Heimatverein Sendenhorst e.V. - *1925
Heimatverein Sendenhorst e.V. - *1925

Aus der Geschichte von Sendenhorst

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An der Weststraße steht das Sendenhorster Krankenhaus, das St.Sendenhorst, die fast 500 ha große Stadt mit dem fast zehnmal so großen gleichnamigen Kirchspiel im Nordwesten des lehmgründigen, kalkreichen und waldarmen Kreises Beckum, -ist eine von der vierzig Horst-Siedlungen des Münsterlandes. Diese Namensgebung führt in die Landnahmezeit der altsächsischen Vorfahren. Denn nur im westfälisch-niedersächsischen Siedlungsraum ist die Horst-Bezeichnung anzutreffen. Die Siedlung Sendenhorst aber ist älter. Ihre Lage auf leichtsandiger Höhe wurde zum Anziehungspunkt der ersten Siedler im umgebenden Klei-Münsterlande. Bodenfunde für solch ferne Vorzeit liegen vor.
Die letzten, 1949 bei Ausschachtungsarbeiten am Martiniring zu Tage getretenen Grabstättenreste belegten die hiesige Ansiedlung auf das zweite vorchristliche Jahrtausend. Durch diesen Siedlungsort nahmen die späteren Fern- und Königsstraßen ihren Verlauf. Auf ihnen rollte hernach auch der Salzhandel von Soest nach Münster; auf ihnen zogen aber auch, bis in unsere jüngste Vergangenheit, die Soldaten vieler Völker. Zur Malstätte um den Freistuhl am Königsweg dieser Straßen forderten Frei- und Gogericht zu Sendenhorst die Eingesessenen ' zum echten und zum gebotenen Ding. Der sandige Kiesrücken, die Lage an sich kreuzenden Wegen und der Treffpunkt zur Dingstätte am Orte sollen dieser Siedlung im gerodeten Waldgestrüpp ihren Namen gegeben haben; so wollen dies die jeweils verschiedenen Deutungen . Selbst . der Anklang an einen keltischen Flurnamensrest vorgermanischer Siedlungszeit ist gegeben. Die Deutung des Namenssinns der Horst Siedlung zu „Seondon" ist vielschillernd geblieben; auch die neuzeitliche Ortsnamensforschung (Georg Niemeier) hat diesen Schleier nicht gelüftet.

Zunächst blieb der Name begrenzt auf die Kernsiedlung Sendenhorst in der Größe eines Bauerschaftsbereichs. Hier hatten mit anderen weltlichen und geistlichen Grundbesitzern auch die damals noch verhältnismäßig armen westfälischen Abteien Freckenhorst und Werden einige Höfe. Ihre lateinisch und altniederdeutsch geschriebenen Güterverzeichnisse nennen die ältesten uns bekannten Namensformen: Seondonhurst (Werden) im 9. undSendinhurst (Freckenhorst) im 11. Jahrhundert. Ein Jahrhundert später wird die noch heute gültige Namensform erstmalig niedergeschrieben. In ihr nennt sich eine uns nur aus Zeugenzitierungen dem Namen nach bekannt gewordene Adelsfamilie der "Herren von Sendenhorst" für die wenigen Jahre von 1133 bis um 1140. Im Jahre 1175 erfolgt die größerräumige Ortsnamensverwendung, angewandt für die Lagebezeichnung eines Hofes: belegen bei der "Villa Sendenhorst".

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Mit dem Namen Sendenhorst verbindet sich im Hochmittelalter bis zur Neuzeit das Rechtsleben in Sendenhorst selbst und seiner weiteren Nachbarschaft, so das Freigrafschaftsgericht mit seinen vier Freistühlen in und bei Sendenhorst, zuständig zudem für Vorhelm, Ahlen-Halene und Albersloh. Der Gerichtsstuhl an der Königstraße vor dem Geest-Hof zu Sendenhorst wurde mit dem 13. und 14. Jahrhundert so bedeutend, daß er zeitweilig zum Hauptstuhl im größeren Freigrafschaftsbezirk "auf dem Drein" erkoren wurde. In dieser Zeit verdrängte der Name Sendenhorst sogar die ältere "Drein"-Benennung für das übergeordnete Freigrafschaftsgericht. Sendenhorster Richter sprachen damals auch an anderen Orten Recht. Die Gerichtsherren aber waren jeweils einflußreiche Familien im Lande. Sie · wurden in der Frühzeit vom Könige selbst und später vom münsterischen Landesherrn belehnt. In Notzeiten haben Münsters Fürstbischöfe das Sendenhorster Gericht verpfändet wie eine Konsumsteuereinnahmequelle. Anno 1367 hatte es einen Pfandwert von fast vier Zentnern Silber, und im Jahre 1515 kaufte es wieder einmal der münsterische Bischof, nun für viertausend Goldgulden, zurück Schon im 14. Jahrhundert hatte das Gogericht Sendenhorst dem alten Freigericht die Bedeutung abgenommen. Um 1500 ist der Droste von Merveldt, Marschall des Stifts Münster, Sendenhorster Gograf. Er bewohnt das feste bischöfliche Burghaus zu Sendenhorst. Seitdem soll es den noch heute in der Straßenbezeichnung erhaltenen Namen "Drostenhof" führen. Anno 1622 nennt sich Adolf von der Mark "fürstlicher Richter zu und außerhalb Sendenhorst". Aus dem einstigen Befugnisbereich des Gogerichts Sendenhorst stammt das Markengericht Sendenhorst. Im 18. Jahrhundert untersteht es dem Magistrat. Sendenhorster Konsuln befinden über Hude und Schüttung des Weideviehs auf den Marken auch in Albersloh, Drensteinfurt, Hoetmar und Rinkerode. Im 'jungen 19. Jahrhundert, allerdings nur für die beiden Jahre von 1815 bis 1817 und allem Anschein nach auch "nur auf dem Papier", macht das "Stadt- und Landgericht Sendenhorst" von sich reden. Den größten Gesprächsstoff aber gab das heimliche Gericht der Feme. Denn mit dem Namen Sendenhorst verbindet sich das Schlußkapitel der Feme im Münsterland, sofern man der Überlieferung trauen darf. Nach dem Fememord an dem Sendenhorster Bürger namens Hesso, einem vorwitzigen Mitwisser, den im Jahre 1516 auf dem Heimgang just von einer Hochzeit auf dem Sendenhorster Hof Horstrup die auflauernden Schöffen aufhängten, soll Münsters Fürstbischof Erich 1., Herzog von Sachsen-Lauenburg, das Femegericht fortan für seinen Machtbereich verboten haben. "Hessenbaum" und "Horstrups Krüs" geben noch heute den schaurigen Hinweis.

