Ein Wahrzeichen verschwindet R. Westhues | 2000
Im Laufe der Jahre war er zu einem Wahrzeichen geworden., das aus der Silhoutte der Stadt kaum wegzudenken
war.. Doch am 5. Juli 1999 begann für den Sendenhorster Wasserturm das Ende. In einer mehrwöchigen Aktion haben Bautrupps Stück für Stück den 42 Meter hohen Beton-Riesen abgetragen, der im Laufe der
Jahre baufällig geworden war. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan...
Hinfällig in seiner Eigenart als Wasserturm wurde das Bauwerk, das auf der Geist in direkter Nachbarschaft zur Realschule sein Dasein fristete. In der Nacht vom 27. auf den 28.12.1977, seitdem
erfolgte die Wasserversorgung über eine Druckrohrleitung der Gelsenwasser AG. Diese machte die Dienste des massigen, unverwechselbaren Monolithen auf dem 70 Meter hohen Mühlenberg überflüssig.
Seit dieser Zeit wurde viel darüber geredet, wie eine weitere Verwendung des Wasserturmes aussehen könnte. Als Jugendheim oder als zusätzliche Realschulklasse war er von findigen Köpfen angedacht
worden, darüber hinaus war er als Café in luftigen Höhen im Gespräch gewesen. Noch weiter ging der damalige Stadtrat Dr. Lintel-Höping, als man aus Finanzierungsgründen Ende der 40er Jahre in den Bau
des Wasserturmes Sozialwohnungen integrieren wollte.
„Wenn wirklich einmal kein Mieter mehr zu finden sei, so ließe sich das Gebäude als Altersheim, Privatklinik oder Jugendherberge immer nutzbringend verwenden“, heißt es in Petzmeyers Stadtchronik von
Sendenhorst. Doch all diese Planungen verschwanden genauso so schnell wieder in Schubläden, aus denen sie. geholt worden waren. Geblieben war dem Wasserturm seit Ende der 70er Jahre eigentlich nur
die Funktion einer Abstellkammer. Das städtische Wasserwerk hatte im Keller seine Materialien für die Versorgungsleitungen. Haus- und Straßenanschlüsse im Stadtgebiet aufbewahrt. "Der Keller ist
jetzt der Betriebshof“, erklärte Rudolf Bartmann von der Stadtverwaltung bei einem Rundgang kurz vor Abriß des Wasserturmes. Dabei erinnerte er daran, daß die Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Turm
für eine Zeitlang von den Sportlern genutzt worden. Doch als Anfang der 8Oer Jahre das Sportzentrum in direkter Nachbarschaft zum Turm eröffnet wurde. gab es in den dortigen Umkleidekabinen
selbstverständlich fließendes Wasser - der Gang zum Wasserturm wurde überflüssig.
Nicht zu vergessen ist auch, daß der Wasserturm direkt nach seiner Erstellung von den Sendenhorstern bereits als Ort der Reinigung und Sauberkeit bekannt war. Beim Bau des Turmes 1950/51 waren die
Sendenhorster Privathaushalte noch weitgehend ohne eigene Badezimmer, so daß die kommunale Einrichtung geschätzt war. Die Sendenhorster konnten hier duschen und baden, mehrere Kabinen ließen eine
parallele Nutzung der Räumlichkeiten zu. Im Empfangsbereich saß Verwaltungsmitarbeiter Paul Kontke an einem Schreibpult. Er nahm das Geld für die Nutzung der "Massenbrause" bzw. des Bades entgegen
und achtete peinlich genau auf die Einhaltung der Badezeiten.
Die zentrale Aufgabe des Wasserturmes lag darin, einen Ausgleich zwischen der Leistung der Pumpstation auf der Hardt und der Abnahmemenge seitens der angeschlossenen Haushalte und Unternehmen zu
finden. Er war demnach eine Art Überlauf für Zeiten starker Wasserforderung bzw. geringer Abnahme und ein Reservoir, wenn wenig gefördert, bzw. viel Wasser benötigt wurde oder man eine übermäßige
Belastung der Pumpen vermeiden wollte.Insgesamt 400 Kubikmeter Wasser fasste der Hochbehälter: der größtmögliche, tägliche Bedarf wurde 1949 mit 700 Kubikmetern beziffert. Als Abnehmer gab die Stadt
4.700 Einwohner, 600 Stück Groß- und 2.100 Stück Kleinvieh an.
Der Bau des Wasserturmes auf dem Mühlenberg muß in dem Zusammenhang gesehen werden mit der Anlage der ersten Trinkwasserleitung Anfang der 50er Jahre. Er war, genau genommen, nur eine Auflage der
Bezirksregierung, die ihn als Hochreservoir verlangt hatte und Zuschüsse zum Ausbau des Leitungsnetzes von seiner Erstellung abhängig gemacht hatte. Diese Auflage erhöhte die Gesamtkosten für das
Projekt „Zentrale Wasserversorgung“ auf geplante 400.000 DM.
Die Notwendigkeit in Sendenhorst für sauberes Trinkwasser zu sorgen, war bereits Jahrzehnte zuvor erkannt und in Angriff genommen worden. Doch verschiedene Umstände (u. u. zwei Kriege) haben immer
dafür gesorgt. daß eine Umsetzung des Vorhabens scheiterte. Bereits um 1900 war bekannt, daß Seuchen und Epidemien durch die Vermischung von Grundwasser mit Abwässern entstehen können. Bis zur Lösung
der Wasserprobleme mit dem Bau der Leitung 1950 hatten die Sendenhorster ihre tägliche Ration Wasser diversen Hausbrunnen entnommen. Doch das Wasser war bräunlich, stark eisenhaltig und für den
Genuß, sowie der Reinigung von Kleidungsstücken nicht zu gebrauchen.
Die Stadt Ahlen hatte seit 1905 in der Sendenhorster Bauerschaft Hardt Brunnen gebohrt und ein Pumpwerk errichtet. Sinnvoll war es nun, Anschluß an die nahe gelegene Wasserversorgung der Stadt Ahlen
zu finden, aber eine Kooperation kam nicht zu Stande. Direkt nach der Währungsreform 1948 wurde das Thema abermals in Angriff genommen. Der neue Sendenhorster Stadtdirektor Esser wurde in Ahlen
vorstellig und hatte Erfolg.
Nachdem mit einigem Geschick die Finanzierung des Vorhabens stand, ging es an die Realisierung, die zu einer echten Gemeinschaftsarbeit wurde. Für den Aushub, der dem Verlegen der Leitung auf der
Hardt zum Stadtgebiet (2.750 Meter Länge) zwingend vorausging, hatte sich die Sendenhorster Bevölkerung zu Hand- und Spanndiensten freiwillig eingefunden. Am 22. März wurde an der Pumpstation auf der
Hardt begonnen. Die beiden ersten Tage bestritten Rat und Verwaltung der Stadt mit Hacke und Schippe. der damalige stellvertretende Bürgermeister Hubert Schulze Tergeist war tags zuvor mit
Zugmaschinen und Pflug vor Ort gewesen und hatte die Erdkruste aufgerissen. Danach waren die Bürger an der Reihe. Das Sendenhorster Wasserwerk nahm zum September 1950 seinen Betrieb auf.
Beim Bau des Wasserturmes entschied sich der Stadtrat Mitte Juni 1950 für den Entwurf der münsterischen Firma Büscher, der vom Architekten Kleffner (Münster) gefertigt worden war. Danach konnten die
Bagger rollen.
Bischof schätzte das Geld der Pfarrei J. Thesing | 23.7.2009
So langsam aber sicher kann sich die Stadt Sendenhorst auf die großen Feierlichkeiten zu
einem runden Geburtstag vorbereiten. Denn im Jahr 2015, also in etwas mehr als vier Jahren, wird die Stadt 700 Jahre alt - was sicher ein Anlass für eine Festwoche sein dürfte.
Dabei ist endgültig nicht geklärt, ob die Stadt tatsächlich im Jahr 1315 gegründet worden ist, denn es gibt keine Urkunde darüber. Eine solche ist vermutlich bei einem der vielen Stadtbrände, die
auch das Archiv immer wieder in Mitleidenschaft gezogen hatten, vernichtet worden, vermutet Heinrich Petzmeyer in seiner Stadtgeschichte.
