Zum Einsatz als Seilmonteur im Donetzbecken (Russland)
[Red. 2025: Russisch völerrechtswidig bestztes Ukrainisches Staatsgebiet]
Von Heinrich Hölscher, Seilermeister.
Die unter Kriegseinwirkungen zerstörte Industrie im Donetzbecken sollte unter allen Umständen wieder in Betrieb gesetzt werden. Zu diesem Zweck wurden Fachkräfte eingesetzt, bzw. nach dort, abkommandiert. Zu dieser Zeil war is als Seilermeister dienstverpflichtet in den Spinnerei und Seilfabrik Richard Finsner. Freiburg in Schlesien. Diese Firma musste einen Fachmann nach dort abstellen, und somit kam nur ich in Frage. Ich bekam auch bald Nachricht in Berlin bei der DBH G. vorstellig zu werden und die Reise nach Russland sofort anzutreten. Nun konnte die Reise Los gehen. Am Donnertagmorgen abends um 8 Uhr fuhr ich von Freiburg nach Berlin und war dort am Freitagmorgen um 7 Uhr. Meine Frau, die auch gerade in Freiburg war, fuhr auch mit nach Berlin. Als wir dort ankamen, haben wir erst gut gefrühstückt d. h. von dem, was wir mitgebracht hatten Dann wurde es auch Zeit, daß ich zur DBHG kam, denn ich sollte dort lt. Telegramm am Freitag eintreffen, dort musste ich zu Herrn Pellny. Es wurden mir Instruktion erteilt und zur Fasanstr. geschickt wo ich Formulare ausfüllen musste mit der Angabe was ich noch für die Reise benötigte, die Bezugscheine dafür konnte ich aber erst am Dienstag abholen.
Zur Übernachtung wurde mir ein Zimmer im Hotel Allemannia am Anhalter Bahnhof zugewiesen. Dort haben wir übernachtet und sind dann am Samstagabend nach Hamburg gefahren. Zuvor haben wir jedoch noch einen Berliner Stadtbummel gemacht: Wir waren am Brandenburger Tor, an der Reichskanzlei, haben das Zeughaus und auch das Schloss besichtigt. Dann wurde es aber auch Zeit, dass wir zum Bahnhof kamen. Unterwegs trafen wir noch den Sohn von Linnemann aus Sendenhorst (Südgruben) und kurz darauf den Feldwebel Theo Offers aus Sendenhorst (Nordstraße). Um 18 Uhr fuhren wir von Berlin ab und kamen gegen 2 Uhr 11 in Hamburg an.
Aber die zwei Tage vergingen sehr schnell, und am Dienstagmorgen um 6:30 nach Berlin gefahren und gleich holte ich mir von der DBHG meine Bezugscheine. Dann ging es auf Zimmersuche, aber ich hatte Glück: Es war gegen 11 Uhr, und ich fand ein Hotel am Alexanderplatz. Abends war ich noch im Kabarett, wo es auch sehr gemütlich war. Am Mittwochmorgen ging ich einkaufen bei Karstadt in Berlin-Neukölln, dort gab es eine Sonderabteilung für den Ost-Einkauf. Meine Stiefel musste ich allerdings anderswo kaufen. Mit diesem Einkauf war der Tag zu Ende. Aber mir fehlte noch ein Picknapf (Essentopf), und das habe ich am Donnerstag unter großen Mühen erstanden, zusammen mit einer kleinen Einkaufskarte für die Reise (Brot, Butter, Wurst usw.). Ich ging abends noch zur Abwechslung ins Kino und so konnte die Reise am folgenden Tag beginnen, denn ich hatte Fahrkarte und Rubel.
Am Freitagmorgen sollte mein Zug um 8:25 Uhr von Berlin-Charlottenburg abfahren, hatte aber etwa eine Stunde Verspätung. Im Wartesaal, wo ich mich noch aufhielt, fand ich einen Glückspfennig, und das konnte ja nur Glück bedeuten. Der Bahnsteig war völlig überfüllt – alle wollten nach Osten. Aber ich hatte Glück und bekam einen Sitzplatz am Fenster. Der Zug war jedoch völlig überfüllt. Am Abend um 22 Uhr kamen wir in Warschau an, und am Samstagnachmittag erreichten wir mit etwa vier Stunden Verspätung Kowel. Dort hatte ich sofort Anschluss nach Fastov. ...
Am Freitagmorgen sollte mein Zug um 8:25 Uhr von Berlin-Charlottenburg abfahren, hatte aber etwa eine Stunde Verspätung. Im Wartesaal, wo ich mich noch aufhielt, fand ich einen Glückspfennig, und das konnte ja nur Glück bedeuten. Der Bahnsteig war völlig überfüllt – alle wollten nach Osten. Aber ich hatte Glück und bekam einen Sitzplatz am Fenster. Der Zug war jedoch völlig überfüllt. Am Abend um 22 Uhr kamen wir in Warschau an, und am Samstagnachmittag erreichten wir mit etwa vier Stunden Verspätung Kowel. Dort hatte ich sofort Anschluss nach Fastov. Aber alles ging im Galopp. Die Soldaten und die Eisenbahner hatten alle viel Gepäck. Alles musste verstaut werden. Ich bekam wieder einen Fensterplatz. Die Fahrt von Kowel noch Fastov war für mich sehr interessant. Es war ja auch die erste Fahrt die ich in Russland machte. Die Spuren des Krieges konnte man überall sehen. Wie eine Schlucht gewesen war, sah man Soldatengräber & zerschossene Tanks. Aber an der zerstörten Eisenbahn wurde fieberhaft gearbeitet. Diese Arbeit wird von den Russenfrauen ausgeführt. Auf den Bahnhöfen sieht man oft ganze zerschossene Eisenbahnzüge. Fährt man durch die kleinen Städte und Dörfer, so sieht man immer die Spuren des Krieges immer wieder zerschossene Panzer, Soldatengräber. Aber Es ist eigenartig, wenn man so ein einzelnes Soldatengrab sieht. Immer denkt man dann: Wer mag dort wohl liegen? Aber es geht immer weiter – das eine Erlebnis löst das andere ab. Oft ist es sehr romantisch, oft wie im Film: die kleinen Holzhäuser, aber es sieht alles sehr verkommen aus.
Der Boden scheint recht Ordnung. Es ist hier eben ein anderer Menschenschlag. Am Sonntagmorgen war der Zug in Fastov. Von Fastov aus sollte der Zug um 7:00 Uhr weiterfahren, aber es wurde gemeldet, dass der Zug etwa 3,5 Stunden Verspätung hat. Aber das ist mir ziemlich egal. Der Wartesaal ist überfüllt mit Soldaten und Zivilisten, auch viele Eisenbahner sind darunter.