Aber nicht das Rechtsleben, sondern der Kirchenkontakt haben Sendenhorst seine Selbständigkeit gegeben. Die "Villa Sendenhorst" des Jahres 1175, die nicht mehr Bauerschaft war und noch nicht Stadt wurde, hatte sich um die Kirche von St. Martin ausgedehnt. Die Pfarrkirche gilt als Gründung des Bischofs von Münster. Allem Anschein nach hat Bischof Werner, Freiherr von Steusslingen, um 1140 das Kirchspiel Sendenhorst gebildet. Wie bei weiteren Kirchspielgründungen des 12. Jahrhunderts (Roxel) geschah die Fundierung mit der Wirtschaftshilfe der ortsansässigen Ministerialenfamilie, hier der Herren von Sendenhorst. Sie standen just in jenen Jahren auch in es Bischofs Diensten. Zudem wurden zu jener Zeit, besonders auch im südlichen Münsterland, kirchliche Neuordnungen vorgenommen. Erst im Jahre 1230 jedoch wird die Pfarre Sendenhorst urkundlich belegt. Sie umfaßt mit em Ortskern 'äi'e sieben Bauerschaften Brock und Bracht, Jönsthövel und Hardt, sowie Rinkhöven, Elmenhorst und Sandfort. In ihnen stecken die Anteile der älteren Nachbarpfarreien Ennigerloh, Everswinkel und Albersloh. Auch ihre Namen reichen in die sächsische Siedlungszeit zurück, und auch sie werden in den Heberollen der dort begüterten Klöster Freckenhorst und· erden genannt. Zu ihnen gehört auch der Name der Bauerschaft Schorlemer, die seit langem den Namen des einstigen Haupthofes Rinkhöven führt. Tiefsinniger Ausdruck der Zusammengehörigkeit der sieben Bauerschaften mit dem Kirchort Sendenhorst und seiner Bürgerschaft, hier vertreten durch die Webergilde, wurden später die acht Opferlichter im Chor der Martinskirche. Diese Martinskirche, einer unter den mehr als Dutzend im Bistum Münster, wurde im 13. Jahrhundert im romanischen Stil neu gebaut, erhielt zu später Zeit gotische Zutaten, hatte überdies bereits Elemente des Übergangsstils, wie er am deutlichsten am Dom zu Münster ausgeprägt ist und wurde 1854 abgebrochen. Ihren Abbruch bedauern wir heute umso mehr, nachdem sie ein" zwar schlichtes, kunsthistorisch jedoch bemerkenswertes Gotteshaus war (Wilhelm Lübke, 1853). Der Neubau im neu gotischen Stil. fand aber die Zustimmung der Zeitgenossen, bot Raum der gewachsenen und weiterhin wachsenden Gemeinde und gab den verschönerten Gottesdiensten den festlichen Rahmen. Er ist das Werk des Sendenhorster Pfarrers BernhardLorenbeck, der als begeisterter und begeisternder Planer und Mitarbeiter eigens die Ziegelei zu Sendenhorst für diesen Kirchbau anlegte, selber die Formen für die Zierate entwarf und herstellte und für die Anfuhr der für den Westturm bestimmten Bruchsteine aus der auf Abbruch angekauften "steenernen Schluse" des einstmals fürstbischöflich-münsterischen Max-Clemens-Kanals sorgte. Acht Stunden zogen vier Pferde den langen Weg von Greven oft lediglich einen dicken Stein. Viele kleine Steine "fielen" unterwegs vom Wagen, aus denen eine frühere Behelfskantine der Kanalarbeiter, das danach nun noch so benannte Gasthaus der "Höltenen Schluse" bei Sprakel, sein massives Mauerwerk erhielt. (Mitteilung des inzwischen verstorbenen Gastwirts Renfert, Sprakel).

Mit dem Abbruch des alten Gotteshauses verging das mutmaßlich älteste Sendenhorster Sankt Martinsbild, ein überpinseltes und verwittertes Freskos der Innenwand. Das Bild des Kirchenpatrons, des aus dem damals römischen Ungarn (Pannonien) stammenden Soldaten und nachmaligen Bischofs im fränkischen Gallien, des Helfers hoch zu Roß, der den Mantel an den Bettler teilt, kam aus dem Sakralraum in den Profanbereich der Kommunalverwaltung, wurde zum Siegelbild der städtischen Urkunden und zum neuzeitlichen Wappenbild der Stadt Sendenhorst. Nach dem ältesten auf uns gekommenen Siegelbild einer Urkunde vom Jahre 1489, (Stadtarchiv Soest), schuf der Königlich-Preußische Hofwappenmaler Rehling Anno 1910 zu Berlin jenes Stadtwappen, zu dem Kaiser Wilhelm persönlich Meinung und Genehmigung