Aber in einer Urkunde aus dem Jahr 1315 wird die Stadt - mehr beiläufig - erwähnt, weshalb im Jahr 1965 auch das 650-jähriges Bestehen der Stadt gefeiert worden war. Ältere „Beweise“ gibt es bis
heute nicht - oder sie wurden noch nicht gefunden. Als sich Bischof Ludwig von Hessen entschloss, sein damaliges „Kirchdorf“ zu einer Stadt zu machen, war Sendenhorst im Vergleich zur Nachbarschaft
ein unbedeutendes Nest. Im südöstlichen Münsterland waren Ahlen und Beckum die wirtschaftlichen Zentren. In Sendenhorst hingegen beschränkte sich der Handel - im Gegensatz auch zu Warendorf und
Telgte - auf den Warenaustausch mit den umliegenden Bauerschaften. Rund um die Kirche gab es Handwerksbetriebe und kleine Händler. Einen Bedarf für ein weiteres städtisches Zentrum in der Region gab
es eigentlich nicht.
Dass Bischof Ludwig dennoch die Stadtrechte verlieh, hatte politisch-militärische Gründe, schreibt Petzmeyer. Es ging um die Sicherung der Macht und die Befestigung des Eigentums. Städter waren
verpflichtet, dieses zu verteidigen. Ebenso konnte der Bischof Richter ernennen und Verwaltungen installieren. Und die Stadtgründung hatte für Ludwig auch pragmatische Gründe: Auf der Reise zwischen
seinen Besitzungen Münster und Marburg reiste der Bischof, der häufig in irgendwelche Kriege und Auseinandersetzungen verwickelt war, über Sendenhorst und Soest. Vermutlich hat er dabei in „seiner“
kleinen, neuen und befestigten Stadt an der Fernstraße von der Nordsee über Münster bis nach Soest und Marburg mit seinem Gefolge eine Rast eingelegt.
Und auch das liebe Geld spielte eine wichtige Rolle für die Gründung der Stadt. Die Pfarrei war finanziell außerordentlich gut ausgestattet. Die Jahreseinkünfte betrugen 1313,18 Mark - womit
Sendenhorst im oberen Fünftel aller Pfarrkirchen des Bistums lag. Zum Vergleich: Der Albersloher Pfarrer nahm zu der Zeit sieben Mark und der Drensteinfurter 15 Mark an Pachten und Ähnlichem ein. Die
Finanzstärke der Sendenhorster Pfarrei wurde auch an der Größe der damaligen romanischen Kirche deutlich, die weit größere Ausmaße als die Dorfkirchen in der Umgebung hatte und wohl für mehr Bewohner
geplant worden war, als seinerzeit im kleinen Sendenhorst lebten.
Geölte Gewehre und 10 Pfund Hefe J. Thesing | 16.5.2010
Die Bauern bereiten sich auf das Ende des Zweiten Weltkriegs vor – das dann ganz plötzlich kommt. Sendenhorst.
Im kommenden Jahr wird die Stadt Sendenhorst 700 Jahre alt. Das zumindest ist der ersten Erwähnung in einem Vertrag zu entnehmen. Angenommen wird, dass die Stadtgründung durch Fürstbischof Ludwig II.
von Hessen wahrscheinlich nach dem Jahr 1310 erfolgt ist. Eine Urkunde über das Gründungsjahr 1315 gibt es allerdings nicht. Diese ist vermutlich bei einem der zahlreichen Brände, die die Stadt immer
wieder heimgesucht haben, vernichtet worden.
Bild:
Noch ist der Krieg weit entfernt - Rathaus zur Reichtagswahl 1938
Was ist wichtig am Ende eines erfüllten Lebens? Was bleibt hängen?, wie man heute so sagt. Bei Magdalene Arens-Sommersell war das eine ganze Menge, weshalb sie vieles aus ihrem Leben und einen Teil
der Sendenhorster Stadtgeschichte in einem Buch aufgeschrieben hat, das sie im Jahr 2006 vor allem ihrer Familie, aber auch Freunden, widmete.
„Ein Wandel von Generationen“ heißt das Buch, das die verstorbene Sendenhorsterin, die sich unter anderem Jahrzehnte in der KFD für die Belange der Frauen eingesetzt hatte, der Nachwelt überlassen
hat. Ob die Geschichte der Stadt – in einem kurzen Abriss –, die Arbeit der Leinenweber oder die Arbeit auf dem Hof und in der Brennerei: Die Sendenhorsterin erzählt die Stadtgeschichte auf ihre
besondere Art mit großer Zuneigung zu ihrer Familie.
Auf das Ende des Zweiten Weltkrieges bereiteten sich die Sendenhorster Bauern auf ganz besondere Weise vor, nicht wissend, was sie erwarten würde. Im warmen März 1945 bestellten die Landwirte früh
ihre Felder, und „jeder spürte und hoffte, dass der entsetzliche Krieg nun bald ein Ende haben würde“, schreibt Magdalene Arens-Sommersell. Auf den Einmarsch der Amerikaner galt es, sich
vorzubereiten. „Die Jagdgewehre meine s Vaters wurden dick eingefettet und in Ölpapier eingeschlagen. Im Dunklen haben mein Vater und ich die Gewehre unter einer markanten Eiche in unserer
Heilandswiese 500 Meter vom Hof entfernt vergraben“, schreibt sie.
Für Notfälle wurden im Versteck auf dem Hof mehrere Säcke voller Weizen- und Roggenmehl und ein Zentner Zucker eingelagert. „Die trockenen Schinken, die Mutter wegen der Haltbarkeit in Wannen
lagenweise in Holzasche aufbewahrte, standen daneben. Der Vorrat an Grundnahrungsmitteln reichte für einige Wochen“, schreibt Magdalene Arens-Sommersell. Nicht aber die Hefe, die nicht länger haltbar
war, weshalb ihre Mutter sie am Karsamstag 1945 zum Bäcker Daldrup an der Weststraße in die Stadt schickte. Die junge Magdalene fuhr, wie damals üblich, mit dem Fahrrad in die Stadt, um zehn Pfund zu
kaufen. „Ich schätze, meine Eltern spürten das unmittelbare Heranrücken der alliierten Truppen.“
Beim Bäcker erfuhr sie, dass einige Sendenhorster die Panzersperre am Westtor auseinandergeschoben hätten. Davon wollte sich Magdalene selbst überzeugen, und sie radelte zum Friedhof. „Zwischen den
weggeschobenen Zementblöcken erblickten meine Augen plötzlich einen großen Panzer“, schreibt sie. Sie schnappte ihr Rad und „trampelte mit allen Kräften mit meiner schrecklichen Angst und Not
Richtung Osten nach Hause“.
Aber nicht schnell genug für die Panzerkolonne, die Sendenhorst ohne Wiederstand durchfahren konnte. Kurz vor der „Waldmutter Kogge“ wurde sie von der Spitze der Panzerkolonne überholt. Einen
Sendenhorster, den „die Sieger wohl unterwegs aufgegabelt hatten“, sah sie auf einem der Panzer sitzen – „furchtbar“.
„Gottlob“ konnte sie nach links in die Bauerschaft einbiegen. Über das weite Feld sah sie ihre Familie und alle Mitbewohner weiße Tücher schwenken. „Sie warteten sehnlichst auf mich.“ Und mit dem
Einmarsch der Amerikaner war der Krieg in Sendenhorst zu Ende.
Auf Krach folgt die Scheidung vom Kirchspiel J. Thesing | 17.12.2010
Ein bisschen muss es wohl wie in einer Ehe zugegangen sein, in der es ständig Krach gibt, die möglicherweise
sinnvolle Trennung aber immer wieder hinausgezögert wird. Im Jahr 1832 hatte die preußische Regierung dem Bürgermeister Johann Heinrich Brüning aus Enniger die Bürgermeisterei Sendenhorst-Stadt und
Sendenhorst Kirchspiel übertragen, was zu Auseinandersetzungen führte.
Brüning residierte auf seinem Schulzenhof in der Bauerschaft Sommersell in der Nähe der Grenze zu Sendenhorst. Mehr als ein Jahrzehnt lang leitete er die drei Landgemeinden. Auf dem Land gab es keine
Probleme, aber die „aufsässigen, ganz und gar nicht regierungsfrommen Sendenhorster Bürger machten ihm zu schaffen“, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Stadtgeschichte.
Dann kam 1848 die bürgerliche Revolution, in der die Stadt und ihr Amtmann immer wieder aneinander gerieten. Das Ende der Revolution nahmen Brüning und die Sendenhorster schließlich zum Anlass, die
Scheidung einzureichen, die 1854 vollzogen wurde. Die Stadt Sendenhorst hatte sich zuvor eine eigene städtische Verfassung gegeben. Zum Bürgermeister wurde Friedrich Kronshage gewählt.
