Heimatverein Sendenhorst e.V. seit 1925
Heimatverein Sendenhorst e.V. seit 1925

Überschrift

Meine Erinnerungen und unser gemeinsames Erleben in russischer Gefangenschaft von 1945 - 1947
 

Wenn auch alles schon längst vorbei ist und die Welt noch nicht zur Ruhe gekommen ist, wenn schon wieder die Welt anfängt kriegerisch zu werden, so möchte ich doch meine Erinnerungen so gut es geht aufzeichnen um nicht zu vergessen wie es war. Das Jahr 1944 ging zu Ende. Meine Weihnachtsferien konnte ich noch in Hamburg im Kreise der Familie verbringen. Wie ein Alpdruck lag es jedem Deutschen auf der Seele, wie wird die Zukunft werden. Unaufhörlich flutete die deutsche Wehrmacht zurück. Dem Druck der feindlichen Fronten konnte keinen Einhalt mehr geboten werden. In Ostpreussen tobt nach den Wehrmachtsberichten ein schwerer Kampf. Der Volkssturm ist aufgerufen worden um den grossen Druck im Osten aufhalten zu können.

Auch ich hatte Nachricht erhalten sofort nach Freiburg in Schlesien zurück zu kommen. Lt. Befehl hatte ich an einen Waffenkursus teilzunehmen. So blieb mir nichts anderes übrig als Hamburg zu verlassen. Am 1. Jan. ging es um 4 Uhr los. Hamburg hatte auch am Vortage einen schweren Angriff gehabt. Die Strassenbahnlinien waren zum Teil gestört. So musste ich schon früh unterwegs sein um den fahrplanmässigen Zug zu erreichen der nach Berlin fährt. An diesem Morgen war es bitter kalt und ich mußte meinen Weg zum Hauptbahnhof zum Teil zu Fuß zurücklegen. Aber ich hatte Glück den fahrplanmässigen Zug neh Berlin zu erreichen. Ich verließ das orennende Hamburg und ich ahnte nicht, daß ich noch schwere Tage erleben sollte. Um 11 Uhr war ich in Berlin. Als der Zug Berlin-Friedrichstraße noch nicht erreicht hatte, gab es schon voll-Alarm und ich hatte das Glück im grossen Bahnhofsbunker Deckung zufinden. 3 Stunden war alles zu Ende und ich konnte sofort einen D Zug benutzen der mich nach Liegnitz brachte. Von dort aus ging es über Königszelt nach Freiburg, wo ich um 23 Uhr landete. Aber wie hatte sich dort alles verändert. Der Bahnhof, die Hotels und die Betriebe. Das Hotel Lindenhof war mit Flüchtlingen belegt und es sollte nur noch ein kleines Bild sein, von dem was ich noch erleben sollte. Bei uns im Betrieb sah es auch recht traurig aus. Wir konnten nicht mehr voll arbeiten, weil die Stromzufuhren zum Aufträge hatten wir in Teil gesperrt waren. Hülle und Fülle, aber wir kamen nicht vorwärts. Am 5. Jan. mußte ich in Schweidnitz sein. Es waren alles ältere Leute die dort ausgebildet wurden. In einem alten Gymnasium wurden wir einquartiert. Die Schulräume waren mit Stroh belegt. wir nahmen alles lächelnd hin. An das Soldatenleben mußten wir uns ja gewöhnen. Morgens um 6 Uhr wurden wir geweckt und dann gab es eine Stunde Waffenlehre. Um 8 Uhr mußten wir antreten und dann ging es Abteilung Marsch zum Film. Der dauerte aber nur eine Stunde. Dann ging der Dienst weiter und wir wurden am Maschinengewehr, Carabiener, Panzerfaust usw. ausgebildet. Die Ausbildung dauerte 8 Tage. Als ausgebildete Volkssturmmänner wurden wir entlassen. Es war mal einen kleinen Einblick hatten was anderes. wir in das Leben eines Soldaten bekommen.

In Freiburg nahm das Leben seinen gewohnten Gang. Aber innerlich war jeder unruhig. Es kamen immer mehr zurückflutende Flüchtlinge. Es war kaun Platz diese Leute nocn unterzubringen. Zurückkommende Wehrmachtsteile gehörten zu den Alltäglichen. Wilde Parolen tauchten auf. Durch Rundfunkansprachen wurde das Volk etwas beruhigt, aber die vorahnung, daß jeder noch viel durch- machen muß, drückte jeden. So kam auch der 22. Jan. Früh morgens um 9 Uhr bekam ich per Telefon Nachricht, daß ich, sofort um 14 Uhr mit 1 Tag Verpflegung am Bahnhof Freiburg anzutreten hatte. Mir blieb nichts anderes übrig als sofort meine Sachen einzupacken wozu ich noch ein Mann Hilfe mitgenommen hatte. Meine Koffer gab ich zu treuen Händen im Betrieb auf mit der Weisung diese sofort nach Hamburg zu schicken. Aber ich habe nichts mehr davon gehört und gesehen. Um 2 Uhr ging die Fahrt los und um 6 Uhr waren wir in Breslau. 4 Stunden haben wir doch gebraucht um die 50 km zurückzulegen. Wir hatte Befehl uns im Zwinger eines vornehmen Gesell-schaftshauses zu melden. Aber ehe wir da waren, - war es schon 8 Uhr. Dort wurden wir registriert und wir konnten es schon erleben wie Volkssturmmänner verwundet, zerschossen und verdreckt vom Einsatz zurück kamen. Da wurde es uns schon so langsam anders ums Herz. Sofort nach unserm Ein treffen wurden wir oberflächlich geprüft und schon einer kl. Einheit zusammengestellt. Diese sollte sofort zum Einsatz kommen. Zu diesem Kommando gehörte ich auch. Aber ich habe es docl vorgezogen leise weinend zu verduften. Die gan Sache war mir doch zu gefährlich. Ich war auch nicht mehr zu finden. Im grossen Haufen war i untergetaucht. Wie wir Nachts geschlafen haber kann sich jeder denken. Aber es wurde wieder Morgen und da ging es los. Exerzieren, Waffenlehre usw. Auch hatten wir ab und zu frei. Alles war am packen, was war in Breslau los. Lastwagen nach dem andern verließ Breslau. hier wieder zurückflutende Wehrmachtsteile un endlose lagen Trecks. Ich wurde als Maschinergewehrschütze ausgebildet. Nach ein paar Tag wurden wir eingekleidet. Wir bekamen ganz ne Polizeiuniformen eine Feldmütze und Stahlhel Aber Stiefel gab es nicht. Ich hatte ja noch gute Schuhe. Der Dienst wurde immer schärfer. Wir hatten Scharfschießen und wurden in der Hauptsache an den Panzerfäusten ausgebildet. Wir wurden zu einem Spezial-Panzervernichtungstrupp ausgebildet. Wir hatten die Anschrift "Kampfgruppe Makensen" usw. Einmal Nachts gab es Alarm. Daß die Front immer näher rückte, konnten wir mit jedem Tage feststellen. Wir wurden auf Lastwagen verladen und kamen morgens in Liegnitz an. Wir bezogen Quartier im Gasthof zum Lindenhof. Dieser Gasthof lag etwas außerhalb von Liegnitz. Die Trecks die dort auf der Landstraße lagen, es war ein Trauerspiel. Frauen mit Koffern auf den Schlitten und kleine Kinder am Arm waren Tag und Nachts unterwegs. Es war eine Flucht ins Ungewisse.
 

