Die Geschichte der Stadt wurde im Jahr 2015
„ausgegraben", und das nicht nur sprichwörtlich. Die künstlerisch gestalteten Barken an sieben besonderen Orten in der Stadt fallen auf den ersten Blick auf. Und auch das, was unter den Glasscheiben
in den Boden „eingelas-sen" wurde. Beides markiert zusammen eine Besonderheit aus einem der sieben Jahrhunderte der Stadtgeschichte.
Zum 700-jährigen Bestehen der Stadt im Jahr 2015 hatte der Sendenhorster Künstler Jürgen Krass das Projekt „Ausgegraben" initiiert und durchgeführt. WN-Redakteur Josef Thesing hatte in der Geschichte
der Stadt gekramt und Texte hinzugefügt. Wer wusste etwa bis dato, dass der katholische Pfarrer Heinrich Hölscher, der im 16. Jahrhundert rund 40 Jahre lang die „Schäfchen" in Sendenhorst betreute,
vermutlich mindestens zeitweise verheiratet war — und sogar Kinder gehabt haben soll? Und dass es den Hexenwahn im 17 Jahrhundert auch in Sendenhorst gab? Clara Fye zum Beispiel wurde im Jahr 1616
vom Klerus der Hexerei bezichtigt - dargestellt an der Straße Placken. Und dann war da der „schwarze" 29. April im Jahr 1806, an dem in kurzer Zeit die Hälfte aller Wohnhäuser und die meisten
öffentlichen Gebäude in der Stadt niederbrannten.
Weil das Feuer im strohbedeckten Fachwerkhäuschen des Webers Anton Schlüter am Schleiten ausgebrochen war, ist dieser Teil der Installation dort angebracht. Der jüdische Friedhof an der Promenade,
der nach mehr als einem halben Jahrhundert erst seit 2015 wieder dauerhaft geöffnet ist, ist eine weitere Station.
Und auch der Abriss vieler Häuser und der landwirtschaftlichen Brennereien im Zuge der Stadtsanierung in den 1970-er Jahren ist an der Schulstraße am früheren Postgebäude ein Thema des Rundgangs,
dessen einzelne Standorte auf kurzen Wegen zu erreichen sind. Los geht es an der Sparkassen-Niederlassung. Und das hat seinen Grund: Bei der sogenannten Willkommschatzung im 15. Jahrhundert waren 94
abgabepflichtige Haushalte mit 549 Perso-nen notiert worden. An der Sparkasse neben dem historischen Rathaus wird auch auf die erste heute noch bekannte Erwähnung der Stadt hingewiesen. In einer
Urkunde vom 11. August 1315 wird die Stadt erwähnt. Dabei ging es um die alltägliche Verpachtung eines Grundstücks. Eine eigentliche Gründungsurkunde gibt es nicht. Eine solche ist vermutlich bei
einem der zahlrechen Stadtbrände mit vernichtet worden. Bei dem Rundgang geht es aber nicht immer um die „große" Geschichte der Stadt. Sondern es geht durchaus auch um das Kuriose und mitunter auch
Berührende der Vergangenheit. Und natürlich um das, was eine Stadt mitprägt: das wirtschaftliche Leben. Und das hat in der 700-jährigen Stadtgeschichte gleich mehrfach einen kolossalen Wandel erlebt:
Leinen, Schnaps und Kunststoff sind die Stichworte. Nach-vollzogen werden kann das am Schlabberpohl.
Josef Thesing
Die Stationen - CH im StadtLand-Magazin