Das bedeutete zugleich die Trennung vom Kirchspiel, das weiter zum Verwaltungsverbund mit Enniger und Vorhelm gehörte. Was damals wohl kaum jemand dachte: Erst 113 Jahre später, also im Jahr 1967,
fanden die beiden Sendenhorster Verwaltungsteile wieder zusammen. Auch deshalb, weil es in der Stadt zu wenig Platz für eine weitere Ausdehnung gab: Die Grenze des Kirchspiels verlief in
unmittelbarer Nähe der Stadt. Zudem lockten zusätzliche Steuereinnahmen. Und das Kirchspiel war dringend auf die Infrastruktur der Stadt angewiesen.
Und so fasste die Gemeinde Kirchspiel am 20. Februar 1967 im Hotel Zurmühlen den Beschluss, sich zum 1. Januar 1968 wieder der Stadt Sendenhorst anschließen und ein ungewöhnliches Verwaltungskuriosum
aufzugeben.
Dem waren allerdings lange Diskussionen vorangegangen, denn längst nicht jeder im Kirchspiel war von der „Wiedervereinigung“ angetan, berichtet Petzmeyer. Der damalige Kirchspiel-Bürgermeister Franz
Keweloh erklärte in der Sitzung, dass „wir uns schon länger mit den Gedanken der Rückkehr befassen, weil wir vieles gemeinsam haben“.
Bereits zwölf Jahre zuvor war der Amtsverband „Stadt- und Kirchspiel Sendenhorst“ gebildet worden, der die entscheidende Annäherung brachte.
Die Stadt hatte seinerzeit rund 5000, das Kirchspiel etwa 1000 Einwohner. „Entscheidend ist, dass beide Gemeinden, ob sie wollen oder nicht, unlöslich miteinander verbunden sind“, führte
Stadtdirektor Heinrich Esser seinerzeit aus.
Nach dem Kirchspiel war die Stadt an der Reihe, Entscheidungen zu treffen. Dort beschloss die Vertretung im März 1967 den Zusammenschluss. „Nach dem Probejahren dürfte der Zusammenschluss gut und
vernünftig sein“, erklärte in der Sitzung Bürgermeister Heinrich Brandhove. „Ich begrüße den Zusammenschluss“, fügte er an.
Der Schrecken des Landrats J. Thesing | 2010
Sendenhorst - Wenn die Nächte lang und dunkel waren, machten sie sich
auf den Weg. Zeit genug hatten sie, denn Arbeit gab es in den langen Wintermonaten nicht besonders viel. Und Grund genug für ihr Tun gab es wohl auch, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse waren für
die meisten Sendenhorster recht dürftig, wie Heinrich Petzmeyer für seine Sendenhorster Stadtgeschichte recherchiert hat. Also machten sie sich auf ins Königreich Hannover, um das zu tun, was Geld
brachte: schmuggeln.
Zu Fuß oder mit dem Karren nach Hannover? Nun ja, die Grenzen waren seinerzeit anders gezogen. Bis zum Jahr 1866 grenzte die Preußische Provinz Westfalen, zu der Sendenhorst gehörte, im Norden und in
Nordosten an das Königreich Hannover. Und der Weg war über Ostbevern und Milte nach Glandorf nicht allzu weit. Dort waren viele Konsumgüter billiger als in Sendenhorst, weil sie weniger besteuert
wurden.
Und so entwickelte sich ein reger Schmuggelhandel. Den gab es woanders auch, aber die Sendenhorster galten als besonders gut organisiert. Besonders prominent war diesbezüglich die seinerzeit
berüchtigte „Sendenhorster Schleichträgerbande“, deren Treiben lange Zeit unentdeckt blieb oder von den Menschen nicht an die große Glocke gehängt wurde.
Die geschmuggelten Waren, die nicht für die Selbstversorgung benötigt wurde, wurden an Hausierer oder fahrende Händler verhökert, die so in den Nachbarkirchspielen einen florierenden Handel mit
preisgünstigem Salz, Kaffee oder Tabak aufzogen. Und so hatten alle Beteiligten ihren Profit - mit Ausnahme der Preußischen Provinz.
Das ärgerte den Zoll und machte den Landrat wütend. „Die berüchtigte Sendenhorster Schleichträgerbande bildet den Schrecken der auswärtigen und die Schande der heimatlichen Gegend“, beklagte Landrat
von Merveldt. Bei Dunkelheit machte sich die Schmuggelbande auf den Weg und kehrte noch in der gleichen Nacht schwer bepackt aus dem nahen Königreich zurück. Dass das auf Dauer nicht gutgehen würde,
war vermutlich auch den Schmugglern bekannt. Und so war ein Zwischenfall in der Nacht vom 28. auf den 29. Februar 1840 der Anfang vom Ende des lebhaften illegalen Handels. Die Aufseher vom
Hauptzollamt in Telgte erwischten Mitglieder der Bande auf frischer Tat.
Beim dabei üblichen Schusswechsel wurde der Weber Bernhard Hermann Krey lebensgefährlich angeschossen, während der Rest der Bande flüchten konnte. Krey verkroch sich in einem Kötterhaus in Einen, wo
er verstarb, wie seine Frau nachher dem Sendenhorster Bürgermeister Johann-Heinrich Brüning berichtete. Sie war nach Einen gereist und fand ihren Mann in Gegenwart von Gerichtsvertretern aus
Warendorf tot im Bett liegend. 153 Pfund Salz wurden bei Krey gefunden.
Die Zollbeamten hatten einen weiteren Sendenhorster angeschossen. Doch der wurde nicht gefunden. Die Fahndung in Sendenhorster Schmugglerkreisen brachte allerdings allerlei Schmugglergut zu Tage.
Beim Maurergesellen Friedrich Bischob wurden 44 Pfund Salz und drei Pakete Tabak gefunden. Der Weberjunge Theodor Rieping gestand laut Gerichtsakten, 16 Pfund Salz und zwei Pakete Tabak aus Glandorf
eingeschmuggelt zu haben. „Gründliche Verhöre“ - die tatsächlich wohl „gründlich“ waren - waren dem vorausgegangen. Andere Verdächtige konnten nicht überführt werden. Die wirtschaftliche Lage
besserte sich, und der Schmuggel wurde weniger einträglich. Ganz vorbei war er, nachdem sich die deutschen Staaten zu einer Zollunion zusammengeschlossen hatten.
Des Müllers Lust und Last J. Thesing | 2010
Sendenhorst - Der Müller hatte es nicht leicht. Denn sollte er sich bei
seiner Arbeit erlauben, Auswärtige den Einheimischen vorzuziehen, musste er eine Mark Strafe bezahlen. So war es in seinem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1796 festgehalten.
Denn die Bürger der
Stadt sollten auf keinen Fall zu lange warten. Zumal die Zahl der Tage mit ausreichendem Wind zum Mahlen des Korns nicht sonderlich üppig waren, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner „Sendenhorster
Stadtgeschichte“.
Ob sich Müller Johann Frenking, der das Amt des „Mühlenknechts“ von Dirck Frenking übernommen hatte, daran gehalten hat, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass die Mühle ein städtischer Eigenbetrieb
war, wie man es heute ausdrücken würde. Für 30 Jahre hatte die Stadt die Mühle auf dem so genannten Mühlenberg an der heutigen Straße „Auf der Geist“ von Erbkämmerer Clemens August von Galen zu Assen
gepachtet, die bereits um 1450 Erwähnung fand. Sie war, aus Richtung Münster kommend, das markante Wahrzeichen der Stadtfeldmark und später als „Wößmannsche Mühle“ bekannt. Der Arbeitsvertrag der
Müller hatte es aber auch noch an anderen Stellen in sich. Er hielt sie zu „Ordnung, Fleiß, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit“ an.
So waren sie zum Beispiel verpflichtet, „jederzeit einen unverheirateten Knecht zu haben“, um die anfallende Arbeit unverzüglich erledigen zu können. Der Lohn für die Treue gegenüber der Stadt: Der
Müller durfte einen geringen Teil des angelieferten Korns behalten und erhielt jährlich am 2. April sieben Taler. Dafür war er verpflichtet, in der Nähe der Mühle zu wohnen, um jederzeit schnell nach
dem Rechten sehen zu können.