Mir gegenüber sitzt Am Tisch sitzt ein Kosak, der ist bei der Polizei. Er ist noch jung – ich schätze, er ist etwa 20 Jahre alt. Er macht aber einen recht guten Eindruck. Auch sind noch Soldaten am Tisch von der Organisation Todt. Die sind gerade beim Frühstücken, und mir läuft das Wasser im Munde zusammen – die Butter und der Käse sind so dick wie das Brot. Aber alle sind so vergnügt. Niemand schimpft darüber, dass der Zug so viel Verspätung hat. Alle bleiben vergnügt. Es ist jetzt 9:40 Uhr. Die Fahrt geht jetzt los – von Fastov nach Dnjepropetrowsk, dort soll der Zug am Montagmittag um 12 Uhr eintreffen. Im Gepäckwagen bin ich untergekommen. Wir sitzen auf Koffern und Kisten. Gerade ist hier ein Zug mit Italienern zur Front abgefahren – die waren aber sehr gut eingekleidet. Es scheint, als wäre diese Fahrt vom Pech verfolgt. Als der Zug losfahren wollte, riss die Wagenkupplung ab. Der Schaden war zwar bald behoben, aber es hat doch eine gute Stunde gedauert. Die Fahrt selbst war ansonsten sehr angenehm, die Gegend prima. Die Bilder wechselten sich mit prima Ackerboden ab. Das Land ist auch sehr bewirtschaftet. Man sieht hier große Viehherden und viele Hopfenkulturen. An den Stationen, wo der Zug hält, kommen die russischen Frauen an den Zug und verkaufen Lebensmittel. Ein Ei kostet 50 Kopeken. In der Nacht war es dann doch ziemlich kalt. Die Beine tun weh, und man weiß nicht, wo man die Dinger lassen soll. Aber sobald es hell wurde, kam wieder Leben in den Wagen. Jetzt ist es Montagvormittag. Schon haben wir wieder Pech – wir warten schon wieder seit einer Stunde. Und wie lange mag es noch dauern, bis das Loch repariert ist? Die Pumpe soll kaputt sein. Aber es nützt nichts – nur warten. Wasser ist nirgends zu haben. Soeben hat sich ein Mann mit Kaffee rasiert. Um 12 Uhr ging die Fahrt weiter, und um 22 Uhr waren wir in Dnjepropetrowsk. Hier hat der Krieg aber schrecklich gewütet. Überall sieht man ausgebrannte Fabriken. Der Bahnhof ist auch total zerschossen, überall sind Baracken aufgebaut. Es wimmelt von Militär. In einer Baracke habe ich mein Gepäck abgegeben, und als ich das Gepäck los war, habe ich die Stadt besichtigt. Sofort am Bahnhof gibt es wunderbare Anlagen. In diesen Anlagen lagen Hunderte von Flüchtlingen aus dem Frontgebiet – zum größten Teil zerlumpt und abgemagert. Der Schrecken des Krieges war noch in den Gesichtern zu sehen. Die Menschen lebten dort zwischen Koffern, Kisten, Betten und Hausgerät. Auf den Straßen standen zerschossene Straßenbahnen kreuz und quer durcheinander. Die Straßen selbst waren nur noch ausgebrannte Ruinen.
In einer der Anlagen, die durch den Krieg total verwildert war, besuchte ich einen Basar-Markt. Dort waren viele Landser zu finden. Es kostete: 1 Schachtel Streichhölzer – 0,80 Mark, 1 Ei – 1 Mark. Man bot mir eine Uhr an für 600 DM. Als ich meine eigene Uhr verkaufen wollte, sollte ich nicht mehr als 80 DM dafür bekommen. Unerhörte Preise! Aber fast jeder war am Handeln. Da ich so etwas noch nicht kannte, war es doch sehr interessant.
Um 6 Uhr abends konnte ich weiter fahren. Ich hatte Glück. In einem der für Eisenbahner reservierten Waggons bekam ich im überfüllten Zug einen Sitzplatz. Im selben Abteil waren noch zwei Eisenbahner aus meiner Heimatgegend – der eine war aus Rheine und der andere aus Osnabrück. Am nächsten Morgen (Dienstag) war der Zug in Jassinowataijar Stalino angekommen. Hier musste ich aussteigen und konnte erst am nächsten Morgen weiterfahren.
Der Bahnhof war völlig zerschossen und das Leben spielte sich in Baracken ab. Hier sah ich nur wenige Zivilisten – sonst war alles Militär. Die Stadt war schwer zerstört. Aber an das Elend und die notleidenden Menschen gewöhnt man sich schnell. Bald achtet man kaum noch darauf und geht achtlos an diesen Dingen vorbei. Gegen Mittag hatte ich wieder Glück: Mit einem Lastwagen der Luftwaffe kam ich nach Stalino gefahren und war schon um 12:00 Uhr dort.
Die ganze Fahrt hat nun gedauert: Die Abfahrt in Berlin am Freitagmorgen um 8.45 Uhr, Ankunft in Stalino am Dienstagmittag um 12.00 Uhr. Die Deutsche Berg- und Hüttenwerksgesellschaft hat hier in Stalino ein großes Verwaltungsgebäude und auch ein wunderbares Casino. Dort habe ich erst zu Mittag gegessen. Um 3 Uhr fing dort der Dienst wieder an, und ich musste erst meine Formalitäten erledigen. Aber es geht schon richtig los: „Einen Moment – nicht jetzt, kommen Sie in einer Stunde wieder.“ Aber ich habe ja heute Ruhe und Zeit mitgebracht. Und dann war auch schon wieder Feierabend. Inzwischen hatte ich wieder ein Auge auf das Casino geworfen. Ich hatte ja noch für zwei Tage Marschverpflegung. Aber trotzdem konnte ich dort im Casino essen. Dazu gab es echten Bohnenkaffee und Wodka, alles reichlich. Ich habe alles in vollen Zügen genossen. Ich wusste wohl, dass es nachher anders wird.
Ich habe bloß noch kein Quartier. Und dann wird erzählt, dass jeder bald Läuse hat und jeder eine Durchfallperiode durchmachen muss. Aber das geht auch vorüber. Ich bin schon so ein halber Soldat geworden. Hier treibt keiner. Gestern Abend, also am Ankunftstag, hatte ich noch kein Quartier gefunden. Ich habe bei den Stores der D.B.H.G. geschlafen. Es war recht gemütlich, ich hatte ja auch reichlich Wodka getrunken – also die erste Nacht gut überstanden. Aber das Schlimmste ist das Rauchen. In Berlin hatte ich doch so gut vorgesorgt, aber jetzt ist es schon längst alle. Eigentümlich ist es, dass man gar nicht weiß, was so richtig los ist. Radio habe ich schon lange nicht mehr gehört und Zeitungen bekommt man auch nicht. Die Hauptsache ist, dass es rund geht.
Hier in Stalino sind auch viele Soldatenheime. Zwei kenne ich schon Kochen tun deutsche Rote-Kreuz-Schwestern, und Russenfrauen bedienen. Die Landser können sich aber schon gut mit ihnen unterhalten. Ich muss immer noch warten. Aber die Gelegenheit kann ich gut nutzen, was Neues zu entdecken. So war ich auch zu den großen Stalinwerken. Alles ist zerstört. Die Russen sollen alles gesprengt haben. Auch war ich zu einem großen Kriegslazarett, gleich dahinter war der große Friedhof. Dort lagen die deutschen, italienischen und rumänischen Soldaten friedlich nebeneinander, daneben noch fertige ausgeschachtete Gräber, die noch auf die Soldaten warteten, die noch am Sterben sind. Ich habe jetzt auch ein Quartier in der Linie Haus-Nr 16. Die Frau scheint in Ordnung zu sein. Sie macht wenigstens einen guten Eindruck.