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gab und das zugleich auch als Sinnbild vielhundertjähriger Magistratsgeschichte die Front des 1911 an alter Stelle neugebauten Rathauses ziert. Sendenhorster Urkunden aus jenen frühen Jahrhunderten geben allerdings nur spärliche Einblicke in die Sendenhorster Stadtgeschichte. So ist es eine Urkunde aus dem Jahre 1315, in der Sendenhorsterstmalig als Stadt bezeichnet wird. Diese Tatsache ist uns der Anlaß zum Jubiläum ,,650 Jahre Stadt Sendenhorst". Wann aber Sendenhorst Stadt geworden ist, läßt sich auf Jahr und Tag nicht bestimmen. In jenen Jahren jedoch, als auch Ramsdorf und Rheine ummauert wurden, beziehungsweise Stadtrecht erhielten, mag dieses Sendenhorster Datum geschehen sein. -Fast ein halbes Jahrhundert lang regierte damals Landgraf Ludwig von Hessen, der Urenkel der Wartburg-Heiligen Sankt Elisabeth, als Fürstbischof von Münster. Obwohl er selber lauter und barmherzig war, führte er dennoch viele Kriege, wie die Chronik sagt. In der märkisch-münsterischen Fehde von 1323 verwüstete und verbrannte Graf Engelbert von der Mark Sendenhorst. Nach dem November-Vergleich von 1323 erhält das wiederaufgebaute junge Städtchen die erste Befestigung: Wall und Graben und das Burghaus binnen den Wällen. Wall und Graben blieben bis in die Neuzeit. Als Münster seinen Mauergürtel in einen Promenadenring verwandelte, legte, Anno 1778 auch Sendenhorst seine Wälle nieder. Die vier nach den Himmelsrichtungen geheißenen Tore jedoch verschwanden erst Anno 1841. Der Judenfriedhof am Wibsenwall blieb als letzter Rest. Obwohl Sendenhorst mit einer vielhundertjährigen Geschichte aufwartet, bietet die Stadt keine ins Blickfeld fallende Bauten der Vergangenheit. Die Häuser der Gewerbetreibenden und Ackerbürger der Altstadt stehen an relativ breiten Straßenzügen. Der Wiederaufbau nach dem Großbrand des Jahres 1806 erfolgte mit schon neuzeitlich städtebaulicher Maßnahme.

Sendenhorst hat oft gebrannt. Die vielen Katastrophenjahre haben den Aufschwung der Stadt in früheren Generationen gedämpft. Die Folgen der Notjahre wurden nämlich lange getragen. Die wichtigsten Daten des „Roten Hahns" über Sendenhorst sind nächst 1323, als die ganze Ortschaft in Asche gelegt wurde. Der 23. Oktober 1529 mit dem Totalbrand der Stadt samt Turm und seinen fünf Glocken, der 3. November 1639 mit dem Verlust von achtzig Häusern, der 29. Dezember 1650, also nur elf Jahre später, als nochmals fünfzig Häuser und nun auch das Rathaus verlorengehen, der 19. September 1749, als die. halbe Stadt, nämlich mehr als hundert Häuser samt Pastorat und Südtor niederbrennen, der 29. April Anno 1806, als von den 280 Häusern gar 154 abbrennen und nun erneut Rathaus, Pastorat, Kirchturm samt Glocken auflodern, und der letzte Großbrand vom 12. August 1885, der im Verhältnis zu den vorherigen Katastrophen dennoch nur geringe Ausmaße, aber die für den weiteren Feuerschutz wichtigste Folgenwirkung fand. Da lediglich die schnelle Nachbarschaftshilfe der Wehren von Münster bis Ahlen die größeren Schäden in Sendenhorst verhinderten, bewirkte dieser Eindruck die spontane Gründung der "Freiwilligen Feuerwehr Sendenhorst" schon einige Tage später. Zu ihrem Silberjubiläum Anno 1910 wurde der erste Geschichtsabriß über Sendenhorst vorgelegt (Peter Werland/Münster). Zwischen jenen Großbrandjahren liegen viele mindertraurige Daten. Einige Brandkatastrophen

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fielen zudem in kriegerische Zeiten. Nach solchen doppelt belasteten Jahren wie im Dreißigjährigen Krieg und in der napoleonischen Zeit vollzog sich der Wiederaufbau noch schleppender, als dies schon an sich in den nicht immer fetten Wirtschaftszeiten geschah.
Die dunklen Daten der Sendenhorster Kriegschronik beginnen wiederum mit dem Hiobsjahr 1323. Mit den Kriegsknechten marschierte immer wieder der Kummer, auch wenn sie nicht die Lunte an die Häuser legten; Soldatenquartier zu werden oder gar langfristig terminierte Garnisonstadt zu sein, war eine der vielen Plagen von Anno dazumal. Anno 1450 wird Sendenhorst "Kostplatz" münsterischer Kriegsknechte des Demagogen und Diktators Johann von Hoya und seiner münsterischen Mitläufer, die den rechtmäßig gewählten Bischof bekriegten. Mit der"Sendenhorster Tagfahrt" fand diese sieben Jahre währende "Münsterische Stiftsfehde" ihre Beendigung. In der Wiedertäufer-Revolution verfügte sich Meissener Militär aus der Münster belagernden Reichsarmee nach Sendenhorst. Die den Deserteuren nachgefahrenen Geschütze brachten sie nach kurzem Gefecht auf Jungmanns Hof in das Verwahr der hinter ihnen zugesperrten Wolbecker Kirche. Viertausend Braunschweiger Infanteristen werden in der Braunschweiger Bischofsfehde von 1553 den Sendenhorstern zur Landplage.
Sendenhorst-Stadt und -Land leiden, als die vom Landesherrn ins Land gerufenen Spanier, laut zeitgenössischer Publikation (1599), diese Stadt wie andere feste Orte "bedräuet, beschossen, gestürmet und eingenommen haben". Bis aufs äußerste ausgemergelt hat der "Tolle Christian" von Braunschweig die Stadt Sendenhorst, in der er fünf Tage im Monat Mai Anno 1626 sein Hauptquartier aufschlug. Von Sendenhorst aus wiederholte er seine Geldforderungen an Münster in unverschämter Höhe, die dennoch bezahlt wurden. Aber im nächsten Jahre kam die kaiserliche Armee mit den für Sendenhorster Quartier bestimmten drei Reiterfähnlein des Grafen Anholt. Sie waren nicht braver als die Hessen, die am 27. Oktober 1637 Stadt und Land von Sendenhorst plünderten. Im Jahre 1734 belegten Truppen der durchmarschierenden preußischen Armee für die Länge eines Winters ihr Quartier nach Sendenhorst. In den Maitagen von 1758, zur Zeit des zweiten Siebenjährigen Krieges in unserem Land, belegten Soldaten des Hannoverschen Infanterie-Regiments von Diepenbrock die Sendenhorster Quartiere. Zwei Jahre später hat man auf den Raum Sendenhorst so viele Soldaten verteilt, daß ihrer gleich drei Dutzend auf einen Hof gekommen waren. Die napoleonische Zeit brachte ihre großen Veränderungen im Kommunalgefüge, verschonte aber die Stadt mit den dicksten Schreckensdaten. Anno 1848 waren es die Sendenhorster selbst, die ihre "Revolution" riskierten. Sie taten dies kurios und kurzfristig. An den Kriegen des 19. Jahrhunderts nahmen Sendenhorster Söhne all die Jahre teil. Ihren Toten erwies die Stadt die gebührende Ehrung wie auch jenen hundert Gefallenen, die der I. Weltkrieg und der noch größeren Zahl von Opfern, die der II. Weltkrieg aus Stadt und Kirchspiel heischten. Ihrer aller Namen wird das Ehrenblatt im kommenden Heimatbuch nennen.