Im Jahr 1814 ging der Pachtvertrag für die Bockwindmühle zwischen der Stadt und Graf von Galen zu Ende. Bürgermeister Langen hatte bereits im Vorfeld darauf hingewiesen. Und den Kauf der Mühle oder
den Bau einer neuen, stadteigenen angeregt. Da die Stadtkasse aber mal wieder leer war, versuchte Langen vergeblich, Investoren zu finden. Gleichwohl hatten Mühlenbauer aus Ibbenbüren begonnen, auf
dem Bersenkamp eine zweite Mühle zu errichten. Diese war aber nicht finanzierbar. Davon bekam auch Graf von Galen Wind. Er sprang als Investor ein, und war somit Eigentümer von gleich zwei Mühlen in
Sendenhorst
Wasserturm mit öffentlichem Badezimmer J. Thesing | 22.07.2009
Schön war er nicht, da waren sich viele einig. Aber er hatte die markanten Züge, die ihn zu etwas Besonderem
machten. Als er 1959 am Rande der Mühlenkuhle stand, sorgte er jedenfalls für mächtig Aufsehen. Ganz aus Beton und ziemlich nackt, weil bis auf die Mühle kaum ein Gebäude stand. Erst nach und nach
rückte der Wasserturm durch die ausgeweitete Bebauung mehr und mehr in die Stadt hinein und ruhte viele Jahre im Schatten der Realschule St. Martin.
Wobei das mit dem Schatten so etwas war. Denn mit seinen 42 Metern war er wohl derjenige, der die Umgebung dominierte. Deshalb war es auch keine Frage, dass er die „Vier-Türme-Stadt“ lange mitprägte.
Er hatte seinen Sinn, als er fertig gestellt war. Damit das Wasser in den Leitungen immer mehr oder weniger den gleichen Druck hatte und die schwankende Wasserabnahme durch die Menschen ausgeglichen
werden konnte, gab es in Sendenhorst wie in vielen anderen Städten und Gemeinden Wassertürme. Dazu standen im Ausgleichsbehälter im Turm 400 Kubikmeter Wasser zur Verfügung.
Doch der Sendenhorster Wasserturm konnte noch weit mehr. Er war gewissermaßen auch Badezimmer, und zwar direkt nach der Fertigstellung. Denn nach dem Sport nebenan gings zum Duschen in den
Wasserturm. Und auch andere Sendenhorster konnten die öffentlichen sanitären Anlagen nutzen, deren Reste bis zum Ende erhalten blieben. Ein kleiner Obolus an den Verwaltungsmitarbeiter gewährte
Eintritt zu den festgelegten Zeiten. Lange wehrte die Funktionalität der Sendenhorster Betonpracht aber nicht. Nur 18 Jahre, nachdem ihn ein Architekt aus Münster gebaut hatte, wurde er von einen auf
den anderen Tag überflüssig. Denn ab 1977 lieferte die Gelsenwasser AG das kostbare Nass mittels Druckrohrleitung nach Sendenhorst - und der Turm hatte keine Funktion mehr. Na ja, nicht ganz. Denn
„Wasser-Bartmann“, inzwischen längst in Ruhestand und auf Sportabzeichen spezialisiert, nutzte mit seinen Kollegen vom Wasserwerk den Turm als Lagerraum.
Natürlich gab es in der Folge viele Ideen für den Turm, der es bei entsprechendem Engagement womöglich zu einem Industriedenkmal gebracht hätte. Viele Varianten wurden in den politischen Gremien
diskutiert. Doch weil der Beton bröckelte und Gefahren nicht mehr ausgeschlossen werden konnten, war wohl auch ein wenig Eile geboten. Und so wurde es nichts mit Fachräumen für die Realschule, einem
Jugendcafé, einer Jugendherberge, einem Jugendheim oder Sozialwohnungen im Sendenhorster Wasserturm - weil derartige Vorhaben zu teuer oder technisch zu aufwändig erschienen.
Und so reifte der Entschluss, eines der Wahrzeichen der Stadt ganz profan abzureißen. Das geschah nach einer letzten Besichtigung im Inneren im Juli 1999 - also heute vor fast genau zehn Jahren. Die
Proteste hielten sich in Grenzen.
Vier Windmühlen prägten das Stadtbild A, Mefus | 2001
Sendenhorst - Der Müller
und die Müllerin gaben in früheren Zeiten immer wieder Dichter und Komponisten Anregungen für künstlerische Werke, Ob im Volkslied, in Sagen oder Märchen, in Operetten und anderen Bühnenwerken immer
wieder wurden besungen, der weißbeschürzte, mehlstaubige Müller und die hübsche, adrette Müllerin, die in der klappernden Mühle am rauschenden Bach ihr beschauliches Dasein führten. Der Berufsstand
des Müllers dürfte so alt wie der des Bäckers sein. Es begann mit dem Reibstein der Steinzeit, der bald vom Mörser abgelöst wurde. Die nächste Entwicklung war die Handmühle. Später tat für
Jahrhunderte der Mühlstein seinen Dienst.
In den 80er Jahren des 19.Jahrhunderts setzte sich auch in Deutschland der aus der Schweiz eingeführte Walzenstuhl durch. Auch die äußere Form der Mühlen wandelte sich mit der Zeit. Während des
Mittelalters bis in die Neuzeit hinein war ein selbständiges, mit eigenem Betriebskapital und eigenem Betrieb arbeitendes Müllergewerbe unbekannt. Das Müllergewerbe war ein herrschaftliches Gewerbe;
es gehörte zu den Regalien, die der Landdesherr für sich zu nutzen wusste. Mühlenzwang für ein bestimmtes abgegrenztes Landschaftsgebiet auf der einen Seite, schwere Ahndung bei unberechtigten Mahlen
auf der anderen Seite bewahrten den Eigentümer - im Hochstift Münster waren es jeweils die Fürstbischöfe - das sehr einträgliche Recht mit besonderer Schärfe.
Die ältesten Windmühlen sind Wassermühlen. Wo aber in der ebenen Landschaft wenig Wasser als Treibkraft vorhanden war, ging man dazu über, den Wind auszunutzen. Es wurden drei Grundarten von
Windmühlen unterschieden. Einmal sind es die auf „Ständen“ aufgebauten Bockmühlen, dann die rechteckigen Mühlen, deren hölzerner Bau auf einem Steinfundament ruht und schließlich die „Holländer“, die
auch Turmmühlen genannt wurden, da sie bis auf die drehbare hölzerne Kappe (Dach) gleich einem Turm gebaut waren.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts hatte Sendenhorst an jedem Tore eine Windmühle. Die älteste Mühle dürfte die Wößmannsche Mühle am Westtor sein. Der mündlichen Überlieferung nach soll schon um 1500 auf
dem sogenannten "Mühlenknapp" eine Mühle gestanden haben. Wann sie erbaut wurde, konnte nicht ermittelt werden. Nach alten Darstellungen stand die erste Mühle stand die erste Mühle auf hölzernen
Ständen und war Eigentum des Grafen von Galen. 1851 verkaufte der Erbkämmerer Graf Mathias von Galen (Haus Assen, „Hinter Beckum“, Richtung Lippborg) die Kornwindmühle an Josef Wößmann für 2.005
Reichstaler. 1880 wurde die Pfahlmühle umgebaut und an ihrer Stelle wieder auf der Anhöhe ein Steinbau gesetzt, wobei die Mühle 1885 zusätzlich Dampfkraft erhielt. In Münster war bereits 1835 die
erste Dampfmaschine mit 24 PS zum Antrieb der Kiesekampschen Kornmühle am Neutor konzessioniert worden.
1887 ging Wößmannsche Mühle auf den Sohn Josef Wößmann über. Die fortschreitende Technisierung machte auch vor dem Mühlenbetrieb nicht Halt. Neben der Windstärke wurde die Dampfkraft 1924 durch einen
Sauggasmotor ersetzt. Als 1933 die Mühle durch den Einbau eines Walzenstuhles verbessert wurde, verlor die vertraute Windmühle ihre großen Flügel. Ein weitbekanntes Sendenhorster Wahrzeichen ging
dahin. Der Mühlenbetrieb hingegen bestand noch weitere Jahnzehnte. Heute ist die Wößmannsche Mühle nur noch e in Erinnerungsstück. Erfreulicherweise sind die Gebäude nicht dem Verfall oder Abbruch
preisgegeben, sondern inzwischen zu gediegenen Wohnungen umgebaut worden.
Nach Norden, auf Mauritz zu, baute 1821 der Brennereibesitzer Schwarte (später Roetering) auf Pfählen eine Holzmühle mit Flügeln. Sie wurde um 1859 an Niehus (Nordgraben) verkauft. Infolge Zerfalls
wurde sie 1921 abgebrochen.