Am Donnerstag ging es wieder von einer Dienststelle zur anderen. Es wurde mir aber schon bekannt gegeben, dass ich zum Schacht 12/18 soll und am Samstagmorgen soll ich dorthin abfahren. Beim Portier traf ich noch einen Landsmann aus Unna-Westfalen. Ihm will es überhaupt nicht gefallen. Das Essen auf den Bau-Stellen soll sehr schlecht sein. Auch habe ich erfahren, dass ich 4 Wochen zu früh hier bin. Ich wollte gleich wieder abfahren, aber es ist hier vorn so leicht nicht wieder fort. Es ist mir auch gleich, denn zum ewigen Hierbleiben bin ich ja auch nicht verdammt. Ich will ja auch sehen, dass ich ordentlich was rausgeschlagen habe. Also auf gut Glück. Heute Morgen war ich wieder auf dem Bazar. Dort kostet alles viel Geld. 7 Schachteln Streichhölzer 1,30 Mark. Auch habe ich wieder einen deutschen Soldatenfriedhof besucht. Dort wären 700–840 Soldaten begraben. Aber alle haben ein Kreuz mit Namen. Der Offizier neben den einfachen Soldaten. Dieser Friedhof ist ca. 3/4 Std. außerhalb von Stalino. Auf meinem Rückweg zog ich noch durch die Umgebung von Stalino. Die Hauptstraße von Stalino ist sehr schön: große Gebäude, aber gleich dahinter die Hütten der armen Leute. Die Leute dort sind doch ärmlich gekleidet. Das sieht man am besten, wenn man auf den Bazar ist. Dort ist es immer interessant, womit die Leute alle handeln. krumme Nägel, alte Schuhe, Anzüge und Kleider, also alles, was der Mensch gebrauchen kann. Ich muß immer nur staunen.
Jetzt sitze ich im Park und bin am Schreiben. Das Wetter ist ja wunderbar, denn heute ist auch schon der 1. Oktober. Soeben waren 2 Jungs bei mir und wollten Streichhölzer und Feuersteine kaufen. für meine Schuhe wollten sie 130 Mark zahlen. Jetzt sind sie bei einem Landser am Handeln. So bietet das Leben hier seine interessanten Alltäglichkeiten. Heute Morgen habe ich für 4 Tage Marschverpflegung erhalten. 2 Brote, 1 große Büchse Fleisch, 300 gr Butter, Zucker und Bohnenkaffee. Den Bohnenkaffee will ich aber nach Hause schicken, denn die hätten dort mehr Freude daran. Heute Abend muß ich noch einen Brief schreiben, wird ja nicht mehr lange dauern, Freitag. 16. Oktober. Der Tag verlief wie jeder andere. Abends war ich im Soldatenheim. (Männer müssen so sein.)
17. Oktober
Aber heute, 17. Oktober ging die Fahrt los. Ich hatte vorher noch etwas zu erledigen. Aber das Eigentümliche war, daß Gerede der Leute, die sich vorschoben. Einer sagte zu mir: Mein lieber Mann,
fahren Sie zurück nach Deutschland. Wenn Sie dort ins Zuchthaus kommen, leben Sie immer noch besser als hier. Es sieht brenzlig aus, und wenn Sie mit dem Leben davonkommen, dann haben Sie Glück
gehabt. Denken Sie an Stalingrad. Ich durfte nicht weiter fragen. Ich konnte mir auch kein Urteil erlauben.
So bin ich denn am Sonnabend, 17. Oktober auf dem Schacht 14/18 gelandet. Die Fahrt dauerte etwa 1½ Stunden mit einem Personenwagen. Die Fahrt führte durch viele Dörfer und vorbei an Lehmhütten, aber es waren auch schöne kleine Häuser dazwischen. Aber die Leute waren arm, das konnte man an der Bekleidung sehen. Die Wege waren sehr schlecht, es ging oft querfeldein. Ich fühlte mich ins Mittelalter versetzt. Es ging durch übergroße Mais- und Kartoffelfelder.
Der Ingenieur, der mich zur Schachtanlage 12/18 brachte, war ein netter Mann. Er sprach sehr gut Russisch. Auf der Schachtanlage trafen wir auch sofort einen Obermonteur Riedel, mit dem ich wohl zusammenarbeiten sollte.
Die anderen deutschen Kameraden, die hier sind, sind alles Menschen von echtem Schlag, aus hartem Holz geschnitzt. Sie haben bereits ein gutes Stück Arbeit geleistet. Es macht den Eindruck, als wenn sich diese Menschen so richtig in die Arbeit verbissen hatten. Alle sind stolz auf das, was sie erreicht haben. Man merkt sofort, dass hier eine echte Kameradschaft herrscht. So schön habe ich das noch nie erlebt. Aus Schutt und verbogenen Eisenträgern, aus gesprengten Mauern und zerstörten Maschinen haben die Kameraden es geschafft, rund 200 Tonnen Kohle gefördert werden konnten.
Ein schönes, großes Zimmer wurde mir zugeteilt. Das einzige Möbelstück war ein eisernes Bettgestell – Vorder- und Hinterteil fehlten allerdings. Am nächsten Tag brachten zwei russische Frauen eine andere eiserne Bettstelle. Die Wände sind schön weiß gekalkt, sonst aber sauber. Sofort habe ich mir ein Gestell gebaut, an dem ich meinen Mantel und Anzug aufhängen konnte. Heute, am Sonntag, den 18. November, habe ich mir einen Tisch gezimmert – für die Verhältnisse hier ist er wirklich gut geworden. So ist mein kleines Eigenheim hier bald vollständig. Geschlafen habe ich bisher sehr gut – Läuse, Flöhe und Wanzen gibt es hier nicht. Das ist auch ein Glück. Die Zimmer werden sehr sauber gehalten. In dieser Hinsicht sind die Kameraden sehr zufrieden.
Aber was das Essen betrifft – das ist der große wunde Punkt. Immer wieder nur Kohl und nochmals Kohl. Die Leute wissen langsam nicht mehr, was sie sich noch einfallen lassen sollen. Kartoffeln gibt es keine – nicht eine einzige ist eingelagert worden. Wie soll das bloß im Winter werden?
Heute, am Sonntagmittag gab es eine Suppe ohne Kartoffeln, ein paar Wurzeln – und das war auch alles. Aber gegessen wird trotzdem alles. Die Leute sind nur darüber verärgert, dass die Herren in Stalino in Saus und Braus leben. Ganz ungeniert genießen sie dort das gute Leben. Ich habe es ja selbst gesehen und erlebt.
Mit Sorge und Bangen schauen alle dem Winter entgegen. Wenn jemand hier ernsthaft krank wird, dann muss ein Arzt aus Stalino geholt werden – aber wie soll der hierherkommen? So einfach ist das nicht. Auch Medikamente sollen sehr knapp sein. Das ist es, was alle so deprimiert. Zu Rauchen gibt es pro Tag 3 Zigaretten. Aber Machorka, in Zeitungspapier gedreht, schmeckt auch ganz gut.
