Zu Spitzenzeiten gab es im Ort mindestens 12 Brennereien, dazu kamen etliche im Kirchspiel, sowie zahlreiche "Illegale". Die 12 hat der Heimatverein im Jahre 2007 in einem "Pfad" zusammengefasst. Den Kornbrennern ➦ (usse Siete) ist ein eigenes Kaptel gewidmet.
Von Münster kommend konnten Besucher der Stadt Sendenhorst das Anwesen Graute-Hesse nicht übersehen, da sie direkt auf das große Haupthaus zufuhren. Die Brennerei Graute-Hesse wurde im 1. Viertel des
19. Jahrhunderts von Christian Silling sen. gegründet. Spätere Besitzer waren die Familien Westhoff und Meyer. Der Brennvorgang erfolgte anfänglich auf dem von J.H. Leberecht Pistorius erfundenen
Destilliergerät, bevor zur Mitte des 19. Jahrhunderts Geräte zur Alkoholgewinnung aus Getreide mit indirekter Dampffeuerung entwickelt und gebaut wurden.
Die Brennerei Graute-Hesse bekam im Frühjahr 1923 eine solche Dampfkesselanlage mit einer Leistung von 8 bar. Brennereibetriebe hatten auch stets eine größere Viehhaltung, um die bei der
Branntweinherstellung anfallende Schlempe zu verfüttern. Viel Zeit nahmen der Transport von Jauche und Mist und der Viehtrieb durch die Stadt zur Weide in Anspruch und sorgte vermischt mit den
Brennereidünsten für eine beträchtliche Geruchsbelästigung der Sendenhorster Bürger. Dies, die Veränderungen des Marktes und der politische Wille zur Stadtsanierung führten zwischen 1970 und 1980 zur
Stilllegung aller noch arbeitenden Brennereien in der Innenstadt. Den Graute Besitz erwarb die Familie des Bildhauers Bernhard Kleinhans, sanierte das Haupthaus denkmalgerecht und bereicherte damit
erheblich das Sendenhorster Stadtbild.
2. H. Brüning & Schulze Roetering
An dieser Stelle befand sich bis Mitte der 1980er-Jahre die 1767 gegründete Brennerei H. Brüning & Schulze Roetering. Die nicht mehr existierenden Wirtschaftsgebäude standen links dieses
Wohnhauses und zogen sich südlich bis zum Kühl. 1767 gründet Joan Theodor Fiehe die Brennerei und übergibt sie 1783 an seinen Sohn Johann Heinrich weiter.
Dessen Witwe führt mit ihrem zweiten
Mann Johann Theodor Schwarte ab 1807 die Brennerei. Heinrich Brüning heiratet in die Familie ein und führt ab 1850 die Geschäfte. Im Jahre 1866 wird in diesem Haus die Sendenhorster Sparkasse
gegründet, und Heinrich Brüning wird erster Sparkassen-Rendant. Er wird in den Provinzial-Landtag gewählt. Sein Schwiegersohn, Bernhard Roetering, Rittmeister der Reserve, erbt 1884 den Betrieb. Er
leitet als 3. Rendant 39 Jahre die Sparkasse Sendenhorst und übergibt die Brennerei 1924 seinem Sohn Heinrich. Dessen Neffe Wolfdieter Gaßner übernimmt den Brennereibetrieb 1962. Nach der
Stadtsanierung wird die Brennerei auf den Hof Schulze Roetering nach Ahlen-Borbein verlegt. Seit 2003 setzt sein Sohn Martin Schulze Roetering die Familientradition als Gemeinschaftsbrennerei H.
Brüning & Schulze Roetering bereits in der 8. Generation fort.