Im Osten der Stadt stand früher Strickers Windmühle, die ihren Standort im Gartengelände hatte, das später im Besitz von Leo Ramesloh wurde. Heute befindet sich dort der Biergarten des Hotels
Zurmühlen. Das Baujahr der Strickmannschen Mühle ist nicht bekannt; im Kriegsjahr 1817 wurde sie abbrochen.
Im Süden der Stadt stand die Mühle Brökelmann, später Kassenbrock. Sie war in dem Gartengelände erbaut worden, das später zum Besitztum Hille gehörte. Die vor dem Südtor gelegene Windmühle fiel 1909
einem Brand zum Opfer. Der kurze, aber treffende Brandbericht von diesem Ereignis lautete seinerzeit: „1909. Am 27. Februar wurde die Wehr zur Windmühle des Mühlenbesitzers Kassenbrock gerufen, die
in Flammen stand. Sie trat dem Feuer energisch entgegen und schützte so das sehr bedrohte Wohn- und Nebenhaus vor Brandschaden.“
Als die Schlote das Stadtbild bestimmten J. Thesing | 21.09.2009
Sendenhorst - „Historische Orte des Genusses“ ist das
deutschlandweit zentrale Motto des diesjährigen „Tages des offenen Denkmals“ am Sonntag, 13. September. Ein weit gefasstes Thema, ist doch Genuss durchaus vielfältig und nicht nur auf Essen und
Trinken beschränkt. „Dazu kann zum Beispiel auch ein Konzertsaal gehören“, meinen die Initiatoren.
Bild:
Innenstadt von oben 1970
In Sendenhorst wird es aber trotzdem um das Trinken gehen, genauer gesagt um den Schnaps. Denn der hat in der Historie der Stadt zweifelsfrei eine überragende Rolle gespielt. Denn Sendenhorst galt
vom 18. bis ins 20. Jahrhundert nicht nur im Selbstverständnis der Bürger als Heimat des Münsterländischen Korns. Oder auch als „Stadt der Kornbrenner“. Bis zu 17 Brennereien hat es Aufzeichnungen
zufolge gegeben. Viel ist davon heute nicht geblieben. Die Stadt hat ihr Gesicht vor allem bei der Stadtsanierung in den 70-er Jahren kolossal geändert. Die Brennereien wurden ausgesiedelt - wenige -
oder verschwanden ganz.
Gleichwohl sind sie seit einiger Zeit wieder mehr ins Bewusstsein gerückt. Denn der Heimatverein hat kürzlich, wie berichtet, den Brennereipfad angelegt. Mit diesem soll Geschichte lebendig werden.
Und dieser steht am „(Genuss)-Tag des offenen Denkmals im Mittelpunkt des Interesses. Allen Interessierten bietet der Heimatverein eine ausgiebige Führung an. Zeit- und Treffpunkt werden noch bekannt
gegeben. Das Brennereiwesen hatte seinerzeit für die Stadt eine große wirtschaftliche Bedeutung, wie auch in der Ausstellung „Schlote, Schnaps & Schlempe - die Kornbrenner von Sendenhorst“ im
Jahr deutlich geworden ist. Von Sendenhorst aus wurde Hochprozentiger auch in weit entfernte Teile des Landes geliefert. Die Schlote bestimmten das Stadtbild.
Die Ruhr rafft viele dahin - 18. Jahrhundert J. Thesing | 24.07.2009
Sendenhorst - Das Trinkwasser war schlecht, und an der Hygiene mangelte
es vielfach. Hinzu kam, dass sich Fremde unterschiedlicher Herkunft in der Stadt gewissermaßen die Klinke in die Hand gaben. Denn es herrschte - wieder mal - Krieg. Und auch wenn die Stadt nicht
unmittelbar am Siebenjährigen Krieg ab 1757 beteiligt war, hatte sie dennoch darunter zu leiden. Denn viele Truppen zogen durch die Stadt oder schlugen hier ihr Lager auf. Und die Husaren,
Kur-Hannoverische Jager oder Königlich-Französischen Truppen brauchten - und bekamen - vor allem eines: Verpflegung.
Aber sie brachten auch
etwas mit: Krankheiten und Bazillen, die diese übertrugen. Wie im Jahre 1761, als das Erbprinzen-Regiment von Hessen in Sendenhorst ein Lazarett einrichtete, berichtet Heinrich Petzmeyer in seiner
Sendenhorster Stadtgeschichte. Ob die Hessen die Ruhr - auch Dysenterie genannt - einschleppten, ist nicht überliefert. Gesichert ist aber, dass die Seuche in diesem Jahr 140 Sendenhorster Tote
forderte. Was bedeutete, dass in der damaligen Kleinstadt jeder zwölfte Bewohner von der Ruhr dahingerafft wurde.
Im Kriegsjahr 1761 wuchsen sich die Einquartierungen fremder Truppen zu einer regelrechten Plage aus. Die Lebensmittel in der Stadt reichten kaum aus, um alle zu versorgen. Die Bürger mussten vor
allem Essen und Schnaps liefern, und hatten am Ende kaum Nahrung genug für sich selbst, was der körperlichen Fitness natürlich recht abträglich war. Und die medizinische Versorgung war auf dem Land
auch nicht sonderlich gut. Der erste, den die Ruhr Ende Juli erwischte, war Joan Bernd Röper, schreibt Petzmeyer. Die Stadt geriet in Panik, und das völlig zu Recht. Denn die Krankheit zog schnell
von Haus zu Haus. Und so zitterte jede Familie, wie bei den Pestepidemien vergangener Zeiten. Alte Menschen und kleine Kinder starben zuerst.
Daran änderte sich auch dadurch nichts, dass der bischöfliche Landesherr rund 20 Ärzte nach Sendenhorst schickte, um die Ruhr einzudämmen. Allein im September 1761 starben 95 Menschen an der
Dysenterie, hat der damalige Pastor Kuipers, Chronist in Sendenhorst, notiert. „Einige haben sich die Krankheit aus dem Militärlager, einige aus Unterernährung und andere einfach durch Ansteckung
geholt“, vermerkte der Geistliche. „Kaum ein Haus in der Stadt und fast kein Haus im Kirchspiel blieb von der Krankheit verschont. In der Stadt waren kaum 20 Menschen, die von der Krankheit gänzlich
verschon blieben“, schrieb Pastor Kuipers.
Und auch in den Jahrzehnten danach starben durch unreines Trinkwasser oder mangelnde Hygiene immer wieder Menschen in Sendenhorst an der Ruhr, wenn auch nicht so viele auf ein Mal wie 1761: 40 Kinder
waren es im Hitzejahr 1774 und für 1889 sind 46 Sterbefälle vermerkt.
Postamt und Kneippkurhaus J. Thesing | 16.5.2009
Sendenhorst - Der Ursprung des Gebäudes lag in den Händen eines
der wohl umtriebigsten Sendenhorster Prominenten der Vergangenheit. „Tüchtig und ehrgeizig, einfallsreich und flexibel“ sei er gewesen, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner „Geschichte einer
Kleinstadt im Münsterland. Und das sei bei Bürgermeister Bernhard Joseph Langen (1781 - 1850) insbesondere bei der Verquickung öffentlicher und privater Interessen so gewesen. Für den normalen
Sendenhorster Bürger habe ehrenamtliche kommunale Tätigkeit wohl nur dann Sinn gemacht, wenn privat auch etwas dabei heraussprang: Profit.
Im Jahr 1806 ließ Langen, Bürgermeister, Steuereinnehmer und Gerichtsschreiber, das repräsentative Haus an der damaligen Oststraße 24 b bauen, das heute von Theo und Marie Borgmann bewohnt wird.
Dessen Adresse wurde 1951 von Stadtdirektor Heinrich Esser in Nordstraße 3 umbenannt. Das Haus, wie das Alte Pastorat vom Architekten Adolph Anton von Vagedes gebaut, hat 200 Jahre unbeschadet
überstanden. „Die Türen sind mit den Kassettenschlössern immer noch die ersten“, erzählt Maria Borgmann nicht ohne Stolz.