Montag, 19. November
Obwohl das Wetter gestern schlecht war, ist es heute, trocken – ein Glück, denn die Leute sind dabei, den Förderturm aufzurichten, und andere bauen am Eisengerüst für eine Brikettfabrik. Dieser
Gruppe bin ich zugeteilt. Andere sind als Maurer eingesetzt. Gefangene Russen laufen genug herum. Aber auch bei denen wird die Arbeit großgeschrieben. Ich kann es den Leuten nicht verdenken. Es
wirkt, als sei hier die Elite der deutschen Arbeiter eingesetzt.
Morgens, sobald es hell wird, geht es los – und gearbeitet wird bis zum Einbruch der Dunkelheit. Aber niemand macht früher Feierabend, und keinem scheint die Arbeit zu viel zu sein. Jeder sagt: „Wir müssen fertig werden.“ Hier glaubt noch jeder an den Sieg Deutschlands. So ist der deutsche Arbeiter hier. Es ist nur schade, dass es für diese Leute in Sachen Essen und Trinken nicht besser gesorgt wird.
Könnte da nicht etwas von Stalino mitgebracht werden? Müssen die Leute, die dort in den Büros arbeiten, noch ein gutes, freies Essen für 50 Pf haben? Nein – auf den Baustellen müsste das gute Essen und etwas Wodka hin. Jetzt sind die Wege nach Stalino noch trocken, aber wehe, wenn diese verschlammt sind. Auf anderen Schachtanlagen soll es aber besser sein. Aber hier in der Küche fehlt es an allem. Mit den primitivsten Mitteln wird sich beholfen. Sonst herrscht hier tiefer Frieden. Die Zimmer werden jeden Tag gewischt. Heizen können wir, so viel wir wollen – das ist auch viel wert. Über Sauberkeit kann sich keiner beklagen.
21. Oktober
Heute war wieder prima Wetter und schön warm. Es war eine Freude zu arbeiten. Ich bekam 3 Gefangene zugeteilt und musste Eisenträger einbauen. Es wollte aber gar nicht funktionieren. Mittags hatten
wir erst einen eingesetzt. Als Neuling weiß man sich ja auch oft nicht zu helfen. Aber Abends hatten wir doch 4 Träger geschafft,
Meine 3 Gefangenen waren prima Kerle, wir verstanden uns recht gut. Es ist nur gut, dass ich die russische Sprache etwas beherrschte. Heute sollten wir geimpft werden. Wegen der schlechten Wegeverhältnisse konnte der Arzt nicht kommen, also bis auf nächste Woche verschoben. Da Marschverpflegung heute abläuft musste ich zum Stab und neue holen. Dort ist eine große Küche. Viele Deutsche Bergleute essen dort.
Ich glaube, dass es 38 Mann sind. Da aber der Sonderführer – Oberhoch – nicht da war, habe gewartet. In der Küche war es auch schön warm. Auch viele Soldaten kamen in die Küche, suchten Wärme oder ein Gespräch. Fast immer war die erste Frage: „Was bist du für ein Landsmann?“ Es sind alles Bergleute aus dem Ruhrgebiet. Aber alle beschweren sich über das Essen. Und jetzt wieder eine große Debatte: Wo bleibt unsere Verpflegung? Was ist mit den Versprechungen? Warum ist es anderswo besser? Der Küchenchef hebt nur die Schultern: „Ich bekomme doch nicht mehr.“ Dann wieder Stimmen: Wo bleibt das Zeug denn? Die Diskussion dauerte eine dreiviertel Stunde. Mit offenen Augen sieht man doch, dass hier etwas nicht stimmt. Aber dann sagt einer wieder: „Mensch, du bist Soldat. Du hast es besser als die an der Front.“
Mit dem Brot – na ja – kann man ja wohl auskommen. Solange ich noch meine Marschverpflegung hatte, konnte ich nicht klagen. Es tut mir so leid, wie erbärmlich hier die Kameraden in Punkto Essen leben. Immer wird sich damit ausgeredet „Transportschwierigkeiten!“
Mittwoch 21. Oktober
Heute hatte ich einen schlechten Tag, denn meine Marschverpflegung, die ich gestern Abend hätte erhalten sollen, ist ausgeblieben. Den letzten Rest habe ich gestern Abend verzehrt. Meine Kameraden
anbetteln kann ich auch nicht, denn die haben doch viel zu wenig, wo doch keine Kartoffeln da sind. Heute morgen bin ich nüchtern angefangen. Zum Frühstück 2 Löffel voll Zucker. Aber als ich
nachmittags meine Verpflegung abholen wollte, musste ich noch 2 Std warten. Als der Wagen aber kam, war wieder nicht da für mich.
Als Ersatz bekam ich ein halbes Brot. Meine Marschverpflegung sollte ich am Donnerstag erhalten, also morgen. Tee gibt es genug und etwas Zucker habe ich organisiert. Tee mit Zucker und Brot schmeckt ja auch gut. Aber das Brot habe ich fast auf einmal aufgegessen. Etwas musste ich ja für Donnerstag behalten. Entbehrungen kann der Mensch besser ertragen als Enttäuschungen.
Sonst ging der Tag gut zu Ende. Die Arbeit gefällt mir immer besser. Meine 3 Russen sind so feine Kerle und so hilfsbereit. Die wollen nur gut behandelt werden. Immer haben die den dicken Mantel an, auch wenn es noch so warm ist. Meine Sprachkenntnisse tragen viel zur Verständigung bei. Wir haben jetzt Vollmond, die Nacht ist so klar und hell und man hört, wenn es ganz still ist, das Donnern der schweren Artillerie oder das Detonieren schwerer Bomben. Die Russen, die hier wohnen, sagen, dass es Stalingrad wäre – da sollen schwere Kämpfe sein. Aber ich kann es kaum glauben, denn Stalino und Stalingrad liegen doch zu weit auseinander. Aber Märchen werden ja viel erzählt.
Das ich gut geschlafen habe, kann ich nicht sagen denn ich liege immer noch so auf der Matratze. Einen Strohsack ist von Stalino angefordert, aber noch nicht hier. Damit die Matratze nicht so drückt, lege ich mein Zeug auf die Matratze, damit es etwas weich ist. Aber das ist nur ein halbes Leiden. Wenn man ein ruhiges und gutes Gewissen hat, dann schläft es sich auch ganz sorglos. Aber heute hatte ich wieder Glück. Von einem Kameraden bekam ich etwas Brot und Mittags einen Teller Suppe und so ging es wieder.