An die Front

Hier waren wir mehrere Tage bis wir wieder Nachts aufbrechen mußten. In aller Eile wurde alles verladen und es ging in Richtung Grünberg. Diese Fahrt dauerte 2 Tage. Es war auch mit Umständen verbunden. Verschneite Wege, es wurde ja mit Holzgase gefahren. Wiederum wurden wir in einer Schule untergebracht. Der Ernst des Lebens ging da schon etwas los. In den Vororten von Grünberg war der Russe eingebrochen, aber wieder zurückgeschlagen worden. Nachts mußten wir um Grünberg herum Wache stehen. Ganz deutlich konnten wir schon die Front erkennen. Die Lage wurde immer bedrohlicher für uns. Sofort wurden wir eingesetzt um in der Gegend, wo der Russe gehaust hatte, das noch vorhandene Vieh zu holen. Wir kamen in kleinere Ortschaften. Dort konnten wir deutlich die Spuren der Kämpfe sehen, die dort hinterlas. sen wurden. Die Straßen waren durch die Panzer zerwühlt und russische Munition lag überall herum. An einem Dorfteich am Ausgang eines kl. Dorfes lag ein toter Russe. Der Kopf war kahl geschoren, es machte doch einen eigenartigen Eindruck. Baumlängen weiter lag wieder einer. Wir hatten alle das Gefühl wir sind drinn im Schlamassel. Gnade Gott. Ich hatte mit meinem M.G. eine Straßenkreuzung zu bewachen, während die andern Männer in den Gehöften das noch vorhandene Vieh abholten. Da keine Gefahr bestand gingen wir doch im Ort etwas los, denn es gab immer etwas Neues.zu entdecken. So kamen wir auch an einen, Friedhof. Dieser lag auf einer kl. Anhöhe und von dort aus konnten wir die Front wirklich sehen. Die ersten Eindrücke kann man so leicht nicht vergessen. Ganz deutlich konnten wir die einschlagenden Granaten sehen. Kaum hatten wir den Friedhof betreten, da sahen wir schon, daß hier schwer gekämpft worden war. Den ersten Toten den wir sahen war ein deutscher Soldat. So jung wie er noch war. Ganz friedlich lag er an einem alten verwitterten Grabstein, als wenn er schlief. Die Hände hatte er gefaltet als wenn er noch am Beten wäre. Es war so ergreifend, daß wir nur niederknien konnten und für ihn beten. Herr gib Ihnen die ewige Ruhe. Wir nahmen Abschied von den vielen toten Kameraden die hier lagen. Wir kamen auf einen Bauernhof woreine Scheune noch am brennen war. Auf diesem Gehöft waren noch Leute. Die schilderten uns von dem schrecklichen Kampf der hier gewesen war. Wir bekamen sofort heiße Milch mit Zucker und schönes Weißbrot, wir hatten ja auch einen guten Appetit. Lange konnten wir uns auch nicht aufhalten. Jeden Augenblick konnte der Russe wieder zurück kommen. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten mit ihren Kühen die noch in den Ställen angebunden waren, ins Dorf. Als alle zurück waren ging es mit dem Vieh zur Sammelstelle Von dort aus wurden wir wieder verladen und kamer Abends spät wieder in Grünberg an.

Von einem Bauernhof hatte ich noch einen schönen Topf Schmalz mitgenommen. Davon habe ich noch lange gezehrt. Andere Abteilungen kamen in der Nacht zurück, die hatten schon Feindberührung gehabt. Also die Sache wurde immer brenzlicher. Unsere Abteilung mußte noch in der Nacht auf Wache. Wir waren mit Panzerfäusten bewaffnet um einen russischen Panzerangriff, der jeder Zeit erwartet wurde, abzuwehren. Im Morgengrauen, als ich gerade Wache hatte, kam Kontrolle von der Wehrmacht, welche wir unterstellt waren. Ich hatte meine Panzerfaust in einer Gartenhecke gestellt, denn das schwere Ding wollte ich nicht immer mit herum schleppen. Die Kontrolle hatte dieses aber bemerkt und diese dann anderswo versteckt. Ich mußte nun unbewaffnet Meldung machen so gut es ging. Als ich der Kontrolle meine Waffe zeigen sollte bekam ich doch eine gute Zigarre. Aber ich nahm die Sache nicht so tragisch, ich war ja nur ein halber Soldat. Unsere Wachstube war ein allein stehendes Haus. Die Leute waren geflüchtet. Es war aber auch traurig. Die Spielsachen von den Kindern lagen noch auf dem Tisch und in den Schränken hingen noch die Kleider und die schönen Anzüge.