Das Haus ist ein wichtiger Teil der Geschichte Sendenhorsts, was an vielem deutlich wird, was Theo und Maria Borgmann gesammelt haben. Und weil das so ist, hat Maria Borgmann sich entschlossen, all
das zusammenzutragen und aufzuschreiben. „Ein Haus erzählt eine Geschichte“ soll im Herbst gedruckt werden. Bis 1980 war zum Beispiel die Post darin untergebracht, deren Räumlichkeiten 1963 noch
einmal erweitert worden waren. Und im ehemaligen Sitzungssaal des Rates, ebenfalls im Haus befindlich, hängen heute unter anderem Werke des Zeichners und Malers Theo Borgmann an den Wänden, der mit
seinen bald 87 Jahren immer noch nicht von Wilhelm Busch und Co. lassen kann und will. Gerade hat er in einem weiteren Band Gedichte und kleine Geschichten des Dichters humorvoll illustriert.
Theo und Maria sind froh darüber, dass das Gebäude im Gegensatz zur Nachbarschaft von der Stadtsanierung in den 70-er Jahren verschont geblieben worden ist. Schließlich, so Theo Borgmann, könne man
ein „kaiserliches Postamt“ mit seiner klassizistischen Fassade ja nicht mal so eben abreißen.
Das hätte sicher auch Bernhard Joseph Langen nicht gefallen. Aber unter seiner Regentschaft wäre das wohl eh nicht passiert. Als das Haus errichtet wurde, hatte Langen seine Finger dank der guten
Beziehungen zu den Franzosen (fast) überall im Spiel. Mit sicherem Gespür für profitable Geschäfte versuchte sich der Bürgermeister und Steuereinnehmer als Gastwirt, beteiligte sich an der Pachtung
des Garrath, kaufte ein Miethaus am Kirchplatz und organisierte den Bau einen zweiten Windmühle, hat Heinrich Petzmeyer recherchiert. Ob es bei seiner Ehe Liebe oder Zufall war, ist nicht
übermittelt. Aber bei der Hochzeit macht Langen ebenfalls eine gute - wohlhabende - Partie. Aber die Gesichte des Hauses bietet noch weit mehr als Postamt und Bürgermeisterei. Dr. Anton Borgmann hat
dort beispielsweise als Arzt praktiziert. Er hatte das Gebäude 1976 gekauft. Durchaus fortschrittlich, richtete er „Dr. Borgmanns Kneippkurhaus“ ein - Gartennutzung inklusive. „Eine Wasseranwendung
kostete zwischen zehn und 20 Pfennige“, erzählt Maria Borgmann. Die so genannte Schwindsucht gehörte damals auch in Sendenhorst zu den gängigen Krankheiten. Kost und Wohnung waren ein bisschen
teurer: Berechnet wurde ein Tagessatz ab 1,50 Mark. Die Praxis wurde übrigens erst 1910 aufgegeben.
Das Haus hatte seinerzeit prominente Gäste, erzählt Theo Borgmann. Zum Beispiel Joseph Spithöver, der später nach Rom ging und der Stadt das St.-Josef-Stift schenkte. „Josef Spithöver war ein
Waisenkind. Bürgermeister Langen hat ihn hier untergebracht“, erzählt Theo Borgmann. Wer sonst?
Flurbereinigung bringt Mühlenreste ans Licht J. Thesing - Dr. Book | 8.1.2009
Sendenhorst - Dass im Nordosten und Norden der Stadt die Angel
still und eher unscheinbar vor sich hinfließt, ist vielen bekannt. Dass es an diesem Flüsslein früher Wassermühlen gegeben haben könnte, wird heute allenfalls noch an den Namen der Höfe deutlich, die
sich an der Angel befinden. Diese hat in der Nähe von Ennigerloh ihre Quelle und mündet in Angelmodde in die Werse. Hofnamen erzählen, wenn man sie richtig deuten und „übersetzen“ kann, eine
Geschichte. Und solchen Geschichten alter Höfe geht Dr. Heinrich Book, passionierter Heimatforscher, auf den Grund.
An der Angel hat es im Bereich von Sendenhorst wohl mal vier Wassermühlen gegeben, meint Heinrich Book. Wann sich allerdings das erste Mühlenrad dort gedreht hat, lasse sich heute nicht mehr
bestimmen. Alten Dokumenten zur Folge sei es aber wahrscheinlich, dass es bereits eine Mühle gab, bevor es um 1300 einen Berufsmüller auf dem „Mellighoff“ gab.
Manchmal hilf neben beharrlicher Recherche in Büchern und Dokumenten auch der Zufall, um Geschichte Lebendig werden zu lassen. So auch bei der „Mühlenforschung“ von Dr. Heinrich Book. Auf dem Hof
Suermann unweit der Angel in der Bauerschaft Rinkhöven hat der Namensforscher von Theodor Suermann erfahren, dass es im Bereich der Pappeln an der Angel früher ein so genanntes „Kolkschem“ gegeben
habe. Dieser Begriff setzt sich laut Heinrich Book aus den niederdeutschen Worten Kolk und Schem zusammen. Während sich ein Kolk als mit wasser gefüllte Vertiefung noch einiger Bekanntheit erfreut,
wird der Schem mit Steg übersetzt. Antor Suermann habe seinem Sohn Theodor früher erzählt, dass es im Bereich des „Kolkschems“ früher eine Mühle gegeben habe, die zum Gutshof derer von Schorlemer im
Bereich des Schörmels gehört habe. „Ich selbst habe gesehen, dass man bei der Umleitung der Angel beziehungsweise deren Begradigung mit dem Bagger in der Nähe des Schems alte Eichenbalken aus der
Erde gebuddelt hat. Dabei wurde immer wieder davon gesprochen, dass diese Balken von einer alten Mühle stammen“, habe Theodor Suermann berichtet. Die Arbeiten an der Angel seien in den Jahren 1959
bis 1960 im Rahmen der Flurbereinigung durchgeführt worden.
Die Zugehörigkeit der Mühle zum Gutshof Schorlemer sei allgemein bekannt gewesen. Der Gutshof habe übrigens etwa dort gestanden, wo sich heute die Brennerei Horstmann befindet. Womit sich der Kreis
schließt. Denn auf dem Anwesen der Brennerei sind alte Mühlsteine zu finden. Apropos Schorlemer: Von diesem Namen dürfte sich die heutige Bezeichnung „Schörmel“ ableiten.
Die Existenz der vierten Mühle an der Angel ist wiederum der Recherche von Heinrich Petzmeyer zu verdanken. Er hat sie in der Nähe des heutigen Hofes Dernebockholt, der früher einer Familie Horstmann
gehört habe, ausgemacht. Dass es diese Wassermühle tatsächlich gegeben hat, hat sich Heinrich Book in einem Gespräch mit einem Zeitzeugen bestätigen lassen. Paul Pohlmeier, Jahrgang 1924, wohnt heute
in der Bauerschaft Elmster Berg. Er habe berichtet, dass er früher wegen der geringeren Entfernung zur Volksschule nach Alverskirchen gegangen sei. Mit den Nachbarskindern habe er den Weg vorbei am
Hof Dernebockholt – heute auf Alverskirchener Gebiet gelegen – abgekürzt. „In den ersten Jahren meiner Schulzeit – ich wurde 1939 eingeschult – gab es in der Nähe des Hofes an der Angel ein
Mühlenrad, das durch das Wasser in Bewegung gesetzt wurde“, erinnert sich Pohlmeier. Später sei dann die Wasserkraft durch Dampf ersetz worden. Wann genau, daran könne er sich nicht mehr
erinnern.
Dr. Heinrich Book berichtet, dass es bei der Mühle ein sehr großes, altes Kreuz aus dem Jahr 1720 gegeben habe. Dies sei bei der Beseitigung der Stauung an den Weg versetzt worden, der heute von der
Landesstraße zum Hof Dernebockholt führt. Paul Pohlmeier habe schließlich auch berichtet, dass in der Mühle in ihrer aktiven Zeit vorwiegend Korn gemahlen wurde.
Die "Schockemühle" an der Angel: Wo das Wasser auf Trapp gebracht wurde J. Thesing - Dr. Book | 3.12.2010
Sendenhorst - Dass im Nordosten und Norden der Stadt die Angel
still und eher unscheinbar vor sich hinfließt, ist vielen bekannt. Dass es an diesem Flüsslein früher Wassermühlen gegeben haben könnte, wird heute allenfalls noch an den Namen der Höfe deutlich, die
sich an der Angel befinden. Diese hat in der Nähe von Ennigerloh ihre Quelle und mündet in Angelmodde in die Werse. Hofnamen erzählen, wenn man sie richtig deuten und „übersetzen“ kann, eine
Geschichte.