Heute bis 4 Uhr habe ich Fenster eingesetzt. Die Arbeit klappt sehr gut. Dies macht meinen 3 Russen selbst viel Freude. Die wollen immer so viel erzählen über immer. Aber man sie nicht gut immer verstehen. Aber dann wurde es für mich auch Zeit meine Verpflegung abzuholen. Aber, oh Schreck, meine Marschverpflegung ist wieder ausgeblieben. Da schlug aber meinerseits das heilige Donnerwetter ein. Ich habe es den Herren hier klar gemacht, dass ich morgen zur Direktion nach Stalino fahren werde. Denn unter diesen Umständen macht das Arbeiten keine Freude. Es ist aber so wie mir schon gesagt wurde, dass ich noch mein blaues Wunder erleben werde. Auf 3 Stellen wird hier gekocht. Total falsch organisiert. Es muss doch besser gesorgt werden. Gerade jetzt, wo doch in der Nähe die Cholera wütet. Ein bisschen Wodka täte auch gut. Vor 4 Tagen ist ein Kamerad ins Lazarett eingeliefert worden (Darmkrank) und jetzt hat schon wieder einer die Lauferei. Aber nichts wird getan. Der Mann ist total krank, aber keiner kann helfen. Hoffentlich wird es nicht schlimmer. Im benachbarten Russenlager sterben auch jeden Tag viele. Heute lag auch ein junger Russe zwischen dem Bauholz. Er krümmte sich vor Bauchschmerzen, die eigenen Kameraden kümmerten sich überhaupt nicht darum: Wie abgestumpft sind doch die Menschen.
Heute Morgen war ich auf dem Bazar um Tabak zu kaufen. Mein guter Tabak ging zu Ende und so musste ich Machorka kaufen. Der wird nicht gewogen, sondern mit einem Glas gemessen. (Glas = Stakan), 1 Stakan Schachttabak 5.- Mk, 1 Stakan Machorka 2.- Mk, 1 Glas Salz 0.80 Mk. Auf dem Rückwege kamen mir kranke Russen entgegen. Es waren 2, die von ihren Kameraden in der Mitte gestützt wurden. Die wurden so richtig weiter geschleppt. So bringt jeder Tag etwas Neues.
Wenn ich mit Seilmontagen nicht ausgelastet bin, helfe ich am Aufbau der Brikettfabrik, die aus der Heimat gekommen ist und hier wieder aufgebaut wird. Auch diese Arbeit macht mir Freude. Man sieht, dass es weiter geht. Die Arbeit macht mir nichts aus. Das Duch ist fertig, die Fenster werden eingesetzt und dann lass den Winter nur kommen! Kohlen zum Heizen sind genug da.
Auch habe ich heute beim Stab geschlafen. Zu Mittag gab es Hirse and Fleisch, schmeckte aber sehr gut. Auch habe ich heute die Marschverpflegung von Stalino er. halten. 1½ Brot - 180g Butter und 12 Zigaretten. Um die Wurst bin ich bemogelt worden. Aber immer kritisieren soll man ja auch nicht. Sonst ist heute nichts neues passiert, 2 Gefangene Russen sind ausgerissen. Die wohnten hier in der Nähe. Appetit hätte ich jetzt auf einen Schnaps aber leider... Heute am Samstag wird gearbeitet, das gute Weller muss ausgenutzt werden.
Es ist, als wenn das Wetter immer besser wird, Die Sonne ging schön klar auf als wenn es wieder Frühling werden sollte. Mein Zimmer wird jetzt auch vollständiger. Ich habe schon einen Schrank mit 4 Abteilungen. Prima alles selbergemacht und sieht auch gut aus. Das Essen war heute prima. Es gab Fisch-Erbsen & Kartoffeln. Darüber kann keiner klagen. Da Sonntag ist, haben wir nur bis 15 Uhr gearbeitet. Etwas Ruhe muß der Mensch auch haben. Meinen Zimmer gegenüber wohnt ein russischer Ingenieur, 50 Jahre. Ein wirklich netter Mann. Hat leider den rechten Arm verloren. Er will gerne Deutsch lernen und ich Russisch. Jeden Abend wird ein Stunde gelernt, das ist die beste Schule. Lasen kann ich schon ganz gut aber noch nicht alles verstehen. Wir lernen aus einen russischem Buch, wenn ich noch lange hier bleibe werde ich noch gute Fortschritte machen.
Es ist immer so: Den Mund soll man nicht zu früh auf machen. Vorige Woche schrieb ich noch, dass hier keine Läuse und Ungeziefer ist. Diese Nacht wurde ich wach. Es war als wenn mit etwas über den Arm kroch. Ich hatte schon so eine Ahnung. Und richtig, ich fand im Hemdsärmel eine dicke fette Laus. Ich habe das Bist unter meine Taschenlupe gelegt. Aber widerliche Dinger sind es doch. Die Russen sitzen ja voll von Ungeziefer und die dicke Laus konnte ich nur von meinen Freund, dem russischen Ingenieur bekommen haben.
Sonst nahm hier alles seinen gewohnten Gang, das Wetter war sehr neblig, obschon die Sonne so klar aufging. Aber gelacht hab ich heute sehr. Das Wasser zum Trinken und zum Kochen muss von einem besonderen Brunnen geholt werden. Der Brunnen liegt aber ca. 1 km vom Schacht entfernt. Schon öfter hatte ich Frauen gesehen die Wasser holten. Eine Latte, 2m lang, etwas gebogen und an beiden Enden ein Haken. An diesen Haken werden die Eimer gehangen, die Latte über die Schalter und so wird Wasser geholt.
Heute mussten wir mit 2 Mann Wasser holen. Aber was man nicht gewohnt ist.. Die Eimer schaukelten so an der allen Latte, so dass bald kein Wasser mehr im Eimer war. Das 21e mal ging es schon besser. Die Erbsensuppe mit Fleisch schmeckte auch sehr gut. Heute wurde auch gesagt, dass jeder 1 Liter Wodka haben sollte Hoffentlich wird es wahr. Hier muss auf alles verzichtet werden. Geld braucht man nicht nur für Tabak. Das wäre auch alles.
Es ist so als wenn es doch anderes Wetter werden will. Der Himmel ist so bewölkt und der Wind heult nur so. Es ist aber nicht so wichtig, denn die Scheiben sind eingesetzt. Also es ist zum Aushalten. Heute Morgen fehlten schon wieder 3 Russen. Ich glaube aber, dass die einfach tot geschrieben werden vom Lagerkommandanten. Denn hier ist die Cholera ausgebrochen, Heute sind wir alle geimpft worden. Das prickelt aber ganz nett, Vorsicht ist auch hier am Platze, Das Essen wär ja heute sehr schlecht. Es gab Kappes, etwas Fleisch und nur 2 Kartoffeln. Dann wird immer gemeutert. Heute Abend gab es Mais-Kürbissuppe, schmeckte sehr gut aber warum so wenig, das Zeug wächst doch hier genug, Morgen soll es was Besonderes geben. Jeder musste 3 Mk zahlen.
Soeben hörte ich, dass im Kasino in Stalino abends nicht mehr gegessen wird. Es ist auch besser so. Dann hört das Ärgern auf. Der Baustab neben uns hat ein Radio. Da hörte ich von den Seesieg der Japaner. "Flugzeugträger und Kreuzer sind versenkt worden. Sonst hört und sieht man nichts. Wenn Zeitungen hier ankommen, sind sie diese schon 14 Tage alt. Heute Morgen war ich schon um 6 Uhr auf dem Besar. 1 Glas Machorka 18 Rubel = 1,80 Mk, das ist sehr teuer.
