab, sie sofort nach Hamburg zu schicken – ich habe sie jedoch nie wiedergesehen.

Um 14 Uhr ging die Fahrt los. Gegen 18 Uhr erreichten wir Breslau; für die 50 Kilometer hatten wir vier Stunden gebraucht. Wir mussten uns in einem Lager melden, das in einem Gesellschaftshaus untergebracht war. Dort wurden wir registriert. Schon hier begegneten wir Volkssturmmännern, die verwundet, zerschossen und verdreckt vom Einsatz zurückkehrten. Uns wurde langsam anders zumute.

Erste Einsätze

Nach einer kurzen Prüfung wurden wir kleinen Einheiten zugeteilt, die sofort zum Einsatz sollten. Auch ich gehörte zu einem Kommando – doch ich zog es vor, mich unauffällig zurückzuziehen. In der Menge untergetaucht, war ich nicht mehr auffindbar.

Die Nächte verbrachten wir beengt; der Schlaf war unruhig. Am Morgen folgten erneut Exerzieren und Waffenlehre. Immer wieder fragten wir: Was ist in Breslau los? Überall packte man, Lastwagen verließen die Stadt, Wehrmachtsteile strömten zurück, endlose Trecks zogen vorbei.

Weitere Ausbildung

Ich wurde als Maschinengewehrschütze ausgebildet. Nach einigen Tagen erhielten wir Uniformen: neue Polizeiuniformen, Feldmütze und Stahlhelm. Stiefel gab es keine, ich trug meine eigenen Schuhe. Der Dienst wurde immer härter. Wir hatten Scharfschießen und weitere Übungen.

Vor allem wurden wir an Panzerfäusten ausgebildet. Wir wurden zu einem Spezial-Panzervernichtungstrupp eingeteilt. Wir führten die Anschrift „Kampfgruppe Mackensen“. Einmal nachts gab es Alarm. Dass die Front immer näher rückte, konnten wir mit jedem Tag feststellen.

Liegnitz

Wir wurden auf Lastwagen verladen und kamen morgens in Liegnitz an. Wir bezogen Quartier im Gasthof „Zum Lindenhof“. Dieser Gasthof lag etwas außerhalb von Liegnitz. Die Trecks, die dort auf der Landstraße lagen – es war ein Trauerspiel. Frauen mit Koffern auf Schlitten und kleine Kinder am Arm waren Tag und Nacht unterwegs. Es war eine Flucht ins Ungewisse. Hier waren wir mehrere Tage, bis wir wieder nachts aufbrechen mussten.

In aller Eile wurde alles verladen und es ging in Richtung Grünberg. Diese Fahrt dauerte zwei Tage. Verschneite Wege erschwerten alles, gefahren wurde mit Holzgas. Wiederum wurden wir in einer Schule untergebracht. Der Ernst des Lebens begann sich abzuzeichnen. In den Vororten von Grünberg war der Russe eingebrochen, aber zurückgeschlagen worden. Nachts mussten wir um Grünberg herum Wache stehen. Ganz deutlich konnten wir schon die Front erkennen. Die Lage wurde immer bedrohlicher für uns.

Erste Einsätze bei Grünberg

Sofort wurden wir in der Gegend eingesetzt, wo der Russe gehaust hatte, um das noch vorhandene Vieh zu holen. Wir kamen in kleinere Ortschaften. Dort konnten wir deutlich die Spuren der Kämpfe sehen, die hinterlassen worden waren. Die Straßen waren von Panzern zerwühlt, russische Munition lag überall herum.

An einem Dorfteich am Ausgang eines kleinen Dorfes lag ein toter Russe. Der Kopf war kahl geschoren – ein eigenartiger Eindruck. Baumlängen weiter lag wieder einer. Wir hatten alle das Gefühl: Wir sind mitten im Schlamassel. Gnade Gott! Ich hatte mit meinem MG eine Straßenkreuzung zu bewachen, während die anderen Männer in den Gehöften das noch vorhandene Vieh abholten.