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Pest, Brand und Krieg werden zusammen genannt, wenn die Unglückschronik aufgeschlagen wird. Die großen Pestjahre von 1350 und 1382 blieben für Sendenhorst ohne Beleg. Es war aber Pestzeit im Land, als der Sendenhorster Pfarrer Johann von Plönies eine Vikarie-Stiftung u. a. des Pestpatrons Sebastian tat. Jedoch die erste für Sendenhorst belegte Pestwelle ist das Pestjahr 1606. Die Ausmaße jedoch sind nicht bekannt. Aber sowohl im Dreißigjährigen wie auch im Siebenjährigen Krieg brachten die Soldaten Kriegsseuchen in die Quartiere. An ihnen starb die nicht minder ausgemergelte Zivilbevölkerung "wie die Fliegen". Auch solche Seuchen wurden als Pest bezeichnet. Als 1760/61 die Soldaten zu Dutzenden in engsten Quartieren lagen, hinterließen sie der Sendenhorster Bürgerschaft den Typhus. Binnen kurzer Zeit starben 167 Sendenhorster. Aus der aufgeschreckten Hauptstadt und dem Münsterland wurden anderthalb Dutzend Arzte nach Sendenhorst kommandiert. Aber auch die Viehseuchen zogen die Menschen in Mitleidenschaft. Jahre der' "Kuhpest" (Maul- und Klauenseuche) waren u. a. 1750 und 1769. Die grausigste aller damaligen Krankheiten, die Lepra, wurde auch im Raume Sendenhorst registriert. Die Zahl der Leprakranken blieb 111er jedoch stets begrenzt. Zeitweilig gab es nur einen Aussätzigen, der allein im Leprosorium saß, ausgesetzt in des Wortes wahrem Sinn.
Die Daten der Unglücksjahre wurden aber auch zu Merkzeiten der Caritas und des Gemeinsinns. Wie nach der Zerstörung von 1323 Sendenhorst seine Umwallung und nach dem Brande von 1885 seine Freiwillige Feuerwehr erhielt, so baute es das Leprosorium für die Aussätzigen und das Armenhaus für die Invaliden. Das Armenhaus wurde 1876 abgebrochen; an das bereits zuvor beseitigte Leprahaus erinnert die nun noch als Segensaltar verwandte Lazaruskapelle vor der Stadt. Im Jahre 1817 hat die Stadt nicht einmal mehr einen Arzt, bald aber doch eine Apotheke. Anno 1889 wird das neue Krankenhaus eingeweiht, das als »St.-Josef-Stift« über Sendenhorst hinaus bekannt ist, seit 1923 als Tuberkulosen-Heilstätte und orthopädische Fachklinik zu steigendem Ansehen gekommen und heute mit dreihundert Betten und angegliederter Sonderschule zu einer der größten karitativen Institutionen im Lande geworden ist. Von weit und breit kommen Patienten nun nach Sendenhorst. Seit nun 75 Jahren ist dieses Haus der Caritas ein nicht minder beeindruckendes Denkmal für den Nachruhm eines Sohnes seiner Vaterstadt als das Nikolaus-Cusarius-Hospital des großen Kardinals Nikolaus von Cues, das selbst noch nach einem halben Jahrtausend in seiner Mosel-Heimatstadt Cues floriert. Nicht weit von der römischen Titelkirche des Kardinals Cusanus und nah der Gruft des ihm , befreundeten münsterischen Bildhauers Wilhelm Achtermann ruht auch Joseph, Spithöver, der als Zimmermannssohn 1813 in Sendenhorst aufwuchs, als Coesfelder Buchbindergesell mit zwölf Silbergroschen Anno 1841 auf die Walz gen Süden ging und von München aus nach Rom wanderte, um immer dort zu bleiben. Der durch Buch und Baugrund in Rom reichgewordene Junggeselle half den Rom-Pilgern aus der Heimat und den Patienten zu Sendenhorst. Als er drei Jahre vor seinem am 12. Januar 1892 zu Rom erfolgten Tode -zur Übergabefeier seiner