Am andern Morgen wurden wir abgelöst und hatten Ruhe. Mittags um 2 Uhr gab es Alarm. Sofort mußten wir Feldmarschmässig antreten und wurden auf Omnibussen verladen und es ging in Richtung Christianstadt am Bober. Es war als wenn ich es ahnte. Ich schrieb am selben Tage von Grünberg aus 2 Karten. Ich dachte nicht, daß es für lange Zeit die letzten sein sollten. In Christianstadt auf dem Markt wurde halt.gemacht. Dort mußten wir unsere überflüssigen Sachen abgeben, auch meinen Schmalztopf. Nur mit leichtem Sturmgepäck durften wir wieder einsteigen. Aber dieses Gefühl. Nun ging es über den Bober in Richtung Naunburg. Als wir eine kleine Anhöhe erreicht hatten, sodaß wir etwas freie Sicht haggen da bekamen wir von rechts, aus einem Wald einen mächten Feuerüberfall. Die Scheiben an unserem Omnibus zerspitterten. Es war ein Schreien und Fluchen. Ich sprang mit meinem M.G. durch die Scheiben und war auch schon sofort im Straßengraben. Die Verwundeten schleppten sich so gut es ging auch in den Straßengraben und mit 7 Toten rollte der Bus rückwärts wieder die Anhöhe herunter. Wir aber hatten die Nase voll vom Krieg. Wir mußten bleiben wo wir waren. Die Verwundeten wurden zurückgeschafft und wir mußten querfeldein nach Naunburg. Als wir dort ankamen war alles in Aufregung. Morgens war der Russe noch da gewesen. Der Bürgermeister war von den Russen erschossen. Was wir noch in den Geschäften auftreiben konnten nahmen wir mit. Es waren nur Lebensmittel. Als es anfing dunkel zu werden mußten wir Stellung beziehen in einem Wald der 1 km von Naunburg liegt. Wir zogen es aber vor, uns im Walde zurück zu ziehen. Wieder kam der Befehl zu bleiben. Wir hatten alle das Gefühl, mit Gewalt den Heldentod zu sterben. Nachts wurden wir abgelöst und kamen in einer Wirtschaft unter. Diese war aber mit Wehrmacht überfüllt. So kamen wir dann morgens in einem anderen größeren Hause unter. Wir wurden gut verpflegt und hatten vorläufig Ruhe, Hier fühlten wir uns auch sicher denn wir hatten den Bober hinter uns gelassen. Aber nachmittags ging es schon wieder los und wir kamen in Forst an. In einer ganz im Walde versteckten Munitionsfabrik wurden wir untergebracht. Hier war es ganz gut und wir richteten uns auch häuslich ein. Aber es sollte auch nicht lange dauern. Wir mußten unsere Habseligkeiten wieder zusammen packen. Unser Gepäck wurde auf Lastwagen gestellt und nun ging es in Richtung Benau, wo wir im Bahnhofsgebäude einquartiert wurden. Abends spät mußten wir wieder antreten. An einem großen Bauerngehöft stiegen wir ab. Dort bekamen wir folgende Instruktion. Der Wald der vor uns liegt ist zu besetzen. Der Russe, der an der andern Seite liegt, hat dort die Bauernhöfe besetzt. Sollte er in der Morgendämmerung angreifen, so ist die Stellung zu halten Nun wußten wir warum es ging. Im Gänseschritt ging es durch verschneite Felder zum Walde. Es durfte nicht geraucht auch nicht gesprochen werden. Dann ging es durch eine schmale Waldschneise. dem äußersten, Waldrand zu. Lautlos wurden die alten Volkssturmmänner am Waldrand verteilt. Es waren alles Leute von 45-60 Jahren. Ich mußte mich auf einen kleinen Hügel eingraben so gut es ging. Es war so dunkel, das man die Umgebung nur schwer erkennen konnte. Wir hatten bald ein schönes Loch fertig und ich konnte mit meinem Munitionsträger über das nachdenken, was uns noch bevor stand. Die Luft war so ruhig, kein Lüftchen regte sich. - Wir konnten vom weiten die Zurufe der Russen hören. Es schien als wenn es Kommandos waren. Ich konnte es immer noch nicht begreifen, das ich nun wirklich an der russischen Front war. Aber es war ja doch Tatsache geworden. Ganz aus der Ferne konnten wir das Rasseln der feindlichen Panzer hören. An allem konnten wir annehmen, daß etwas in Vorbereitung sein mußte Auch vereinzelte Gewehrschüsse belebten die -Nacht. Im hinteren Teil des Waldes hatte sich eine Artillerie-Abteilung eingegraben. Ab und zu heulten die Granaten über uns hinweg. Abis schuß und Einsatz konnten wir gut feststellen. Für mich war diese traurige Tatsache noch etwas Neues. Aber eigentlich wurde mir zu Mute, als wenn einer heran gekrochen kam und ich den Befehl erhielt, an einem Stoßtruppunternehmen teilzunehmen. Ich lehnte dieses Angebot ab, denn mir viel auf einmal ein das ich ein Geschwür am Knie hatte. Ich kam auch damit durch. Ich habe die armen Kerle bedauert die nun los mußten. Es dauerte nicht lange da ging auch schon die Schiesserei los. Im Morgengrauen wurde es überall lebendig. Da knallte es hier und dort. Auch wurden Vereinzelt Verwundete zurückgetragen. In unserm Schützenloch mußten wir schon vorsichtiger sein, denn die Nacht war vorbei. In der Ferne konnten wir mehrere Bauernhäuser ausmachen. Dann kam der Befehl und wir mußten unser geliebtes Schützenloch verlassen und am Waldrand in Stellung gehen. Die uns gegenüber liegenden Bauernhöfe, worin der Russe war, sollten genommen werden. Ich sollte mit meinem M.G. den Angriff decken. Kaum hatte ich das Schützenloch verlassen da ging das Theater los. Es krachte nur so um uns herum und wir mußten erst hinter einem aufgestapelten Holzhaufen Deckung suchen. Es nützte nichts ich mußte weiter. Zwischen dichten Tannenbäumen baute ich mein MG auf, so gut es ging haben wir uns noch getarnt. Es konnte nun los gehen.