In drangvoller Enge betrieb hier im Haus Nr. 106, zwischen heutiger Kirchstraße und Schlabberpohl, seit Beginn der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts Edmund Panning das Kornbrennergewerbe. Eine Schankwirtschaft existierte bereits um 1856. Die Rückseite seiner Hausstätte grenzte an die Synagoge der jüdischen Gemeinde. 1888 versteuerte die Brennerei
Panning ca. 50 hl Branntwein oder 5,8% der Sendenhorster Produktion. Mit seinem Nachbarn, dem Apotheker Pottmeyer, verband ihn ein jahrelang währender Streit, da dieser sich durch Brennereiabwässer,
üblen Geruch, einen zu niedrigen Schornstein und starke Geräusche belästigt fühlte.
Erst durch Intervention des Landrates Fenner zu Fenneberg konnte dieser Streit 1928 beigelegt werden. Während der NS-Zeit diente das Wohnhaus, im Volksmund auch „Das braune Haus“ genannt, der
NS-Ortsgruppe als Versammlungslokal (H. Petzmeyer). 1944 ging der Besitz durch Erbschaft an Dr. Hallermann. Brennerei und Gastwirtschaft wurden danach noch lange von den Familien Zurmühlen,
Bröggelhoff und Kersting betrieben, bis das Gebäude im Verlauf der Stadtsanierung dem Schuhhaus Wiedehage weichen musste.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde an dieser Stelle von dem Gastwirt Anton Neuhaus eine Brennerei betrieben. Über die Leistungsfähigkeit und die Produkte dieser Brennerei ist nichts mehr bekannt.
Später befand sich hier die Gaststätte Suermann, welche lange von den Geschwistern Gertrud und Josefine Suermann geführt wurde. Nach dem Tod von Gertrud Suermann im Juni 1959 übernahm das Ehepaar
Hubert und Lieselotte Wessel bis zur Stadtsanierung diese Traditionsgaststätte mit Saal. Sie war auch das Vereinslokal des Kirchenchores Cäcilia und des Gesellenchores. Als die Bauern noch an Sonn-
und Feiertagen mit der Kutsche zur Kirche fuhren, konnten die Pferde im hinteren Teil der Gaststätte in Boxen untergestellt werden. Heute befindet sich hier das Wohnhaus der Familie Melzer.
7. Laink-Vissing
Wo heute die Gaststätte „Zur Börse“ zum
Besuch einlädt, wurde bis Mitte der 1960er-Jahre in der Kornbrennerei Laink-Vissing Sendenhorster Korn gebrannt. Im heutigen Gastzimmer der Gaststätte befand sich die Brennerei, das Kesselhaus und
der Schornstein standen im jetzigen Biergarten. Gastwirt Wilhelm Böcker gründete um 1791 diese Brennerei an der Oststraße. Er hatte das Hefeverfahren, das er in Holland erlernte, in Sendenhorst
eingeführt. Sein Sohn Johann Bernhard übernahm dann die Brennerei, dessen Tochter Clara heiratete 1873 Johannes Laink-Vissing aus Wüllen. Der Sohn aus dieser Ehe, Heinrich Laink-Vissing, heiratete
1910 Elise Ostermann aus Walstedde. Elise Laink-Vissing übergab Anfang der 1950er-Jahre die Brennerei an ihren Neffen Willy Hankmann. Die Wappen der Familien Laink-Vissing und Ostermann und das
Westfalen- und das Stadtwappen sind noch heute als Glasbilder in der Gaststätte „Zur Börse“ zu sehen.
8. Ferdinand Silling
Das Haus Oststraße 17 war bereits lange vor der Blütezeit des Branntweinbrennens Heimstätte dieses Handwerks. Das Brandkataster von 1768 kennt bereits fünf „Fuselbrenner“, und einer war der Bürgermeister Suermann, er betrieb seine Brennerei an der Oststraße 17 (später Silling) in einem angezimmerten Brennhaus von drei Gefachen. Die Familie betrieb das Branntweinbrennen nebenberuflich bei Bedarf, vorrangig in den Wintermonaten. 1857 wurde beim Brenner Ferdinand Silling der erste Dampfkessel installiert. Der Volksmund sprach hier übrigens nur von „Osten-Silling“, weil an der westlichen Peripherie ebenfalls eine Brennerei Silling existierte, die in der Bevölkerung nur „Westen-Silling“ genannt wurde. In der Gaststätte konnten die Bürger der Stadt sich sillingschen Korn holen, der aus einem Fass im Keller zur Theke gepumpt und in den mitgebrachten Flachmann abgefüllt wurde. Silling hatte natürlich die zur Brennerei gehörende Viehhaltung und betrieb auch einen Ausspannhof.