Und solchen Geschichten alter Höfe geht Dr. Heinrich Book, passionierter Heimatforscher, auf den Grund.Der Name „Schockemöhle“ ist mindestens in Reiterkreisen sehr geläufig. Der Name ist mundartlich
– und heißt eigentlich „Schockemühle“. Und dieser bezeichnet eine besondere Art des Wassermühlenbaus. „Die Wasserläufe, die eine solche Mühle antreiben, liegen nach meiner Feststellung im Flachland“,
erklärt Dr. Heinrich Book. Da der Druck des Wassers – wie auch der der Angel – besonders gering sei, wurde es in einem enger werdenden Keilbett der Mühle zugeleitet. In der Physik werde das als
„Shock“ bezeichnet, was auch im Jagdwaffenbau Anwendung findet. Um den Druck im Lauf zu erhöhen, wird er keilförmig verengt.
Dr. Heinrich Book vermutet, dass es eine solche Mühle auch in Norden der Stadt in der Nähe der Angel gegeben habe, weil der Name des Müllers und seines Anwesens dort bis heute verewigt sind. Das
werde am alten landwirtschaftlichen Betrieb „Schockemöhle“ im Rinkerfeld deutlich. Dieser Name sei in einem dicken Eichenbalken eingraviert, der sich am Restgebäude des Hofes befindet, der heute von
der Familie Putze bewohnt wird. Man trifft auf diesen Hof, wenn man an der Straße nach Hoetmar vor der Angel in Höhe des Hofes Strohbücker links einbiegt.Unklar sei, so Book, ob es sich bei der
Mühle, deren Wasserrad wegen des eher geringeren Drucks wohl unterschlägig angetrieben worden sei, um eine Korn- oder Ölmühle gehandelt habe. „Der niederdeutsche Name Schockemöhle“ deutet lediglich
darauf hin, dass es sich bei diesen Mühlen um eine besondere Art gehandelt hat, deren Herkunft, so weit ich feststellen konnte, bisher noch unklar ist“, meint Dr. Heinrich Book. Im flachen Teil des
Allgäus gebe es die vergleichbare hochdeutsche Bezeichnung „Schachenmühle“.Konsultiert hat er auch die so genannte Wortstelle in Münster, um Näheres über den Begriff „Schockemöhle“ zu erfahren.
Im sei aber lediglich bestätigt worden, dass das mundartliche Verb „schocken“ unter anderem im Emsland und in Ostfriesland anzutreffen sei und „an die Seite rücken“, bewegen, verengen“, bedeute und
auch für ein verengtes Flussbett im Sinne des englischen Wortes „Shock“ verwendet werde. Und das sei vermutlich auf der sächsische „schockeren“ zurückzuführen.Ob es die insgesamt seinerzeit wenig
verbreitete „Schockemühle“ tatsächlich an der Angele gegeben hat, ist bislang nicht erwiesen „Für Sendenhorst wäre es sicher bedeutungsvoll, wenn die Stadt zu einer der wenigen Orte gehören würde,
die sich rühmen können, eine solche Mühle besessen zu haben“, meint Dr. Heinrich Book.
Was die Kuh mit der „Kogge“ zu tun hat J. Thesing - Dr. Book | 3.12.2009
Sendenhorst - Einiges ist für den etymologisch etwas Bewanderten noch relativ
leicht zu ergründen. „Bracht“ zum Beispiel bezeichnet in Sendenhorst nicht nur die gleichnamige Bauerschaft. Sondern „Bracht“ ist auch gleichzusetzen mit dem Brachland, das dort früher wohl
vorgeherrscht haben muss. Der „Schlabberpohl“ ist auch so eine Bezeichnung, die sich relativ einfach ergründen lässt.
Vornehm ausgedrückt war dieser Ort in der Innenstadt vormals die Badestelle für herumlaufendes Vieh. Heute ist das natürlich ganz anders.Die Etymologie, also die wissenschaftliche Lehre von der
Wortherkunft, ist eine spannende Angelegenheit. Einerseits dann natürlich, wenn es darum geht, die eigenen Wurzeln zur ergründen. Und besonders auch dann, wenn die Bedeutung alter Flurnamen, von
denen es in jeder Stadt und Gemeinde viele gibt, erklärt werden soll. Dr. Heinrich Book, ehemaliger Chefarzt des St.-Josef-Stifts, ist ein Liebhaber altdeutscher Sprache.
Er beschäftigt sich eigentlich schon immer mit dem Ergründen alter Nabnn und Begriffe. „Warum heiß tdie Gegend, durch die ich gerade gehe, so, wie sie heißt?“ ist eine Frage, die er sich stets so
lange stellt, bis er sie beantwortet hat – wenn sie denn überhaupt zu beantworten ist. Und deshalb hofft er, dass es alsbald gelingt, dass auch Sendenhorst wie viele andere Orte seinen
Flurnamen-Atlas bekommt. Mit seinem privaten „Sprachlabor“ will er dazu betragen.Da traf es sich gut, dass ihm in diesen Tagen ein Altbauer aus seinen Unterlagen die „Freckenhorster Heberolle“ aus
dem elften Jahrhundert zwecks Sichtung übergab.
„Es ist eine ganze enorme Fundgrube“, sagt Heinrich Book. Und die lässt ihn seitdem kaum noch los. Denn sie ist, wenn man sie lesen kann, unentbehrlich für die Enträtselung der Sendenhorster Flur-
und Hofnamen.Doch dass mit dem Lesen ist gar nicht so einfach. Bei „Sendin Horst“ ist der „sandige Wald“ noch leicht erklärbar. Aber wer sich der Heberolle, gewissermaßen ein Abgabenbescheid des
Freckenhorster Stifts für die Bauern in der Region, zu denen auch die Sendenhorster gehörten, nähern will, muss sowohl im Lateinischen als auch im Altsächsichen bewandert sein. Und sich zuvor, mehr
nebenbei, eingestanden haben, dass Sendenhorst früher auch mal „Sachsenland“ war.
„Die damalige Schreibweise der Dörfer ist so verschieden, dass ein Laie es nicht erkennen kann“, erklärt Heinrich Book. So ist die Heberolle im Prinzip in altsächsischer Mundart verfasst. Aber eben
nicht nur: Die zahlreichen Anmerkungen und Korrekturen haben die Mönche des Freckenhorster Stifts in lateinischer Sprache hinzugefügt, weil sie die heimische Mundart in der Schrift wohl nicht
beherrschten, vermutet Book.Und so ist er derzeit intensiv damit beschäftigt, das Sprachengewirr zu entschlüsseln. Lange hat er etwa an den irgendwann aufgekommenen Hofbezeichnungen „Große Kogge“
oder „Lüttke Kogge“ herumgeknackt. Dass die „Kogge“ in Westfalen nichts mit der Schifffahrt zu tun haben konnte, war ihm natürlich klar.
Jetzt glaubt er zu wissen, dass auf den ehemaligen Ramshöfen mit Schafzucht irgendwann die Kühe Einzug gehalten haben. „,Kogge‘ kommt wohl von Kuh“, vermutet Book.Der ehemalige Chefarzt und
leidenschaftliche Wortforscher weiß, dass er sich derzeit mit einem der bedeutendsten Dokumente aus dem Mittelalter beschäftigt. Neben dem „Heliand“, einer altsächsischen Evangelienharmonie aus dem
Jahr 830, und dem „Sachsenspiegel“, einem hochmittelalterlichen Rechtsbuch, das innerhalb Deutschlands und darüber hinaus eine große Verbreitung fand und einen erheblichen Einfluss auf die
mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsprechung ausübte, gilt die „Freckenhorster Heberolle“ als wichtigstes Instrument der Sprachforschung. „Die Heberolle und deren Zusammenhänge sind seit langem
bekannt. Das Problem ist, dass sie nahezu niemand lesen und damit deuten konnte“, meint Book, der – Ehrenbürger des niedersächsischen Dörfchens Lorup – auch im Altfriesischen sehr gut bewandert
ist.
„Man muss allerdings auch Freude an der Namensforschung haben, umvoranzukommen“, fügt er an.In der Heberolle, zu der Book von der Stadt eine Karte von 1872 erhalten hat, werden alle Bauerschaften
genannt, auch die in Albersloh. Denn schließlich hatten sie als Hörige Steuern an das Kloster zu zahlen. „Natürlich habe ich noch nicht alle Namen im Griff“, sagt Heinrich Book. Aber: „Das
Plattdeutsche kann vieles besser erklären“, ist sich der Hobby-Sprachforscher sicher. Der „Mellinghoff“ an der Angel war sicher wie die Nachbaranwesen früher ein Mühlenhof. Dass der „Schemm“ als
Namensbestandteil der Steg (über einen Bach) meint, ist heute wohl auch geklärt. Doch vieles wartet noch darauf, enträtselt zu werden. „Es gibt viele schöne Themen“, freut sich Heinrich Book auf die
weitere Forschungsarbeit.