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Stiftung am 16. September 1889 erstmalig wieder in die Heimat kam, bot ihm Sendenhorst einen Empfang, der zu den großen Festtagen der Stadt gezählt wird. Ein anderer Sendenhorster Sohn, der 1863 geborene Priesterdichter Franz Engelbert Happe, rühmt den wuchtig aufsteilenden Hospitalsturm als neues Wahrzeichen der alten Stadt. Der Münsteraner Wilhelm Rincklake, der nachmalige Benediktiner zu Maria-Laach, der fünf Jahre später den Baumberg-Dom zu Billerbeck baute, schuf auch diesen Bau. Mit ihm ist der Glockenturm von St. Martin Blickfang von Stadt und Land. Vor nun hundert Jahren wurde die neue Martinskirche eingeweiht. Münsters Bischof Dr. Georg Müller konsekrierte sie. Dieser 14. November 1865 wurde zu einem weiteren denkwürdigen Tag Sendenhorster Historie. Der Bischof ist auch dabei gewesen, als zehn Jahre zuvor der Grundstein zum Neubau gelegt worden war. Pfarrer Bernhard Lorenbeck hatte den Tag der Vollendung nicht mehr erlebt. Adolf Kolpings Nachfolger im Amte des Gesellenvaters wurde auch sein Nachfolger: Pfarrer Reinermann. Denkwürdig ist auch der Tag der goldenen Primiz des Sendenhorster Pfarrers Dr. Franz Wilhelm Darup aus Darup. Fast fünfzig Jahre wirkte er bis zu seinem Tode im Jahre 1836. Das Kirchenbuch nennt ihn schlicht einen "berühmten Mann". Seine Andachtsund Erbauungsbücher fanden sich in vielen Händen. Sie trugen den Namen des Sendenhorster Pfarrers, Domherren und Landdechanten in die Weite des Bistumsgebietes. Zu seinem Fest kamen Münsters Bischof Caspar-Max, Freiherr Droste zu Vischering und der Oberpräsident von Vincke.
Pfarrer Darup schrieb nicht nur viele Bücher in seiner Klause des nach dem Großbrande von 1806 von ihm erbauten Sendenhorster Pastorats, das noch heute als das schönste Haus des Städtchens gilt, er weihte auch viele Glocken für den Turm von St. Martin, insgesamt gar fünfzehn an der Zahl. Die ersten, die er segnete, zerschmolzen, als Anno 1806 auch die Glockenstube in Flammen stand. Das zerflossene Blei wurde zum Rohstoff für den neuen Glockenguß, den wenige Jahre später der Gelbgießer Merkel aus Warendorf in die vier neuen Formen leitete. Dem Gelbgießer fehlte die Erfahrung. Die neuen Glocken sprangen bald, sie verstummten nun für viele Jahre, gleichsam als Mahnzeichen wirtschaftlich karger Tage jener Jahre des noch jungen neunzehnten Jahrhunderts. Erst nach vielen Jahren, Anno 1834, gab der Landdechant Dr. Darup weiteren vier neuen Glocken von St. Martin den Segen der Kirche. Sie riefen bis in unsere Tage mit ihrem alltäglichen Ton der kleinen Rufglocke zur Messe, mit kräftigerem Klang im Namen der Nothelferin Catharina, der Patronin der Schüler und der Weber, mit der stärkeren Stimme der Ludgerusglocke und mit vollem Munde im Namen des Kirchenpatrons Sankt Martin. Mit dieser letzten Glockenweihe verbindet sich das Ereignis des Sendenhorster Glockengusses. Ihn vollzog in den August-, September- und Oktobertagen des gleichen Jahres 1834 in zwei Arbeitsgängen der in Düren seßhaft gewordene Franzose Pierre Boitel mit drei seiner ebenfalls aus Frankreich gekommenen Gesellen. Das Werk ihres Meisters loben auch die lateinisch gehaltenen "Legenden" der Glocken zu Senden, Venne und Westkirchen und von St. Servati zu Münster. Ganz Sendenhorst sei 1834 auf den Beinen gewesen, als Sendenh6rster Mühlenbaumeister die zerborstenen Glocken vom Turme lösten,

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Schmiedemeister sie zu neue m Rohmaterial zerschlugen, Zimmermeister den Werkplatz an der Westenkapelle umzäunten, Sendenhorster Fuhrleute mit dem zusätzlich benötigten Erz aus Buldern gefahren kamen und Polizeiverstärkung aus Beckum das Publikumsgedränge bändigte. Aber Peter Boitel hatte Pech. Die zwei größten Glocken mißrieten in Mißgeschick, mit dem Erz zerfloß buchstäblich auch sein ganzer Gewinn im Sande. Der Meister, der den schon für Sendenhorst gewonnenen Konkurrenten Petit in Gescher um fast die Hälfte unterboten hatte, goß "Ludgerus" und "Martinus" nach. Erstmalig erklangen sie alle vier in der Martinus-Oktav 1834 für ein in Jahren und zuletzt in Wochen und Tagen ungeduldig geworden es Sendenhorst "zur Eintracht, (und) zu herzinnigem Vereine".
Dr. Darup war einst auch Schulinspektor gewesen. Das Schulwesen der Stadt Sendenhorst ist aus dem Leben der Kirche erwachsen. Über die Schulverhältnisse berichten Notizen seit der Visitation vom Jahre 1571. Den Schulneubauten des 19. Jahrhunderts, zuletzt dem Jahre 1878 an der Schulstraße, folgten die Neubauten Anno 1951 der katholischen "Kardinal-von-Galen-Schule", die mit ihrer Namenswahl an den münsterischen Bekennerbischof erinnert, der in den schwersten Monaten des Kriegsendes und der Nachkriegszeit als Evakuierter aus der bombenzertrümmerten Bischofsstadt nun von Sendenhorst und seinem Domizil im St. Josef-Stift aus das Bistum leitete, zehn Jahre später der zweiten katholischen Volksschule sowie der seit 1948 zunächst in Notunterkünften und älteren Schullokalen bestehenden evangelischen Volksschule, die den Namen des Humanisten und ReformatorsMelanchthon führt, beide gelegen am Teigelkamp, sowie 1964 der kath. Realschule Sendenhorst in Nähe des neuen Wasserturms. Sie hat ihre Vorgängerin in der "Rektoratschule Sendenhorst", die von 1859 bis 1907 eine Filiale des Warendorfer "Laurentianums", von 1920 bis 1940 aber eine von Stadt und Kirchspiel Sendenhorst unterhaltene Privatschule war. In den Zwischenjahren war sie aufgelöst. Drei Jahre der ersten Nachkriegszeit, von 1946 bis 1949, weilte das münsterische »Hittorf-Gymnasium« im alten Sendenhorster Rathaus am Westtor sowie in den früheren "HJ"-Baracken zu Gast. Für die Dauer einer Generation, von 1838 bis 1870, unterhielt die jüdische Kolonie Sendenhorst in gemieteten Kammern eines Schneidermeisters die aus finanziellen Gründen später eingegangene"Judenschule". Fünfzig Kinder besuchten die Sendenhorster Volksschule, als erstmalig ihre Zahl im Jahre 1613 ermittelt wurde. Mehr als hundert waren es 1777, nachdem letzten mittlerweile der Schulzwang eingeführt worden war. Die 745 Kinder der letzten Nachkriegszeit mußten im Schichtunterricht unterwiesen werden. Viele Neubürger aus Evakuierung und Heimatvertreibung hatten Stadt und Kirchspiel Sendenhorst vor und nach 1945 aufgenommen. In den Bauerschaften verdoppelten die Hinzugekommenen die Zahl der eingesessenen Einwohnerschaft. Sie und weitere Neubürger drängten nach der Währungsreform von 1948 in die Stadt, als das erste Viertelhundert neuer Eigenheime am Martiniring gebaut wurde. Seitdem sind weit über zweihundert neue Häuser mit mehreren hundert Wohnungseinheiten gefolgt, im Nordviertel westlich und östlich der Telgter Straße und im Südosten der Stadt Sendenhorst, wo allein dreihundert Grundstücke ausgewiesen wurden.