Das Trauerspiel begann als die alten Volkssturmmänner, welche bis jetzt schweigend noch im Schutze des Waldes lagen, heraus treten mußten. Es war ein Laufen, Springen und hinter jeden Strauch nur Deckung suchend sollten die gegenüberliegenden Bauernhäuser genommen werden. Keiner ist so weit gekommen. Sie liefen, fielen und standen nicht mehr auf. Im rasenden Abwehrfeuer der Russen kam keiner durch. Als ich nun aber das Sinnlose dieses Mordens gesehen hatte, war es als wenn mich eine unsichtbare Hand zurück. Ich gab meine Stellung einfach auf und ging im Wald zurück. Es war doch alles zwecklos. Hinter jeden Baum Deckung suchend erreichte ich einen kl. Hügel. Dahinter lag eine Gruppe von Offizieren. Ich bekam sofort den Befehl wieder nach vorne zu gehen. Ich zog es aber vor einen grossen Bogen um den Feldherrnhügel zu machen und kam auch am Ausgang des Waldes wieder an. Dort traf ich noch den Kameraden Max Bensch aus Sarau (Schlesien) Wir suchten nun die Waldschneise wieder auf, wo wir gekommen waren. Diesen Weg gingen wir wieder zurück. Wir mußten uns beeilen, denn hinter uns war eine tolle Schießerei. Zeit durften wir nicht verlieren. Wir mußten raus aus dem Walde. Durch eine junge Tannenschonung erreichten wir wieder ein kl. Waldstück. Nun war der Traum bald aus. In den Wäldern links und rechts und vor uns nur eine Schießerei. Wir waren also schon eingeschlossen. Aber was nun. Es wurde alles überlegt. Wir mußten weiter oder uns verstecken. Freiwillig in Gefangenschaft zu gehen war auch gefährlich, denn wie bekannt schoß der Russe doch alles über den Haufen. Von diesem Waldstück aus, welches auf einem kl. Hügel lag, konnten wir das Vorfeld gut übersehen. Dort unten rechts mußte der Bober sein und auf der Straße nach Norden fuhren dichtbesetzte russische Panzer. Reitertrupps galoppierten über die Ebene, die vor uns lag. Ein Bauernhaus, welches nur 100 Meter vor uns lag war auch schon von den Russen besetzt und nach einer kurzen Zeit ging auch dieses in Flammen auf. Die Schießerei hatte hinter uns nachgelassen. Anscheinend war der. letzte Widerstand der braven Volkssturmmänner gebrochen. Wir waren scheinbar überrannt. Es schien als wenn wir doch von den Russen bemerkt worden sind. Von dem brennenden Bauernhause sonderte sich eine Gruppe von 20 Mann abound bog. von hinten herum in das Waldstück ein, worin wir waren. Nun gab es nur eins, entweder oder. Vorsichtshalber hatten wir unsere Waffen im Laub verscharrt. Widerstand durften wir doch nicht leisten, denn dann hätten wir bei der Gefangennahme doch nur mit dem sicheren Tod rechnen. können. Aber wir entschlossen uns und in aller Ruhe traten wir aus dem Walde und gingen auf das brennende Bauernhaus zu, wo die Russen waren. Ich kann nur sagen, daß ich doch voller Zuversicht war, denn ich konnte doch so viel russisch, daß ich mich doch gut verständigen konnte. Was konnte dann auch noch passieren. Wir hatten den Wald eben verlassen, noch keine 30 mt als ein Russe vom Bauernhause auf uns zu, galoppierte.

Nun gingen wir, die Hände hoch, auf den Russen zu. Als dieser auf Rufweite vor uns war, gab er Schreckschüsse mit seiner MP. ab. Es war ein Kosack. Ganz behände sprang er vom Pferde und kam mit seiner MP. unterm Arm auf uns zu. Aber er sah gar nicht so schrecklich aus wie ich dachte. Als er nun bald an uns heran war begrüßte ich ihn auf in russischer Sprache. Auf Deutsch: Guten Tag Kamerad, Gut du hier. Da ich ja doch wußte, daß ich meine schöne Uhr nicht behalten würde, zog ich es vor, diese jetzt zu verschenken. Ich sagte: Hier Kamerad meine Uhr gut. Ich sah wohl, wie er sich freute aber er war doch etwas mißtrauisch, denn er schaute immer nach den, soeben verlassenen Wald. Er traute sich nicht so richtig. Ich gab ihm zu verstehen, daß dort nichts Soldat sei und da war er auch schon ruhiger. Nun wurden wir gefilzt, er hatte es dabei auch sehr eilig denn es dauerte nicht lange, da waren wir von einer großen Schaar Russen umringt. Alle wollten sie etwas haben. Seine Pferde nahmen die andern mit zurück. Ich bettelte diesen noch, da ich ihm meine schöne Uhr gegeben hatte, um ein paar Zigaretten an und sofort bekam jeder ein paar. So ging es denn mit Dampf in Gefangenschaft. Nun kamen wir an den Bober. Er wollte scheinbar mit uns an das andere Ufer. Aber wie rüber kommen. Sot zog er mit uns etwas nördlich und wir kamen an eine Fähre. Es war ein ganz primitives Ding. Ein Drahtseil war quer über den Bober. gespannt und die Fähre mußte daran. herüber gezogen werden. An dieser Fähre waren wieder Russen und wir wurden wieder gefilzt. Da diese aber nichts finden konnten, waren sie sehr ärgerlich und es kam zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen den Russen und unsern Begleiter. Harte Worte wurden gewechselt und ich bemerkte wohl, wie unser Begleiter auf unsere Seite war. Wir mußten schließlich auf die Fähre. Wir mußten uns aber ganz. vorne auf die Fähre stellen, mit den Fußspitzen noch über die Kantes hinweg. So standen wir wohl 5 Minuten. Aber dabei war es uns doch eigentümlich zu mute. Ich hörte nur wie die Russen hinter uns am Schimpfen waren, was es aber war kann ich nicht sagen, ich konnte es nicht übersetzen. Schließlich setzte sich die. Fähre in Bewegung und wir landeten tatsächlich an das andere Ufer. Wir waren beide froh; denn jeder von uns hatte im Stillen gedacht, daß wir von der Fähre aus abgeschossen werden sollten. Warum mußten wir uns denn so am äußersten Rand der Fähre aufstellen? Aber dieses hatten wir ja wieder hinter uns. Wir überquerten die Straße, über die unentwegt die Panzer rollten und über einen kl. Feldweg kamen wir in ein kl. Bauernhaus an. Dort wurden wir von einem russischen Offizier vernommen. Mein Freund Max kam zuerst dann aber der Russe konnte mit ihm nicht fertig werden und er bekam eine ordentliche Tracht Prügel mit einem eisernen Stockeisen. Sein Kopf blutete mächtig. Als ich an die Reihe kam hatte sich seine Wut gelegt und zu mir war er sehr freundlich. Ich, konnte ja etwas Antwort geben, wegen meiner Sprachkenntnisse. Nun ging es weiter und wir wurden weiter gebracht und kamen auf ein großes Bauerngehöft an, welches an der Hauptstraße lag. Auf diesen Hof ging es lebhaft zu. Draußen wurden Hühner geschlachtet und in der Küche, wo wir durch mußten, roch es ganz appetitlich. Hier wurden wir in die Bauernstuber geführt. Am Tisch saß ein älterer Offizier. Er hatte einen guten und ordentlichen, gar keinen bösen Blick. Er sprach etwas Deutsch und so konnten wir uns gut verstehen. Sogar setzen durften wir uns. Der Kosack, der uns gefangen nahm, war immer noch bei uns. Ich glaube als wenn er seine Prämie abholen wollte Ich mußte ihm alles erzählen und als dieses Verhör beendet war, berichtete ich, wie es in Deutschland war und über die Stimmung an der Front. Jetzt mußte ich auch ein feiner Diplomat sein, daß wußte ich. Man nennt es auch etwas radfahren. Ich erzählte. ihm, daß ich hoch erfreut sei über die Disziplin der russischen Soldaten. Es wäre uns immer gelehrt worden wenn wir in Gefangenschaft kommen würden, niemals mehr herauskommen würden, sondern so schnell wie möglich liquidiert würden. Dieses Grauen stände den Deutschen Soldaten immer vor Augen. Das sei der Grund weshalb sich die Deutschen Soldaten immer so wehrten. usw. Ich hatte so überzeugend gesprochen,