9. Everke
Bis zur Stadtkernsanierung wurde hier die landwirtschaftliche Brennerei J.H. Everke betrieben, die etwa um 1796 als Dampfkornbrennerei von dem Kaufmann Heinrich Everke gegründet wurde. In den 1930er Jahren exportierte die Brennerei Everke mit großem Erfolg eigenen Korn, Liköre und sogar ein Whiskey-Imitat nach Übersee. Die späteren Brennereibetreiber, Wilhelm und Franz Everke waren von 1907 bis 1976 zusammen 60 Jahre Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Sendenhorst. Die damalligen Gebäude sind 1984 einem modernen Wohn- und Geschäftshaus gewichen. Nach fast 180 Jahren Brennereitradition war Ekhart Everke, der letzte Brennereibesitzer.
Bis 1975 stand hier die Gaststätte Jönsthövel, zu der auch eine Kornbrennerei gehörte, die um 1830 durch Heinrich Beumer gegründet worden war. Das für das Brennen nötige Getreide wurde von der Straße aus mit einem Balkenaufzug auf den Dachboden des Wohnhauses befördert und dort gelagert. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erwarb die Familie Jönsthövel das Anwesen. Sie richtete eine Schankwirtschaft ein, in der nicht nur der hausgebrannte Korn, sondern auch die wichtigsten Lebens- und Verbrauchswaren wie Zucker, Salz, Waschmittel und Petroleum verkauft wurden. Zudem standen für die Pferde und Kutschen der in der Bauerschaft lebenden Familien Ausspann- und Unterstellmöglichkeiten zur Verfügung. 1945 diente Haus Jönsthövel der belgischen Besatzung für ein Jahr als Offizierskasino. Doch schon bald danach konnte die Gaststätte wiedereröffnet werden. Nach dem Tod Theodor Jönsthövels im Jahr 1961 wurde seine Nichte Hermine Schulte Besitzerin. Im Rahmen der Stadtsanierung wurden Haus und Brennerei abgebrochen und das Gelände neu bebaut.
11. Westen-Silling
An dieser Stelle befand sich früher die kleine Brennerei von Heinrich Silling. Der Volksmund nannte sie stets nur „Westen-Silling“, weil es auch am östlichen Ortsrand eine Brennerei
Silling gab, die folglich „Osten-Silling“ genannt wurde. Heinrich Silling stellte schon sehr früh Liköre her, die er auch selbst vermarktete. Frau Silling betrieb im Vorderhaus ein Textilgeschäft.
Nachkommen aus dieser Familie sind nicht mehr in Sendenhorst wohnhaft. Ein wertvoller alter Grabstein erinnert auf dem Friedhof an Heinrich Silling..
12. Bonse
Rings um Sendenhorst zogen sich in früherer Zeit zur Sicherung des Ortes ein Graben und eine Walllandschüttung, die
1773 gänzlich eingeebnet wurde. Um 1880 gründete Theodor Bonse im Süden der Stadt eine Kornbrennerei. Sein Sohn Eberhard Bonse errichtete dazu auch einen Schornstein jenseits des zugeschütteten
Grabens auf festem Wallland. Den nötigen Abzug erbrachte ein Schacht, der unter der jetzigen Promenade vom Kesselhaus zum Schornstein führte und einmal im Jahr zur Reinigung durchkrochen werden
musste. 1972 vereinigten sich die Brennereien Bonse und H. Brüning & Schulze Rötering zu einer Gemeinschaftsbrennerei innerhalb des Ortes. Rudolf Bonse, der letzte Brennereigutsbesitzer der
Familie, starb 1980.