Es wird so langsam Winter. Als ich heute Morgen wieder zum Bazar ging, hatte ich kalte Ohren. Ich habe gleich für Mk Tabak gekauft. Heute Abend haben wir Geburtstag gefeiert. Ein Kamerad ist 38 Jahre alt geworden. Wir hatten nichts zu trinken nur geraucht haben wir. Um 10 Uhr Abends war die Feier auch schon zu Ende. Die Hirse-Graupensuppe war ja gut aber etwas zu dünn. Heute Abend gab es nichts Ich habe Brot gegessen und schwarzen Kaffee. Morgen gibt es was anderes und solange hält man es ja aus.
Es scheint so, als wenn es regnen will. Wie soll es dann werden mit der Verpflegung, wenn die Wege verschlammt sind? Wie komme ich bloß fort, wenn ich wieder abreisen soll und es ist so ein Sauwetter.
Es ist ja so, dass sich das Leben von Gegensätzen aufbaut. Als ich heute Mittag mein Essen hatte, es gab Kappes + 2 Kartoffeln (Saufressen), wurde mir bekannt gegeben, dass ich erst in 4 Wochen Anspruch auf die Marketenderware hätte. Wenn ein vernünftiger Mensch darüber nachdenkt, stehen einen die Haare zu Berge. So unklug zu sein zu einem Menschen zu reden der noch Verstand hat. Als ich die Nachricht bekam habe ich mich aber sofort beruhigt und erklärte den Küchen- Unteroffizier, dass ich die Sache selber regeln werde, da ich noch Morgen nach Stalino zur Hauptverwaltung müsse.
Abends als ich mein Suppe holte, da war alles da. Die Herren hatten Wind gerochen. Aber mit der dünnen Suppe ist es ein richtiges Kohldampf schieben. Es ist nur gut, dass die Heimat nicht weiß was hier in Punkte Verpflegung los ist. Jetzt soll ein Wagen mit Kohle losgeschickt werden zum Organisieren. Heute gab es Wodka. Jeder bekam ca. einen ¼y Liter. Er hat gut geschmeckt. Ich hatte einen schönen Schwips. Das Organisieren hat sich gelohnt. Für 5 Tage gab es 2½ Brot, 18 Zigaretten, 3 Zigarren, 3 Stumpen, 150 Gr. Butter und etwas Wurst.
Heute bekam ich die Magalenderware. 5 Mann 1 Liter Wodka, 6 Zigaretten und Marmelade. und die Seifenzuteilung. Um 9 Uhr sind wir nach Schumatowha gefahren, dort ist eine moderne von den Russen total gesprengte Kohlenwäsche. Alles was da noch eben zu gebrauchen ist, wird wieder zum Aufbau anderer Bergwerke gebraucht. Mit einer Gründlichkeit haben die Russen gesprengt. 8 Stockwerke ist die Wäsche hoch. Aber alles völlig demoliert. Man sieht nur verbogene Eisenträger und eingestürzte Betondecken. Die Elevatoren und die Becherwerke hänge so in der Luft herum. Alles verbogen und zerknickt. Überall Schutt, Geröll und schwere Betonklumpen. Kein Stückchen Holz, alles ist verbrannt. Es ist doch schade, denn es ist ein ganz modernes Werk gewesen. Ein ganz moderner Verladebahnhof liegt direkt am Werk wohl 15 Gleise nebeneinander. Die bewohnte Siedlung die ganz in der Nähe des Werkes liegt, sieht sehr verludert aus. Der Russe hat eben keinen Ordnungssinn. Die zerbrochenen Latten und Bretterzäune und der tägliche Abfall in den kleinen Vorgarten machten keinen guten Eindruck. Die Straßen zwischen den Häusern sind in einem miserablen Zustand, als wenn man querfeldein fährt.
So war es auch mit den Weg den wir von unserer Schachtanlage 12/18 nach hier genommen haben. Ein richtiger Weg führt nicht dorthin. Wir hallen ca. 2½ Tonnen Eisen geladen. Auf den holperigen Weg wäre unser Wagen bald umgefallen. So sind hier Wege. Aber Abends sind wir gut auf unserer Schachtanlage wieder angekommen. Wenn es regnet sind diese Wege einfach unpassierbar. Für uns war Feierabend. Die Wagen wurden noch abgeladen. Für uns wurde es auch Zeit, denn wir hatten noch kein Mittagessen gehabt. Und es gab etwas Besonderes: Kartoffeln, Erbsen, Möhren und eine große Frikadelle. Aber das hatte auch seinen Grund. Der Herr Hauptmann und ein anderer hoher Herr waren zu Besuch, Der hat das Essen für sehr gut befunden. unangemeldet ein paar Tage eher kommen sollen, so hätte er auch Kappessuppe und 2 Kartoffeln bekommen. So werden auch diese Herren beschwindelt. Was hier hochgezüchtet wird, ist kaum auszudenken. Morgen früh gehe ich zum Bazar zum Maismehl einzukaufen. Etwas festes muss man ja im Magen haben. Ich habe noch ein Brot und des muss 3 Tage reichen.
Heute traf ich einen Kameraden aus Ahlen Westf. .Wiesemann heißt er. Der kennt viele Sendenhorster die in Ahlen auf der Zeche Westfalen arbeiten. Dieser ist ein Freund von meinen Schulkameraden Heinrich Krimphove. Mehrere Kameraden sind wieder los gefahren zum Organisieren in der Gegend vom Schwarzen Meer und holen Fische oder was sonst noch zu organisieren ist. Ich bin gespannt, wenn die wieder zurück kommen.
Ob Sonntag oder Werktag, hier wird immer gearbeitet, aber nur bis 2 Uhr nachmittags. Heute haben wir Maiwetter. Das gute Wetter wurde vom Bauleiter und Obermonteur sehr geschickt ausgenutzt, alles wunderbar organisiert. Die schweren Maschinen sind alle an Ort und Stelle. Kommt die Regenzeit, ist hier nicht viel zu machen. Der Boden ist zu weich. Der Zechenplatz bekommt auch schon ein anderes Aussehen. Alles wird schön planiert und mit einer Schlackenschicht versehen.
Heute Morgen war ich auf den Bazar und habe 3 Glas Maismehl gekauft. Sonst hat es keinen Zweck mehr, wenn man nicht verhungern will. Heute am Sonntag gab es Graupensuppe, 1 Kartoffel und einen Teelöffel voll Fleisch. Heute Abend gab es ausnahmsweise Maissuppe und die schmeckte sehr gut. Jetzt habe ich mir eine Grubenlampe organisiert. Der Betriebsleiter wolle mir keine geben und dann wird es ebenso gemacht. In der Zechenklempnerei habe ich einen kleinen Kochtopf sind eine kleine Pfanne machen lassen zum Braten. Ich muß eben selber brutzeln, ob es was wird, weiß ich nicht. Nun sind meine Streichholzer bald am Ende und die sind sehr knapp. Ich hatte aber Glück. Ein Kamerad schenkte mir sein Feuerzeug. Er konnte sich nicht gut davon trennen, aber Kameradschaft geht eben über alles. Aber ich werde es wohl in Ordnung bringen, er soll kein Schaden dabei haben. So vergeht ein Tag nach den andern. Eine Flasche Bier bekam heute jeder. kostet aber 1.50 Mk. Es kostet eben alles viel Geld. Heute wollte ich zum Kino, aber mir wurde abgeraten. Im Kino darf geraucht werden. Auch sollen dort viel Läuse und Flöhe sein. So habe ich darauf verzichtet.