Vom Weideland zum „Himmelreich“ J. Thesing - Dr. Book | 15.11.2009
Sendenhorst - Alte Flurnamen haben es Dr. Heinrich
Book schon lange angetan. In vielen Orten seien diese bereits katalogisiert und veröffentlicht, damit sich die Menschen daran erinnerten, warum der „Landstrich“, auf dem sie wohnen, so und nicht
anders heißt. Für Sendenhorst soll in Zusammenarbeit von Stadt und Heimatverein ebenfalls ein Flurnamen-Atlas erstellt werden, erklärt Book.
Das sei eine gute Sache,
die es bereits in vielen Städten und Gemeinden im Münsterland gebe und die sicher von vielen Bürgern unterstützt werde. Er selbst unterstütze das Vorhaben gerne mit seinem „kleinen Wortlabor“.
Heinrich Book beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit altdeutscher Sprache. Wie solche Erklärungen aussehen könnten und wie sich Interessierte alten Flurnamen nähern könnten, macht Heinrich Book
anhand des Sendenhorster „Himmelreiches“ deutlich, auf dem die Pfadfinder ihr gleichnamiges Jugendgästehaus errichten werden.
„Als Vater von vier begeisterten Pfadfindern freue ich mich sehr darüber, dass diese Organisation bis heute in Sendenhorst aktiv und kreativ geblieben ist“, erklärt Book.Und dass die Pfadfinder ihr
Gelände „Himmelreich“ nennen, mache zudem deutlich, dass sie wüssten, dass es sich bei dem Begriff um einen alten Flurnamen handele. Allerdings frage er sich, ob die Pfadfinder denn auch wüssten, wie
ihr Gelände zu seinem Namen gekommen ist.
Nach Ansicht von Wortexperten sei zu Beginn der Besiedlung dieses Teils von Westfalen durch die Sachsen die Umgebung der Dörfer und Städte „Mark“ genannt worden. Die „Mark“ oder auch „Feldmark“ sei
Allgemeinbesitz gewesen. Erst später habe die Aufteilung der Mark an einzelne Siedler und Bürger begonnen. Bereiche, die dabei übrig blieben, seien eingehegt worden und als allgemeine Weideplätze für
die Tiere ausgewiesen worden. „Man nannte sie ,Hammark‘. Das bedeutet allgemeiner Weideplatz aus ,ham‘ und ,mark‘“, erklärt Book.Der Begriff sei ein altgermanisches Wort und bedeutete „heimische
Mark“ vergleichbar mit dem Begriff „Allmende“ der im Hochdeutschen erhalten geblieben ist.
Später habe sich der Begriff in „Hammrik“ gewandelt, wobei die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen sei. Nur die Endung „rik“ habe an „reich“ – „Reich“ denken lassen. „Da wurde das Wort zum
„Himmelreich“, meint Book. Denn „darunter konnte man sich etwas vorstellen“.Diesen Vorgang nenne der Fachmann Volksetymologie. Das bedeute: „Wörter, die das Volk nicht versteht, macht es sich durch
Drehen und Wenden mundgerecht und irgendwie sinnvoll und verständlich.
Dafür gibt es viele schöne Beispiele unter anderem mit einer neuen Kartoffelsorte in Norddeutschland. Die Sorte war ,Magna bona‘ getauft worden. Das heißt ,Große Gute‘. Nach wenigen Jahren hieß sie
bei den Bauern ,Manken de Bohnen‘, was ,zwischen den Bohnen‘ bedeutet. Die neue Bezeichnung war auch nicht ganz richtig, aber darunter konnte man sich wenigstens etwas vorstellen“, erklärt Book.Als
das Urkataster 1830 von den preußischen Beamten erstellt worden sei, sei der Name „Himmelreich“ auch offiziell eingetragen worden.
So wie Sendenhorst sei es vielen niederdeutschen Dörfern und Städten ergangen. Münster, Telgte, Warendorf, Osnabrück, Rheine und Cloppenburg hätten ihr „Himmelreich“. In Münster gibt es auch eine
„Himmelreichallee“. „Weideplätze wurden für die Allgemeinheit überall benötigt“, erläutert Heinrich Book.
Warum Sendenhorst nicht Schorlemer heißt J. Thesing - Dr. Book | 11.9.2010
Sendenhorst - Sendenhorst: Warum liegt die Stadt Sendenhorst, wie so viele unsrer Nachbarstädte, nicht an einem Gewässer? Rein zivilisatorisch hätte das durchaus Sinn gemacht. Doch dann hätte die Siedlung auch Schorlemer heißen müssen.
Der Name Schorlemer ist zugleich Name einer bedeutenden Familie, die ihren Stammsitz hier in Sendenhorst
hatte und Name der Bauerschaft im Bereich des heutigen Industriegebietes Schörmel. Der Name Schörmel leitet sich, nicht wie bei Heinrich Petzmeyer in seiner Stadtgeschichte beschrieben, von
„Schierlingssumpf“ ab, sondern, wie von Dr. Book nachgewiesen, von dem altsächschischen Wort für Schorlemer ab.
Dafür sprechen auch die Ausgrabungen bei der VEKA AG im Jahre 2004/05. Bei diesen wurden ein Adelshof des 11. bis 12. Jahrhundert entdeckt, dabei wurden die ältesten Schachfiguren Westfalens, sowie
zwei Backgammon-Steine entdeckt. Leider verstarb H. Petzmeyer bereits 1995 und konnte somit diese Ausgrabungen nicht mehr erleben. Seine Stadtgeschichte von 1992 ist jedoch nach wie vor ein absolutes
Muss.
An der Angel gab es laut Dr. Book mindestens vier Mühlen, so dass hier eine ideale Keimzelle einer neuen, größeren Siedlung hätte sein können. Die Hofesgruppe Sendenhorst, die aus 3 Urhöfen bestand,
lag 400 Meter westlich der heutigen Kirche. Sie wird 900 das erste mal schriftlich in der Werdener Urbaren erwähnt (Seondonhurst) = Abgabenverzeichnis für das Kloster (heute Bereich Geist, Friedhof,
Realschule). Seondenhorst, so die ursprüngliche Schreibweise, war eine Bauerschaft wie alle anderen in der Umgebung auch, nur das sie nahe des Schnittpunktes zu den anderen Bauerschaften lag. Sie
wurde somit zum Namensgeber. Die Keimzelle Sendenhorsts waren sechs Höfe, die aus Teilung der drei Urhöfe hervorgegangen waren. Hof 1: Rüschey - Göbelenhove // Hof 2: Tergeist - Geisterholt // Hof 3:
Pastoratshof - Haus Sendenhorst. Die genannten Ortsbezeichnungen sind jedoch nicht mit heutigen identisch.
Die damaligen Bauerschaften waren: (Datum Ersterwähnung): Elmenhorst (880), Geilern (880) – später zu Rinkhöven, Ramshövel (880 später zu Bracht), Sendenhorst (900) , Schörmel (9. Jhdt.) Wann genau
die Pfarrei Sendenhorst gegründet wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Man nimmt an Mitte des 12. Jhdt. . Das Kirchdorf Sendenhorst wird 1175 zum ersten mal urkundlich erwähnt.
Warum der Standort für die 1. Kirche gewählt wurde, hatte folgende Gründe: Der Punkt, an dem sich heute auch die 1865 fertigestellte 2. Kirche St. Martin steht, ist zum einem der relativ höchste
Punkt der Umgebung auf dem von West nach Ost laufenden Kiessandrücken. Dies kann man daran erkennen, dass noch heute alle Straßen zur Kirche hin deutlich ansteigen. Zum anderen befand und befindet
sich die Kirche im Schnittpunkt der umliegenden Bauerschaften. Die Gründung der Siedlung erfolgte somit von außen nach innen, intra. Die erste Nennung der Pfarre ist nicht gleich zu setzen mit dem
Stadtgründungsdatum.
Als Stadtgeburtstag wird heute der 11.08.1315 gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte Sendenhorst bereits Stadtrechte, es handelt sich bei dem Datum um die erste urkundliche Erwähnung. Stadtgründer war
"ein paar Jahre davor" der münstersche Fürstbischof Ludwig II. von Hessen. Das genaue Gründungsdatum ist leider unbekannt. Somit liegt das 700-jährige Stadtjubiläm noch 6 Jahre entfernt.