Erste Eindrücke an der Front

Da keine unmittelbare Gefahr bestand, erkundeten wir das Dorf. Es gab immer Neues zu entdecken. Wir kamen auch an einen Friedhof, der auf einer kleinen Anhöhe lag. Von dort aus konnten wir die Front wirklich sehen. Die ersten Eindrücke vergisst man nicht: Wir sahen deutlich einschlagende Granaten.

Der erste Tote, den wir sahen, war ein junger deutscher Soldat. Ganz friedlich lag er an einem alten verwitterten Grabstein, als ob er schlief. Die Hände hatte er gefaltet, als ob er noch betete. Es war so ergreifend, dass wir nur niederknien konnten und für ihn beteten: „Herr, gib ihm die ewige Ruhe.“

Kämpfe um Grünberg

In den Vororten von Grünberg war der Russe eingebrochen, aber wieder zurückgeschlagen worden. Nachts mussten wir in den Außenbereichen Wache stehen. Ganz deutlich konnten wir schon die Front erkennen. Die Lage wurde von Tag zu Tag bedrohlicher für uns.

Wir wurden auf Bauernhöfen einquartiert, erhielten Aufträge zum Viehholen und sahen überall die Spuren der Kämpfe. Straßen waren von Panzern aufgerissen, Munition lag verstreut. Tote Soldaten prägten das Bild – ein Anblick, der uns allen die Grauen des Krieges deutlich machte.

Marsch nach Naumburg

Mittags um 14 Uhr gab es Alarm. Sofort mussten wir feldmäßig antreten und wurden auf Omnibusse verladen. Es ging in Richtung Christianstadt am Bober. Auf dem Marktplatz mussten wir unsere überflüssigen Sachen abgeben, auch meinen Schmalztopf. Nur mit leichtem Sturmgepäck durften wir weiter.

Bald darauf gerieten wir unter Artilleriefeuer. Die Scheiben des Busses zersplitterten, Verwundete schrien. Ich sprang mit meinem MG durch die Fenster und suchte Deckung im Straßengraben. Viele Kameraden kamen ums Leben, andere wurden schwer verletzt. Wir mussten uns querfeldein nach Naumburg durchschlagen. Dort war die Lage chaotisch: Der Bürgermeister war von den Russen erschossen worden, überall herrschte Aufregung.

Gefechte im Wald bei Naumburg

Am Waldrand wurden wir in Stellung gebracht. Unsere Einheit bestand aus älteren Volkssturmmännern, viele zwischen 45 und 60 Jahren. Ich musste mich mit meinem MG eingraben. Die Nacht war unheimlich still, doch wir hörten die Zurufe der Russen und das Rasseln von Panzern in der Ferne. Jeder wusste: Ein Angriff stand bevor.

Im Morgengrauen begann das Feuer. Wir sollten die gegenüberliegenden Bauernhöfe, die von Russen besetzt waren, stürmen. Alte Volkssturmmänner rannten los – viele fielen sofort und blieben liegen. Das Abwehrfeuer war mörderisch. Ich sollte mit meinem MG den Angriff decken, erkannte aber schnell die Sinnlosigkeit. Ich suchte Deckung im Wald und zog mich zurück. Überall lagen Tote und Verwundete. Das Grauen dieser Szenen werde ich nie vergessen.

Einschließung

Wir mussten uns durch eine Tannenschonung zurückziehen, doch überall hörten wir Schüsse. Bald waren wir eingeschlossen. Links und rechts in den Wäldern sowie vor uns tobte das Gefecht. Wir überlegten fieberhaft: weiterlaufen oder verstecken? Freiwillig in Gefangenschaft zu gehen war gefährlich, denn es hieß, die Russen würden keine Gefangenen machen. Schließlich entschlossen wir uns, das Risiko einzugehen.