Ich will nun wieder beim Wetter anfangen. Es ist, als wenn es jeden Tag schöner wird. Heute besuchte eine Mutter ihren Sohn, der als Gefangener bei uns arbeitet. Die Frau war 120 km gegangen. Sie hatte ihren Sohn einen Topf voll Maisbrei mitgebracht. Aber Matter und Sohn hatten einen schönen Tag. Aber Abends ging diese arme Mutter den weiten Weg wieder zurück. Unser Koch Gabriel hat einen Maiskuchen gebacken. Ich habe 2 Eier und etwas Baller dazu gegeben. Er schmeckte aber sehr gut und satt sind wir beide geworden. Ein wundervolles Gefühl. So muss man sich eben 24 helfen wissen, Die Abende sind lang, da die Uhr eine Stunde zurückgestellt ist. Das Essen war wieder sehr schlecht. Schön ist es, wenn man des Abends den wolkenlosen Himmel betrachtet. Es sind ja dieselben Sternbilder die ich zu Hause gesehen habe. Dann denkt man immer an die Heimat und an die vielen Gefallenen, die in russischer Erde ruhen und aber deren Gräbern auch diese Sterne leuchten. Wenn man dann über das Unergründliche nachdenkt, so sind wir doch ein Nichts dagegen.
Eigentümlicherweise bin ich in letzter Zeit des Nachts off aufgewacht. Es war so, als wenn Mutter mich weckte. Eine seltene Unruhe habe ich, ob die krank ist? Das Beste will ich hoffen. Morgen Abend will ich doch nach Hause schreiben.
Obschon ich heute Abend nach Hause schreiben wollte, ist es doch schon spät geworden. Um 21 Uhr konnten wie erst Verpflegung empfangen, etwas wird noch gesprochen und diskutiert. Dann ist es zum Schreiben zu spät geworden. Aber morgen Abend schreibe ich.
Es gab eine Sonderzuteilung: ½ Ltr Wodka, 120g Wurst, 18 Zigaretten. Das Essen war wieder sehr schlecht. Wir waren heute wieder in Schumatowha und haben Eisen geholt. Die 12 Eimer Wasser die für den Brennapparat benötigt wurden, mussten wohl 300 Meter weit geholt werden. Es hat aber wunderbar geklappt um 4½ Uhr waren wir wieder auf unserer Schachtanlage 12/18. Ein Gefangener ist ausgerückt. Dann sind die Posten emsig am Suchen. Heute war ich mal wieder auf den Bazar. Etwas muß ich ja haben für meinen neuen Topf.
Heute waren wir wieder nach Schumatowha. Unsere Wagen hatten wir bald voll Eisen. Aber es ist eigenartig. Alle Leute reden nur vom Essen. Man denkt ja auch bald an nichts anderes mehr. Heute war ein Herr Lange bei uns auf der Schachtanlage. Der ist so eine Art Kurier der Verwaltung. Ich erzählte ihm. dass ich bei meiner Ankunft in Stalino, wo ich noch ein paar Tage war sehr gut gegessen Wodka und guten Kaffee gehabt hatte. Jetzt wäre es das Gegenteil bekam ich zur Antwort, dass es das nur ausnahmsweise gegeben hätte. Heute Abend kam ein Kollege aus Stalino zurück. Er hat den Arm gebrochen und ist in Stalino in ärztlicher Behandlung. Der war ja auch erstaunt über das gute Essen. Er traf in Stalino auch den Herrn Lange. Der Herr Lange erklärte dem Kollegen, dass es nur ab und zu so etwas gibt, aber mit der Bemerkung, es nicht zu auf der Schachtanlage erzählen, Nun kann sich jeder denken, wie groß die Welt der Leute auf Stalino ist. Stalino verlangt oder besser gesagt, treibt auf Einhaltung der Termine. Aber ehe die Briketts fallen sind schon viel Leute vor Kohldampf umgefallen. Schande
Es ist der 5. November. Heute brachte der Tag wenig neues. Das Wetter scheint sich zu verändern. Der Himmel ist bewölkt und sehr windig. Die russischen Gefangenen sind heute ausgeblieben, weil im Lager Flecktypus ausgebrochen ist. Kein Wunder bei dieser Unsauberkeit. Es bleibt uns nichts anders übrig als selbst zu schaffen. Abends um 5 Uhr ist es schon dunkel. (Deutsche Zeit)
Gestern war es schon einzusehen das das Wetter umschlägt und heute hat es schon stark geregnet. So geht die Arbeit nicht so schnell vorwärts als wenn die Russen helfen. Ein Hauptteil der Brikettfabrik ist schon unter Dach. Ein Nebenbau ist auch bald fertig. Hoffentlich kommen die Russen bald wieder. Das Essen war aber heute sehr gut. Es gab Fisch – Kartoffeln - Möhren & Erbsen, 100%ig. Heute sind auch die Organisatoren vom Schwarzen Meer zurück gekommen. Aber alles wurde beim Stab abgeladen. Ob es sich gelohnt hat ? Heute ist schon wieder einer krank geworden. Es liegt nur an der schlechten Ernährung.
Heute ist es sehr halt. Der nasse Boden ist schon gefroren. Auch sind die Russen wiedergekommen Da geht es mit der Arbeit doch besser. Aber man war doch etwas durchgefroren. Aber heute das Mittagessen: „Oh Schreck!“ Es war Weißkohl mit Fischköpfen, alles durcheinandergekocht. Die Augen waren noch in den Fischköpfen. Ich konnte nichts essen und habe es einfach weggeschüttet. Das will man einem Deutschen vorsetzen. Bei diesem Fraß fallen die Bergleute im Schacht um. Denn im Schacht soll es sehr feucht sein, schlechte Luft und dazu das schlechte Essen. Ich hatte eine unbeschreibliche Wut. Ich ging kurz darauf zum Maschinensteiger Hauptman Wetterkamp.
Beim Essensempfang habe ich beobachtet, dass auf dem Herd ein schöner gebratener Fisch mit Kartoffel & einer schönen braunen Soße stand. Dieses erregte den Neid aller die ihr Essen holten.
Ich hatte die Absicht zu Herrn Wetterkamp zu gehen mit einen guten Vorschlag betr. Neubesetzung der Küche. Denn bei uns ist einer der schon lange Jahre im Offizierscasino gekocht hat, denn die Russenweiber können nicht kochen, wenigstens nicht für uns. Aber ich wurde schön abgeblitzt. Schon artig klopfte ich an der Tür. Antwort „Herein“ Ich: „Heil Hitler, Herr Wetterkamp! Und guten Appetit!“ (Hr. Wetterkamp Fischessend aus der Pfanne Wetterkamp: „Ja, was wollen Sie?“ Ich: „Sie müssen entschuldigen, wenn ich störe. Ich komme wegen des Essen: wegen der Kappessuppe mit den Fischköpfen“ Wetterkamp: Dazwischenfahrend obschon ich noch lange nicht ausgesprochen hatte, auch wusste er ja nicht was ich eigentlich wolle. „Ab Montag können sie sich alleine Verpflegen!“ „Gut Herr Wetterkamp. Das weitere findet sich.“ Ich ging und war nicht enttäuscht.