Daß sage, und schreibe dieser Offizier mir anbot, wieder zur Deutschen Front zu gehen und den Kameraden erzählen wie es mir bei der Gefangennahme so ergangen sei. Mit diesem Vorschlag war ich einverstanden. Aber ich bat ihn mir doch ein Dokument auszustellen denn sonst würde ich wohl nicht weit kommen. Und sage und schreibe, alle beide Max und ich bekamen ein Dokument und wurden sofort wieder auf freien Fuß gesetzt. Nun kann sich jeder denken wie wir beide froh waren. Wir standen wieder auf der Landstraße. Aber wohin? Die Orientierung hatten wir verloren. Wir wußten nicht mehr wo Norden oder Süden war. Vollbesetzte Panzer mit Infanterie und Bauernwagen rollten über die Straße. Die russischen Soldaten aber waren sehr verwundert und fragten oft wohin. Ich erklärte immer Krieg kaputt, nach Hause. Von diesen Strapazen hatten wir auch Hunger bekommen und ich bettelte einen russ. Soldaten um ein Stück Brot. Der gab uns sofort ein halbes Brot. So schlenderten wir die Straße hinunter. Es kam uns zum Bewußtsein, daß wir hier nicht länger bleiben durften. Wir hatten die Absicht links in den Wald einzubiegen, der etwa 100 Meter von der Straße entfernt war. Aber kaum hatten wir den Entschluß gefaßt, da stand auch schon eine russisch uniformierte Frau vor uns. Mit der Pistole in der Hand kam diese auf uns zu und rief uns zu "wohin"? Sie konnte sehr gut Deutsch sprechen Noch ehe wir zur Besinnung kamen forderte sie uns auf mitzukommen.

Wir wurden zu einem kl. Bauernhof geführt, der direkt an der Straße lag. In der kl. niedrigen Bauernstube wurden wir wieder verhört. Ohne zu lesen wurden unsere Dokumente zerrissen und von einem Soldaten wurden wir abgeführt. Nun wurden wir quer über den Hof geführt, aber etwas unsanft. In einem dunklen Gang zwischen 2 Scheunen mußten wir halten. Da wurde es uns aber doch eigen zu Mute. Wir dachten nur, was er wohl mit uns hier wollte. Im Dunkeln machte er sich an einer Tür zu schaffen. Mein Kollege Max wurde hineingestoßen und ich hörte nur ein Gemurmel. Es polterte nur so. Als ich nun auch hineinbefördert wurde, fand ich keinen Boden unter den Füßen. Ich fiel in einen Haufen Menschen und hatte nicht die Möglichkeit sofort wieder aufzustehen. In einem Kartoffel und Runkelrübenkeller waren wir gelandet. Männer und Frauen waren hier eingesperrt. Es war eine große Aufregung., denn immer wurden noch welche hineingeworfen. Dieses schien den Russen besonderen Spaß zu machen. Wir konnten uns aber kaum noch bewegen. Am andern Morgen mußten wir wieder heraus. In der Scheune nebenan bekamen wir Platz. Dort war es schon besser. Einzeln wurden wir wieder aufgerufen und verhört. Viele kamen vom Verhör nicht zurück. Durch einen Ritz im Scheunentor konnten wir beobachten, wie mehrmals welche erschossen wurden. Wie da unsere Gedanken waren kann sich, jeder ausmalen. Nachmittags wurden wir wieder. gefilzt und so hatten wir bald nichts mehr. 2 Tage waren wir hier bekamen aber nur einmal etwas zu essen. Dann wurden wir in Marsch gesetzt.

Die Frauen blieben dort. Wir waren ungefähr 40. Mann. Es ging nun von einer. kl. Ortschaft zur andern. Die erste Nacht übernachteten wir in einem kleinen Siedlungshaus. Die Leute waren geflohen. Aber alles war schon durcheinander gewühlt. Aber zu essen gab es auch noch nichts. Am 2. Tag wurde unser Haufen schon größer. Wir waren schon 100 Mann. Auf dem Bauernhof, wo wir Quartier hatten, lebten wir gut. Schweinefleisch bekamen wir so viel wie wir mochten. Aber bei. vielen hat es auch böse Folgen gehabt. Am folgendem Tag kamen immer noch kleine Trupps Land und so kamen wir nach vielem hin und her in an. Aber keinen von den Volkssturmhabe ich mehr getroffen. Nur einen traf ich, der mir sagte, daß in dem Walde alles umekommen wäre. Er glaubte er wäre der einzige Überlebende gewesen. Aber nun waren wir ja zu ritt. Hier wurden wir wieder auf einem schönen Bauernhof in einer Scheune einquartiert. Hier war schon besser. Der Haufen war auch schon größer, waren jetzt 420 Mann. Hier machten wir es uns schön bequem. Den ganzen Tag lagen wir im Stroh. Regelmäßig bekamen wir am Tage 3 x zu essen. Das könnten aber leider auch nicht alle vertragen. Jeden Morgen und Abend war Zählung. In 10er Reihen mußten wir uns aufstellen und nach der Zählung gab es etwas zu essen. Weil der Haufen größer war, war man doch schon ruhiger geworden. Es konnte doch nichts mehr passieren. Aber die tollsten Gerüchte kamen dort auf. Der eine erzählte, er hätte gehört, wir kämen alle nach Tula-Rußland. Ein anderer meinte, daß wir zum Donetzbecken kämen. Der eine dieses, der andere das. Einmal hatte ich eine ganz besondere Freude. Wir waren angetreten zum Essenempfang. in 10er Reihen hatten wir uns aufgestellt. Ich unterhielt mich mit meinem Nachbarn. Auf einmal hörte ich eine Stimme von nebenan. "Wo kommst Du denn her, Kumpel" (Es wurde nicht mehr Kamerad, sondern Kumpel gesagt. Die Kameraden sind alle in Stalingrad geblieben.) Die Sprache klang ganz heimatlich und ich antwortete, ich wäre von Münster. Als Antwort bekam ich zu hören, daß erauch von Münster sei aber nicht direkt, sondern aus einem kl. Städtchen von S. Da war ich aber fertig. Als ich dann antwortete, daß ich auch von dort war, nannte er mich sofort bei Namen. Als ich ihn so richtig betrachtete, erkannte ich auch meinen Landsmann. Wir begrüßten uns auf das herzlichste und gaben uns auch gleich das feierliche Versprechen, in den schweren Tagen die uns noch bevorstanden, treu zusammen zu halten. *Und jeder hat auch bis Zuletzt Wort gehalten.