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Das neue Sendenhorst wuchs u. a. um den neuen Markt am Lambertiplatz. Der alte Grüngürtel mit Promenadenring, Friedhof, Nordenbleiche, einer halben Hundertschaft Dauerkleingärten und der allein dreißig Morgen große Park am Josefsstift wurden aufgefrischt, der Kirchplatz in der Stadtmitte wird neu gestaltet. Zu dem evangelischen Gotteshaus wird Sendenhorst zu späterer Zeit laut festgelegter Planung seine dritte Kirche bekommen. Die weitere Planung sieht auch eine Badeanstalt und den zweiten Kindergarten vor. Zu den beiden neuen Sporthallen am Westtor und an den Teigelkamp-Schulen gesellten sich Sportplatz und Tennisplatz. Die jungen Leute erwartet das neue Jugendheim mit der Pfarrbücherei an der Kirchstraße. Sport und Spiel, Besinnung und Tun füllen dem Berufstätigen die sich längenden Freizeitstunden. Die Sendenhorster Altbürger und ihr Bevölkerungszuwachs fanden nach 1948 ihren Arbeitsplatz in einem Dutzend neuangesiedelter Betriebe, die ihrerseits wieder den Namen Sendenhorst auf die Märkte und zu den Verbrauchern tragen. Noch 500 Auspendler fahren alltäglich zur Arbeit in die Nachbarschaft. Der Handel und Wandel in der Sendenhorster Bürgerschaft nahm seinen ersten Aufschwung aber erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als von der Stadt zum benachbarten Drensteinfurt eine Anschlußstraße zu der am
26. Mai 1848 eröffneten Eisenbahnlinie Münster-Hamm gebaut worden war. Erst 55 Jahre später, Anno 1903, erhielt mit der Eröffnung der Linie Münster-Neubeckum der Westfälischen Landeseisenbahn auch Sendenhorst mit seinem Bahnhof die nötige unmittelbare Verkehrsverbindung. Aber auch in früheren Zeiten war die Verkehrslage relativ gut. Über den Sendenhorster Markt und seine Straßen lief seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine der ersten Postlinien des Münsterlandes, die alte kaiserliche Post der nachmaligen Reichsfürsten von Thurn und Taxis zu Regensburg. Mehr als zweihundert Jahre" .in sieben Generationen, war die Sendenhorster Postmeisterei im Besitz der gleichen Sendenhorster ureingesessenen Familie Zurbonsen verblieben, die um 1670 Heinrich Bonseübernommen hatte. Der Handel behielt dennoch die enggezogenen Verhältnisse der wallumfriedeten Stadt. Die Grundlagen der Existenzsicherung gaben Ackerbürgertum, Hausweberei, Kleinhandel und Handwerksbetriebe. Lediglich die Leineweber, fünfundfünfzig an der Zahl, Anno 1805, bildeten eine eigene Gilde. Ihr verlieh der Landesherr, Fürstbischof Friedrich-Christian von Plettenberg, im Jahre 1695 die Privilegien. Anno 1730 wurde das unter der Leitung von jeweils zwei Gildemeistern stehende Sendenhorster Linnentuchmacheramt vor dem Sendenhorster Richter, Gograf Johann Christian Bisping neu geregelt. Damals erhielten,die Lehrlinge dieser Branche nicht nur keinen Lehrlingslohn, sondern sie mußten überdies auch Immatrikulationsgebühren für die Amtsrolle, Lehrgeld an den Meister fünf schwer zu verdienende Taler und ein Paar Pantoffel an die Frau Meisterin zahlen. Die Hausmannskost war dabei karg und wurde nicht einmal immer gewährt. Im Jahre 1769 taten die Sendenhorster Leinweber einen sozialen Aufstieg. Fortan konnten auch die Weber Konsuln von Sendenhorst werden. -Noch vor der lokalen Wirtschaftsmisere, nach dem Großbrand von 1806, notierte die wohlmeinende junge preußische Verwaltung:

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"Sendenhorst ist ganz unbedeutend" obwohl der Verfassung nach eine Stadt dieses Sendenhorst sei, möge man den Ort dennoch aus humanen Gründen steuerlich wie das platte Land behandeln. Ein Jahr später, nach dem Brande, bekundete der selber randvoll in Sorgen steckende preußische König Friedrich-Wilhelm vom Schloß Charlottenburg aus dem »Städtchen Sendenhorst« zwar Wohlwollen und landesväterliches Mitleiden, nicht aber die zugesagten Gelder. Aber auch in früheren Jahrhunderten, als selbst heutige Großstädte in Kleinstadtluft lebten, stolz sich jedoch "Capital- und Prinzipalstadt" titulierten, war Sendenhorst lediglich ein "Staedeken". So wird es genannt in der Urkunde des Jahres 1490, als der Fürstbischof Heinrich Graf von Schwarzenberg die Sendenhorster Privilegien bestätigt. In der Reihe der landtagsfähigen Städte wurde Sendenhorst nie erwähnt, in der Aufzählung der Städte aus dem Oberstift Münster platzierte man es daher meist an die letzte Stelle. In dem auch noch so kleinen Städtchen jedoch sprengte das Wirtschaftsleben den Rahmen der Selbstversorgung. Dreizehn Bäcker, zwölf Brauer und drei Brenner versorgten Stadt und Kirchspiel mit "Weißbrot, Bier und Brandewein", als das Städtchen Anno 1805 nicht ganz 1300 Einwohner zählte. Den Pumpernikel buck man noch im eigenen Backs. Das Sendenhorster Bier gehört der Vergangenheit an. Der Sendenhorster Korn aber hat seine vielhundertjährige Berühmtheit bewahrt. Auch der Chronist Kumann schrieb vor nun 150 Jahren das oft zitierte Wort: „Sendenhorst treibt starke Branntweinbrennery“. Auch die Viehzucht auf den Sendenhorster Fettweiden und der um 1800 besonders von den Sendenhorster Juden betriebene Viehhandel machten damals von sich reden. Dem Sendenhorster Viehmarkt hatte der umsichtige BürgermeisterLangen jedoch keine weitreichende Anziehungskraft verschaffen können. Für Sendenhorst selbst sollte der Markt- und Tanztag von Anno 1818 »gleichsam ein Tag der Erholung von der Ernte« werden. Was der Viehmarkt in dem Hungerjahr 1818 nicht vermochte, tat der Wirtschaftsschwung der Gründerjahre nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Als auch im Sendenhorster Kreidemergel das Strontianit zutage trat, lockten die kohlensauren Salzkristalle des nach seinem Hauptvorkommen bei der schottischen Stadt Strontian benannten Strontium-Metalls die Sendenhorster Bauernknechte, die Kötter und die Heuerlinge von ihren Pflügen und die Sendenhorster Weber von ihren Webstühlen fort. Aber auch aus der weiteren Nachbarschaft kamen die Arbeitssuchenden nun nach Sendenhorst. Das Wirtschaftswunder des Sendenhorster Sülwersteens währte jedoch nicht lange. Schon bald verlor die Industrie an diesen weißglänzenden Salzkristallen, die ausgerechnet für die süße Sache der Zuckerfabrikation verwendet wurden, jegliches Interesse. Da gingen nicht nur die Fremden fort. Mit den Zugezogenen verließen jetzt auch viele Sendenhorster Bürger den Heimatort. Sie verdingten sich als Maurer in den länger anhaltenden Jahren des Bau-Booms. Die zupackenden Sendenhorster Maurergesellen haben mutmaßlich jenen Ruf aufkommen lass~n, dem als Redensart die Nachbarn den Sendenhorstern zwar spaßig, jedoch nicht ohne Respekt selbst heute noch nachhängen:
„Sennhorster Bracken,
Pull an de Siet,
Pott up'n Nacke'n,
Suupt alltiet."

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Bei regem Handel relativ reich war in jenen Jahren aber die Sendenhorster Judenschaft, die hier seit dem 18. Jahrhundert nachweisbar ist und am Schlabberpohl ihre Synagoge baute. Noch im Jahre 1838 wohnten zu Sendenhorst in elf Häusern zwölf israelitische Familien, eine von ihnen war die AlsbergSippe, die bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert zur mächtigen Kaufmannsdynastie sich emporgearbeitet hatte, deren Warenhäuser in mehreren westdeutschen Großstädten gebaut wurden. Senior Alsberg aber hatte zu Sendenhorst in "diesen Jahren noch mit Ziegenhäuten gehandelt.
Das Zusammenleben einer kleinen, jedoch geschäftstüchtigen, nichtchristlichen Minderheit mit einer Bürgerschaft bei begrenzten Ortsverhältnissen verlief naturgemäß nicht immer reibungslos. Es ehrt das tolerant werdende 18. Jahrhundert sowie die aufklärerisch tätigen geistlichen Behörden zu Münster, daß sie die Ursachen zu gelegentlichen Auswüchsen beseitigten. Leider wurde mit dem Spreu aber auch mancher Weizen weggeworfen. So verlor Sendenhorst, wie auch Beckum in jenen Jahren, die szenisch effektvoll gestaltete Karfreitagsprozession, bei der ein Dutzend dunkelgekleidete Jungmänner wie in einem Passionsspiel die des Heilands Marterwerkzeuge tragenden Juden darstellten. Im April 1721 hatte der Sendenhorster Magistrat diese barockfreudig gebotene Karfreitagstracht gestiftet. Im Reigen der Jahresfeste bot der alte Sendenhorster Festkalender die eindrucksvolle Osterucht, dasLambertussingen im September und das dreitägig gefeierte Fest der Johannes-Bruderschaft. Selbst das Beisammensein der "Jansbroer" hatte die übereifrige Behörde Anno 1770 verbieten lassen. 1906 jedoch feierte die Bruderschaft, deren Könige glaubensfrohe und lebensfreudige Sinnsprüche auf die Silberschilder schlagen ließen, ihr Dreihundertjahr-Jubiläum. »Wahrheit und Friede schaffen herrliche Triebe" hatte der Schützenkönig der "Johanniter" des Jahres 1862, Theodor Böcker, sich zum Losungswort gewählt. Fabrik, Eisenbahn und Pflug, symbolträchtige Embleme auch für die weitere Sendenhorster Zukunft, zieren das über hundert Jahre alte Königsschild.
Sendenhorst, dessen Stadt und Kirchspiel in der Verwaltung für Jahrhundert getrennt gewesen waren, erhielt am 1. April 1955 seine "Wiedervereinigung". Die Stadt im äußersten Nordwesten des Kreises Beckum hatte infolge ihrer Lage mehr als andere Städte und Gemeinden sich nach neuen Amtern, Kreisen und Kantonen orientieren müssen. Die Stadt im altsächsischen Dreingau, im 17. Jahrhundert Bestandteil vom Amt Stromberg, im
18. Jahrhundert vom Amt Wolbeck, kommt in der ersten preußischen Zeit von 1804 bis 1808 an den Kreis Warendorf, von 1808 bis 1811 zum Kanton Ahlen im Arrondissement Hamm des Ruhr-Departements im Großherzogturn Berg. Von 1811 bis 1814, nunmehr napoleonisch wird Sendenhorst selbst -Kanton und zählt selbst Wolbeck, den einstmaligen bischöflichen Amtsort, und Amelsbüren zu seinem Bereich im größeren Bezirk Dortmund. Mit der zweiten preußischen Zeit mit 1814 wird Sendenhorst zum Kreise Beckum geschlagen, dem es nun 150 Jahre angehört. Mit dem Amt Vorhelm blieb es von 1833 bis 1851 in "Personalunion" verbunden, um mit dem 28. Oktober 1851 unter fortan wieder eigenem Bürgermeister amtsfreie Gemeinde zu werden. Da