Anschließend an diese kurze Affäre suchte ich den Sonderführer auf. Als ich den nicht antraf, ging ich von Zimmer zu Zimmer um ihn zu suchen. Überall musste ich Bericht erstatten. Die Wut der Bergleute war nicht zu beschreiben über diese gemeine Behandlungsweise. Es muss aber etwas geschehen. Es hört sich ja beleidigend an, wenn man hört, es wird gemunkelt sollen die Russenfreuen und Mädchen die in der Küche arbeiten die Mätressen der Küchenbullen sein. Der Küchenunteroffizier wird ja von diesen mit „Du Leo“ angesprochen. Alle schütteln den Kopf und warten darauf, wann die Bombe platzt. Abends gab es als Ersatz 2 schöne Kartoffelpuffer
Der Winter scheint so richtig Einzug zu halten. Es ist sehr windig und kalt. Ich habe sehr gute Wintersachen und so kann ich es aushalten. Aber die Monteure der Gruppe Riedel haben noch kein Winterzeug. Das haben die in Berlin- Knesebechstraße aufgegeben und es ist noch nicht hier. Die Leute können die Kälte schlecht aushalten. So kommt es, dass immer wieder einer krank ist. Liegt im Bett, hat hohes Fieber und schwitzt. Die Leute haben eben keine Widerstandskraft mehr. In treuer Pflichterfüllung geben die Leute alles her was noch drin steckt bis auch sie umfallen. Aber die Heimat weiß es nicht was hier los ist, die soll es auch nicht wissen.
Heute Abend war ich zum Baustab und hörte die Führerrede. Es war aber leider schwer zu verstehen. Dauernd Störungen.
Heute fängt es aber gut an. Es ist eine Hundekälte und der Wind pfeift. Die letzte Nacht habe ich im Bett gefroren. Jetzt habe ich aber alles angestellt und ich bekomme einen Ofen. Einen gemauerten. Eine Eisenplatte, Steine und ein Mörtelkübel habe ich schon beschafft. Die Maurer, die bei dieser Kälte doch nichts machen können haben ja Zeit, aber die sind so faul Abends war der Ofen noch nicht fertig. Sonst ging der Tag ohne Bedeutung zu Ende.
Der Wind wird immer stärker und auch kälter. Ich habe eine schöne Arbeit bekommen. Mit den zukünftigen Brikettmeister und 2 Russen musste ich an Eisenbolzen Gewinde schneiden. Keiner hatte davon ein Ahnung auch die beiden Russen nicht. Alle Löcher und Fenster haben wir dicht gemacht, einen Ofen gebaut und nun lass es nur Winter werden. In unserer kleinen Bude ist es aber sehr gemütlich, wenn der Ofen auch qualmt und alles verräuchert ist. In unserer Bude ist immer Hochbetrieb. Die russischen Gefangenen kommen immer nach hier um sich aufzubauen. Die rauchen gemütlich eine Machorka und gehen denn wieder. Unsere Arbeit teilen wir ein, denn lange müssen wir was zu tun haben. Heute Abend ist wieder ein Iwan ausgerissen. Aber der Posten hat ihn im Keller unter der Treppe versteckt. Post ist in den letzten Tagen wenig eingetroffen. Man erfährt nichts von der Heimat. Wie lange mag es noch dauern.
Hell war es schon um ½ 6 Uhr und um 16 Uhr auch schon dunkel, Sonst war der Tag ohne Bedeutung
Gestern am Mittwoch trafen 3 Monteure ein. 1 Kölner und 2 Oberschlesier. Aber die haben geflucht. Abends mussten die ihren Strohsack selber stopfen. 2 Monteure mussten in mein Zimmer ziehen. Der Zimmerofen ist fertig. Ich habe sofort eingeheizt und es ist jetzt schön warm. Einen schönen Schrank haben wir jetzt organisiert, denn ich wusste, dass in der russischen Schreinerei welche waren. Die Russen hatten die Schränke irgendwo geklaut und schön zurecht gemacht. Wir haben aber gleich 2 Stück mitgenommen. Heute war der Direktor Probst da. Das ist der Herrscher über die Brikettfabriken im Raum Stalino. Wie erzählt wird, soll der Schacht Mospino von den russischen Partisanen gesprengt worden sein. Jetzt sollen an den Schachtanlagen Militärposten aufgestellt werden. Gestern Abend ist mir kurz vor Feierabend ein Iwan ausgerückt. Er hat sich einschließen lassen und von innen die Tür aufgebrochen. Im ganzen waren es gestern 5 Russen die Partie Heimat machten. Das Essen war heute wieder unter alle Kanonen. Graupen, ½/ Kartoffel, etwas Fleisch. Die reinste Wassersuppe.
Wenn man nicht aufpasst, verkommt man in der Zeit. Heute meinte ich immer, es wäre Freitag. Heute sind meine 2 Stuben-Kameraden zum erste Mal zur Arbeit gewesen. Der Kölner hat eine große Klappe, der andere gefällt mir besser. Mit unsympathischen Menschen habe ich nicht gerne was zu tun. Gestern ritten die noch auf einem hohen Pferd. Heute aber schon etwas kleinlauter.
Es ist schon wieder Sonntag. Wir haben jetzt das beste Welter. Wenn der Wind nicht wäre, dann hätten wir Hochsommer. Nachts friert es doch anständig. Heute Morgen war Versammlung der Belegschaft Wetterkamp (Betriebsführer). Er gab einen Erlass bekannt über das Mitnehmen von Reisegepäck, auch über Takt und Anstand den russischen Kriegsgefangenen und Zivilsten gegenüber. Immer Takt und Anstand. Wir dachten, es würde ein gutes Mittagessen geben, aber leider. Es gab Erbsensuppe so dünn wie Wasser. Mein Mittagessen habe ich getrunken, Abends gab es ein sehr schönes Stück Maiskuchen.
Heute traf ich einen Bekannten, der wohnt auch bei Wetterkamp. Der erzählte, dass er gestern Beschwerde eingereicht hätte. Aber alles nur ein Trost. Da es Sonntag war, hatten wir um 2 Uhr Feierabend. Heute Morgen war ich auf den Bazar. Ich habe dort Maismehl, Tabak and so allerhand gekauft. Jetzt werde ich einen Maisbrei kochen mit Wasser, denn andere Zutaten gibt es nicht, 2 Eier und Salz habe ich noch, sonst auch nichts.
Heute ist ein…
Leider hört das Tagebuch hier auf. Heinrich Hölscher hat jedoch überlebt und kam als Kriegsgefangener nach 1945 erneut in die Ukraine. Die Erlebnisse hat er ebenfalls festgehalten.