 
Wir waren beide überglücklich, und von dem Tage an auch nicht mehr auseinander zu schlagen. Nun hatten wir auch nicht mehr so eine Langeweile. Jeder hatte so viel zu erzählen, wie es werden sollte, wenn wir mal wieder nach Hause kommen sollten. Jeder hatte seine eigene Phantasie. Von da ab hatten wir auch unser Lager im Stroh nebeneinander. Er hatte auch schon vieles hinter sich. Er hatte Gummistiefel an und diese waren recht kaputt. Der rechte Fuß war ganz wund gelaufen. Es war ja kein Verbandszeug da und mit der Zeit wurden unsere Hemden immer kürzer. Es war traurig, aber wir haben doch darüber oft tüchtig gelacht. Der Mensch muß sich nur zu helfen wissen. Mittlerweile sahen wir auch schon recht verwahrlost aus. Wir hatten weder Kamm noch Rasierzeug und unser Bart war schon recht lang geworden. Gewaschen hatten wir uns auch lange nicht mehr. Eines guten Tages wurden Friseure gesucht. Draußen auf dem Hof wurden Haare geschnitten. Alle Scheren waren im Dorf schon zusammengesucht worden. Es waren aber mehr Scheren da, als Friseure. Es mußte der eine dem andern die Haare schneiden. Unter meiner Schere, die ich bekam, fielen die schönen Locken von Heinrich. Und meine Wolle lag auch bald auf dem Hof. Gegenseitig haben wir uns betrachtet und gelacht und gesagt, wenn dieses Bild unsere Angehörigen zu Hause sehen würden. Wir sahen aus wie ein Iwan. Am folgenden Tage wurden wir entlaust und durften baden. Das war ja auch originell. In der Schweineküche mußten wir uns ausziehen und unsere Kleider auf einen Draht ziehen. Dann kamen diese in einem Kessel der draußen stand. Gebadet wurde im Kuhstall im Kuhtrog. Dieses Bild werde ich nie vergessen. Als wir schon längst mit dem Baden fertig waren, mußten wir noch lange warten, denn unsere Sachen waren noch im Kessel. Das ging nicht so schnell weil der Heizer noch nicht die richtige Temperatur im Kessel hatte. Aber nachher fühlten wir. uns doch etwas molliger, obwohl es ein Bad ohne Seife war. Wenn auch soweit alles in Ordnung: war so hatten wir doch Sorge, es könnte eine Seuche ausbrechen. Was sollten wir dann machen. Wir hatten auch einen Arzt bei uns, der uns darauf aufmerksam machte, daß wir uns so gut es ging, sauber halten sollten. Das war unser 1. Gebot. 14 Tage waren wir auf diesem Hof. Wir hatten uns gut eingelebt.

Eines Morgens mußten wir antreten und wurden in Marsch gesetzt. Wohin es ging wußte keiner. Wir kamen durch mehrere kl. Ortschaften und. als es Abend war da kamen wir in Sprottau an. Außerhalb dieser Ortschaft wurden wir in einer Scheune untergebracht. Aber zu Essen gab es an diesem Abend nichts. So marschierten wir am folgenden Morgen los. Unterwegs kam uns viel russ. Militär entgegen. Die großen Panzer, die wir ab jetzt jeden Tag sahen, erregten doch unsere Bewunderung. Dieser Marsch war nicht angenehm da wir sehr oft von den Soldaten belästigt wurden, denn ohne Rücksicht fuhren diese plötzlich mit dem Panzer in unsere Reihen und oft gab es Tote und Verwundete. Ich kann nur sagen, daß dieses ein Hunger- und Trauermarsch war. Es ging nun weiter und kamen am Abend in Primkenau an. Auf einem großen Gut war es jetzt, wo wir untergebracht und verpflegt wurden. Am andern Tag ging es weiter nach Kotzenau - Serbnitz - Lüben - Steinau - Winzig - Altreichenau - Bargen und kamen in Trachenberg an. Vor einer großen Flachsfabrik machten wir Halt und wir mußten uns am Straßenrand hinsetzen. In dieser Flachsfabrik war aber ein reges Leben. Kriegsgefangene gingen dort ein und aus, mit Brettern und Balken schwer beladen. Also mußte hier noch gebaut werden. Stundenlang lagen wir hier so herum und in der Nähe lag ein russ. Lazarett. Von den verwundeten Russen, die oben liefen, konnten um teils ihre Wut an uns armen hilflosen Menschen auszulassen. Dieses nahm oft bedrohliche Formen an und wir waren froh wenn die russ. Posten dazwischen kamen sonst hätte es noch Mord und Totschlag gegeben. Wir durften uns ja nicht im geringsten wehren. Aber wir waren ja schon etwas gewohnt. Auf einmal entdeckte mein Freund Heinrich in einer Kolonne, die schwer mit Holz beladen war, seinen Feldwebel Walter Pl. aus Wesel/Rh. und noch einen guten Kameraden Walter Bo. aus Wismar. Da war für ihn die Freude natürlich groß. Ob- schon er sich nur im Vorbeigehen damit unter- halten konnte, war es doch schon etwas beruhigendes. Wir haben nachher noch viel Freude zusammen gehabt. Abends als es dunkel wurde konn ten wir in das Lager einziehen. Wir wurden aber ohne daß es etwas zu Essen gab in einen kl. Raum eingesperrt, wo wir uns fast nicht bewegen konn- ten. Dieses war eine schreckliche Nacht, wir wa- ren total übermüdet und wir konnten uns ja nicht hinlegen noch setzen. Damit war der große Hunger- marsch zu Ende. Viele die in Hirschfeldau den Marsch mit angetreten hatten sind nicht bis Trachenberg gekommen. Dieser Hungermarsch hat 6 Tage gedauert. Die Strecke von Hirschfeldau bis Trachenberg ist ca. ... klm. Wenn wir immer die festen Straßen hätten marschieren können, wäre es nicht so wichtig gewesen aber immer querfeldein durch den aufgeweichten Ackerboden und dazu noch das schlechteste Schuhzeug, über das warum finde ich heute noch keine Erklärung. Als wir in Kotzenau Abends auf einem Bauernhof übernachteten mußten gab es wieder nichts zu Essen. Un ser Hunger war so groß, daß wir die zertrampelten Maiskolben, die auf dem Hof lagen, aus dem Hofschlamm suchten und jedes Maiskorn sauber machten. Aber war machte es uns denn aus, wir wären ja fast wie Tiere geworden, wenn der Hunger total überhand nimmt dann ist der Mensch ein fast ganz anderer. Nachdem wir in der Scheu- ne im Stroh gut übernachtet hatten wurden wir am andern Morgen wieder in Marsch gesetzt. Jeder bekam eine Handvoll Pellkartoffel. Ich hatte, ich weiß es heute noch genau, 2 dicke und 3 kleine Pellkartoffeln. Diese wurden aber so aus der Hand verzehrt. Wir konnten es auch nicht ahnen, daß wir erst in 2 Tagen auf das nächste Essen warten sollten. So kamen wir durch Lüben, es ist eine größere Stadt. Dort sah es doch schrecklich aus. Die Häuser zerstört und auf den Straßen lagen Betten, Schränke, Bettstellen, Kleider und Hausrat – alles war durch die Fenster geworfen worden. Also in sinnloser Wut alles zerstört.