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aber das Kirchspiel für noch mehr als hundert Jahre bei Vorhelm Stadt und Land Sendenhorst jedoch die gleiche Kirche und die gleiche sm im gleichen Lebens- und Wirtschaftsraum "Groß-Sendenhorst" behielten, ergab sich das ebenfalls vielgenannte Sendenhorster Kommunalkuriosum von säkularer Dauer.
Zu einem Ereignis von säkularem Erwähnungswert für die Sendenhorster Stadtgeschichte aber wurden jene sechzig Wochen vom Samstag, dem 14. Oktober 1944 bis zum Dienstag, dem 18. Dezember 1945, in denen mit dem Bischof von Münster auch der größere Teil der Diözesanverwaltung aus der Bischofsund Provinzialhauptstadt Münster in das kleinste der Münsterland-Städtmen nach Sendenhorst, gekommen war, während weniger wichtige Stellen der bischöflichen Behörden in die Nachbarschaft, nach Albersloh, sowie nach Greven und Gimbte evakuiert worden sind. Die Großangriffe vom Herbst 1944 mit der Zerstörung des Domes und fast aller noch bis dahin verbliebenen Kirchen war vorausgegangen. Clemens-August, Graf von Galen, wie viele andere auch längst zum Kellerbewohner geworden, kam mit einem Lastwagen nach Sendenhorst. Der Pfarrer von Sendenhorst, Pastor Westermann, und der Hausrektor, Pfarrer Huthmacher; hießen ihn in seiner neuen Residenz, den im überfüllten Sendenhorster Josefsspital frei geräumten zwei Zimmern, willkommen. In diesem Hause der Barmherzigkeit, das in den Jahren des 1. Weltkrieges den Soldaten als Lazarett gedient hat, wurde in den fortan schwersten Wochen von Kriegs- und Nachkriegszeit viel Trost gegeben. Denkwürdig bleibt das Christfestamt von 1944 in der überfüllten Martinskirche, als der Bischof von der Sendenhorster Kanzel aus sein Wort zugleich auch an die vielen Evakuierten richtete, in Stadt und Bauerschaften und an die Menschen draußen, so weit seine Stimme noch vernommen wurde. Denkwürdig bleibt aber auch der Gründonnerstag 1945, als zu Sendenhorst der Bischof Öl und Chrysam für die weite Diözese weihte. Wie aber sollten Chrysam und Öl in das bereits umzingelte Münster, in die inzwischen besetzten Gebiete und gar noch in das vom Einmarsch bedrohte und darum besonders gefährdete Bistumsgebiet gelangen: da radelten die Kapläne aus dem Münsterland, als Kuriere des hl. Ols, mit den Schreckensmeldungen der Invasionstage vor Ostern 1945 um die Wette, da fuhren in ihren Jeeps in den Tagen nach Ostern die Kriegskapläne der Alliierten das heilige Öl ins Ruhrgebiet und in den Raum des Niederrheins. Von Ruhr und Rhein waren aber schon in den Wochen zuvor auf oft abenteuerlichen Wegen die Pfarrer ratsuchend zu ihrem Bischof nach Sendenhorst gekommen. Zu ihm radelten sie auch in der gruseligen Nachkriegszeit auf nicht minder lebensgefährlichen Pfaden. Mit dem Messerstich im Rücken, von Russen überfallen, zerschunden und ausgeraubt, das alles tausend Meter von des Bischofs Residenz zu Sendenhorst entfernt, kam der neue Pfarrer von Haldern in jenen Tagen den weiten Weg von Rees am Niederrhein nach Sendenhorst geradelt. Von Sendenhorst aus tat der Bischof seine ersten Firmungs- und Visitationsfahrten der Nachkriegszeit zunächst in der Sendenhorster Nachbarschaft des Dekanates Ahlen, später ins weitere Münsterland und schließlich auch ins

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Ruhrrevier, an den Niederrhein und ins Oldenburger Münsterland. Sie sollten auch die letzten Bistumsreisen seines bald sich endigenden Lebens werden. Der Name Sendenhorst war wieder in vieler Leute Mund und kam in die Gazetten des neutralen Auslands und der westlichen Siegermächte, als den einrollenden Soldaten und den hohen Militärbesuchen die Reporter auf den Fersen folgten. Von Sendenhorst aus appellierte der Bekennerbischof auch an das Gewissen der Sieger und forderte Gerechtigkeit und Schutz für das unter der Willkür der Besatzung sowie unter den raubmörderischen Übergriffen der russischen und polnischen Lagergruppen leidende Münsterland. Von Sendenhorst aus waren noch in den letzten Kriegstagen die entstellenden Gerüchte bis in den "Führer-Bunker" nach Berlin gedrungen. Von Sendenhorst aus erfolgten Ehrenrettung und Würdigung des "Löwen von Münster", über den fünf Tage nach seinem Abschied aus Sendenhorst, am vierten Adventssonntag 1945, der Rundfunk aus Rom seine Kardinalsernennung in die Welt kündete. In den letzten Märztagen 1946 wurde Clemens-August Graf von Galen, mit dem Purpur des Kardinals, triumphierend soeben aus Rom zurückgekehrt, in den Ruinen des Domes zu Münster begraben. Mit den Kerzen und Blumen zu seiner Gruft im wieder aufgebauten Dom kamen seitdem auch die Sendenhorster viel. Sie gingen und gehen zu "ihrem" Bischof, der in schwerster Zeit einer der Ihrigen in der Evakuierung gewesen war.
Im Jahre 1867 prägte der Schützenkönig Franz Stapel sich den Spruch: "Ein fröhliches Herz macht ein blühendes Alter." Sendenhorst, nach einem Dutzend Großbränden in seiner nun 650jährigen Stadtgeschichte und nach mehr als einem Dutzend harten Kriegsläuften und manchen bitterbösen Schlechtwetter-, Not- und Seuchenjahren hat dennoch zu Zeiten, das fröhliche Herz nie vergessen. Das gab ihm den Mut zu Wiederaufbau und Neubeginn, und das gibt ihm auch die Hoffnung, sein blühendes Alter um weitere Säkula fleißig zu mehren.

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