Gefangennahme

Wir traten aus dem Wald und gingen mit erhobenen Händen auf ein brennendes Bauernhaus zu, in dem sich Russen befanden. Ein Kosake galoppierte auf uns zu, gab Schreckschüsse ab und stellte uns. Ich begrüßte ihn auf Russisch und schenkte ihm meine Uhr, um die Situation zu entschärfen. Kurz darauf waren wir von einer ganzen Gruppe Russen umringt. Sie durchsuchten uns, nahmen uns alles ab, doch wir blieben am Leben.

Am Bober mussten wir mit einer primitiven Fähre übersetzen. Wir standen gefährlich nah am Rand und dachten, man wolle uns ins Wasser stoßen. Doch wir erreichten das andere Ufer. Dort wurden wir weiter verhört und von russischen Offizieren ausgefragt. Zu unserer Überraschung erhielten wir sogar ein Dokument, das uns die Rückkehr zur deutschen Front erlauben sollte – ein trügerischer Hoffnungsschimmer.

Erste Tage in Gefangenschaft

Schon bald wurden unsere Dokumente zerrissen. Man brachte uns in einen dunklen Keller, in dem Männer und Frauen dicht gedrängt eingesperrt waren. Am nächsten Tag verlegte man uns in eine Scheune. Durch Ritzen im Tor konnten wir sehen, wie einige Gefangene erschossen wurden – ein Bild, das uns allen Angst und Schrecken einjagte.

Nach einigen Tagen wurden wir mit anderen zusammen in Marsch gesetzt. Immer mehr Gefangene stießen dazu. Schon bald waren wir mehrere hundert Mann. Die Unterbringung war notdürftig, zu essen gab es kaum. Trotzdem gab es auch Augenblicke, in denen wir etwas Glück hatten – etwa, wenn wir auf einem Bauernhof Brot oder Milch erhielten.

Marsch in die Gefangenschaft

Nach Tagen voller Ungewissheit wurden wir mit etwa 40 Mann in Marsch gesetzt. Von Dorf zu Dorf trieb man uns, oft übernachtet in verlassenen Häusern oder Scheunen. Schon bald wuchs unsere Gruppe auf über 100 Gefangene an. Viele waren erschöpft, hungrig und verzweifelt. Auf manchen Höfen gab es Fleisch oder Brot, das kurzfristig unsere Kräfte stärkte – doch oft hatte es auch Folgen: Einige litten nach den plötzlichen Mahlzeiten an schweren Magenproblemen.

Transporte und Sammellager

Schließlich erreichten wir ein größeres Sammellager, in dem bereits mehrere hundert Männer zusammengepfercht waren. Die Bedingungen waren katastrophal: kaum Nahrung, unzureichende Kleidung und bittere Kälte. Oft lagen wir dicht an dicht auf dem nackten Boden, manche schon fiebrig oder verletzt. Wer krank wurde, war verloren – medizinische Hilfe gab es nicht.

Von dort wurden wir weitergetrieben, immer Richtung Osten. Teilweise zu Fuß, teilweise auf offenen Wagen. Viele Kameraden brachen erschöpft zusammen. Wer nicht mehr konnte, blieb zurück – und kehrte nie wieder.

Hunger und Alltag in der Gefangenschaft

Der Hunger wurde unser ständiger Begleiter. Ein Stück trockenes Brot oder ein paar Kartoffeln galten als Festmahl. Manche Gefangene sammelten Gras oder Schalen, um überhaupt etwas im Magen zu haben. In den Nächten froren wir erbärmlich, viele hatten keine Decken. Gespräche über Essen waren fast das Einzige, was uns vom Elend ablenkte.

Trotz aller Not halfen wir uns gegenseitig, teilten das Wenige, was wir hatten, und gaben uns Mut. Kameradschaft war oft das Einzige, was uns am Leben hielt. Jeder neue Tag war eine Prüfung, und niemand wusste, ob er den nächsten noch erleben würde.

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