Bei Steinau ging es über die Oder. Eine neue Holzbrücke hatten die Russen schon über die Oder gebaut. Hier war auch sehr hart gekämpft worden. Als wir die Oder hinter uns hatten, haben wir uns noch sehr oft umgesehen und gedacht, wann werden wir wohl wieder diesen Fluß in umgekehrter Richtung überschreiten. Zum Nachdenken blieb uns auch nicht viel Zeit. Immer weiter ging es und immer von den Russen angetrieben. Es ging immer Dawel und Bistra, das heißt: schnell und schneller. Aber wir hörten es nicht mehr. Wir waren nur darauf eingestellt, um irgendetwas Genießbares zu entdecken. Dieses fanden wir vereinzelt in den Straßengräben. Mein Freund Heinrich, wir marschierten ja immer nebeneinander, fand während des Marsches im Graben ein total vom Wasser aufgeweichtes Brot. Wie ein Wiesel hatte er es auch schon. Es war eine gefährliche Sache, denn wenn einer den Zug verließ, dann knallte es sofort. Das hat mehr als einer erleben müssen. Da waren wir ja beide wieder glückliche Menschen. In dieser Angelegenheit hatte er auch Glück. Auf einem Bauernhof, wir waren ja alle am Suchen wo nur etwas zu finden war, entdeckte er einen kleinen Kübel mit Marmelade. Dieser stand vorm Kuhstall. Ich weiß nur so viel, daß er nicht viel abbekommen hat. Die Schlacht um den Warenkübel endete damit, daß jeder mehr am Zeug hängen hatte als im Kochgeschirr. Das sind alles Erlebnisse, die man nicht vergißt. Meine Sorge war es geworden, mein Schuhzeug in Ordnung zu halten. Ich hatte im Schlamm eine Sohle verloren. Einen Reserveschuh hatten wir noch nicht gefunden. Ich fand auf diesem Hof etwas Kupferdraht und damit wurde nun, so gut es ging, der Schuh repariert. Ich weiß wohl, daß ich zuletzt nur noch das Oberleder hatte. Es war nichts zu machen, es ging immer weiter. Wer nicht mehr konnte und unterwegs absackte und liegen blieb, wurde von der Begleitmannschaft, die im Wagen hinter uns herfuhr, einfach abgeknallt. Über dieses könnten wir nun in dem engen Raum der Trachenberger Flachsfabrik nachdenken. Nun folgt ein neuer Abschnitt vom Leben im Lager Trachenberg.

Lager Trachenberg


Wie es schien war das Lager in Trachenberg eine neu errichtete Flachsfabrik. Riesengroß waren die Lagerhallen in denen Strohflachs gelagert wurde. Das ganze Gelände war schon mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Direkt am Lager stand auch eine alte hölzerne Windmühle. Hier wimmelte es nur so von Kameraden, die das Ende auch noch nicht gesehen haben. Jeder hatte die Hoffnung, hier noch einen Kameraden aus der Heimat zu treffen. Es war spät Abends als wir im Lager eingeliefert wurden. Vorerst wurden wir in einem alten Keller untergebracht. Dieser Keller wurde so voll gestopft, daß keine Gelegenheit zum Liegen und Sitzen war. Abendessen bekamen wir nicht, aber des Nachts gab es Kaffee. Wie wir darüber froh waren kann sich jeder denken. Aber diese Nacht ging auch vorüber. Als wir aus diesem Keller heraus gelassen wurden gab es wieder eine genaue Filzung. Da hatten wir aber bald nichts mehr. Alles, auch das wertloseste Zeug wurde uns abgenommen. Dann kamen wir in eine große Lagerhalle und konnten uns dort nach Herzenslust im Strohflachs ausruhen. Das Schönste war ja, daß wir uns jetzt frei innerhalb des Lagers beweven konnten. Das Wetter war ja noch sehr unfreundlich aber das Leben war schon etwas anders, Wir hatten mehr Menschen um uns und wir waren doch schon ruhiger. Es konnte nun nicht mehr so leicht etwas passieren, denn daftir war der Haufen doch zu gro8, Der Haufen war schon 2uU es 4000 Mann angewachsen. Als wir es uns nun etwas gemütlich gemacht hatten ging die Jagalos, um Bekannte zfi suchen. In so einem grofen Haufen sollte man meinen doch einige zu finden. Es dauerte auch nicht lange da hatte mein Freund Heinrich auch schon seine Kameraden aus seiner Einheit gefunden, Nun hatte er seinen Oberfeldwebel Walter Plückelmann aus Wesel, Walter Both aus der Gegend von Wismar und noch mehrere anGere. Von meiner Einheit, wo ich doch bestimmt hoffte hier den einen oder anderen zu treffen, hat sich leider nicht erfüllt. Nur mein Freund Max traf ich des Öfteren, Er war in einer anderen Halle untergebracht. So konnte ich mit der Zeit annehmen, da8 alle im Walde zu Benau wo ich in Gefangenschaft kam, umgekommen sind. Wir bekamen von jetzt ab regelmäßig unser Essen, Es war ja bitter wenig, aber wir hofften ja wenn der Krieg zu Ende ist, da8& wir doch bald nach Hause kommen und so lange wollten wir schon aushalten. In. den ersten Tagen als wir im Lager ankamen da war es nur ein registrieren und zahlen. Diesen Zeitpunkt benutzten Heinrich und ich unsere Gruppe einfach -zu verlassen und gingen zur Gruppe Plückelmann tiber, Wir konnten es 6a Ja noch machen, da wir uns alle noch fremd waren. Keiner kannte den _andern, Plückelmann fiinrte einfach 2 Mann mehr in seiner Gruppe auf und somit waren wir alle zusammen, Ich muß sagen, daß es mit der Zeit eine verschworene Gesellschaft wurde.

Mitglieder dieser engen Gruppengemeinschaft waren: ‘Unser Führer Walter Plückelmann, dann Both, alack, Rose, Arnemann und Hölscher. Neue Mitglieder wurden in unsern Kreis nicht aufgenommen, das duldete keiner. Unsern Kameraden Walter Plückelmann hat jeder viel zu verdanken. Er hatte die wunderbare Gabe zu organisieren und mit Leuten Fühlung zu nehmen die in der Küche waren mit dem Kartoffelschälemeister, also überhaupt mit Leuten wo noch etwas abfallen konnte. Wie er es wohl machte, er hatte immer ein oder auch oft 2 Brote über. Dann hatte er wieder Kartoffel organisiert, dann hatte er dieses dann das. Wir hatten ja auch alle einen Hunger, es gab eben zu wenig. Walter Both war auch ein interessanter Kumpel. Er hatte sich eine Nagelschere organisiert. Nun war er oben auf. Er war Friseur geworden. Er hatte ein gutes Geschäft. Geld gab es ja im Lager nicht, jeder der seine Haare schneiden lassen wollte, mußte dieses mit Brot bezahlen. Es blieb für uns nicht viel übrig, denn er hatte ja auch großen Hunger. Es dauerte nicht lange, da hatte er schon einen Rasierapparat und 2 Klingen. Aber man konnte eher zum Zahnarzt gehen als zu Walter Both’s Rasiersalon. Ich weiß nur, daß es eine Höllenqual war. Lange war er nicht Herr über seine Einrichtung, denn der Russe hatte ihn entdeckt und so war er wieder brotlos, so wie wir es alle waren.

Es war 14 Tage vor Ostern, kam er ganz aufgeregt zu mir gelaufen und sagte: "der Russe sucht einen Plotnik" (Zimmermann). Wir meldeten uns auch. Wir erklärten den Russen, so gut es ging, daß wir ein paar karosche (gute) Zimmerleute wären. Es dauerte auch nicht lange da wurden wir aus dem Lager geleitet und kamen zu einer kl. Dampfmühle. Diese Mühle würde sonst durch Strom betrieben. Jetzt wo dieser nicht da war hatten die Russen eine alte Lokomobile herangeschafft, ein Loch in die Wand geschlagen, Riemen darauf und schon lief die Mühle. Aber bei Regenwetter wurde der Riemen naß und nun sollten wir einen Schuppen über die Lokomobile und den Riemen bauen. Das war keine schlechte Arbeit. Aber wir hatten keine Nägel und keine Bretter. Das kümmerte uns alle wenig. Das erste war, wo gibt es was zu essen. Es dauerte nicht lange, da war Both schon am Kochen. Einen schönen Mehlbrei hatte er gekocht. Natürlich ohne Salz und Zucker. Wir hatten hier ziemlich viel Freiheit. Wir waren sozusagen ohne Bewachung. Auch die Arbeit konnten wir uns einteilen wie wir wollten. Es wurde uns aber kein Holz zur Verfügung gestellt, Nägel nichts hatten wir. Balken hatten wir, aber keine Bretter. Es blieb uns nichts anderes übrig als die Bauernwagen abzubauen. Nach 8 Tagen hatten wir so einen schönen Schuppen für die Lokomobile gebaut, daß wir unsere Arbeit selber bestaunten. Der Russe, der die Leitung der Mühle hatte, meinte auch, daß wir sehr gut gearbeitet hätten. Jetzt durften wir noch einen großen Getreideschuppen bauen. Von einem Sägewerk wurde uns jetzt Bretter und Balken gebracht, so viel wir nur haben wollten. Wir mußten zuletzt mit und uns das Holz aussuchen. Nun konnten wir aber bauen. Die Bretter wurden natürlich roh verarbeitet. 12 Meter war dieser Schuppen lang und 5 Meter breit. Ein schönes Spitzdach und einen schönen Giebel. Wir hatten wirklich Freude an unserer Arbeit. Aber jetzt mußten wir unser Meisterstück noch ablegen. Wir hatten die Aufgabe einen funkelnagelneuen Lokus zu bauen. Die eine Hälfte für die Russen und die andere Hälfte für die Deutschen. Ich muß sagen, daß es ein wirkliches Meisterstück geworden ist. Es war viel zu schade, daß so ein schöner Prunkbau benutzt werden sollte. Als wir mit unserer Arbeit fertig waren, war gerade Ostern. Als Dank bekamen wir von der Russenküche, die bei der Mühle war, ein schönes Stück Kuchen. Diesen Kuchen haben wir mit ins Lager genommen und redlich geteilt. Da war es mit dieser Arbeit auch wieder alle.

Arbeitslos waren wir wieder geworden. Diese 3 Wochen haben wir wirklich gut gelebt, auch unsere Kameraden im Lager. Heinrich Arnemann hatte so einen großen unmanierlich aussehenden Milchtopf gefunden. Inhalt ca. 5 Liter Diesen brachten wir doch jeden Abend mit zum Lager. Auch brachten wir jeden Abend einen Sack voll Pellkartoffel mit, denn in unmittelbarer Nähe von dieser Mühle war eine Kartoffelmiete mit wunderschönen Pflanzkartoffeln. Es wurden immer wieder kleine Arbeitskolonnen zusammengestellt, aber wir konnten uns drehen wie wir wollten es glückte nicht. Aber einmal hatten wir wieder Glück. Heinrich Arnemann hatte einen Bekannten, welcher Sanitäter im Lazarett war. Es war nur eine alte Baracke innerhalb des Lagers. Diesen klagte Heinrich sein Leid, daß es überall durchregnete. Da konnten wir ja Abhilfe schaffen. In einem Schuppen des Lagers waren noch einige Rollen geteertes Papier. Wir machten uns daran, mit diesem Papier das Dach neu einzudecken. Mit der Arbeit waren wir halb fertig, da gefiel es den Russen nicht und somit bekamen wir einige große Zeltplane und damit mußten wir das Dach eindecken. Für das Dach waren diese doch zu schade und so teilten wir uns die Stücke, die absichtlich abfielen, und machten uns erstmal einen Rucksack davon. Ich habe mir noch von einem großen Stück einen schönen Regenumhang gemacht. Heinrich A. schenkte sein Stück Walter Both und dieser machte sich, aber zum Lachen, einen ganz kl. niedlichen Rucksack davon. Genäht wurde nur mit Draht, den man so mit der Zeit gesammelt hatte. Alles was man fand hatte einen großen Wert. Die Dachdeckerarbeit lohnte sich nicht, es fiel nichts dabei ab. Einmal kam Heinrich A. mit einem großen Topf mit Pellkartoffel aufs Dach geklettert. Wir waren so hungrig, daß wir keine Zeit hatten die Pelle runter zu machen. Das war ziemlich alles was dabei abfiel. Ungefähr 2 Meter von dieser Lazarettbaracke stand eine andere für die Entlausung. In dieser Gasse, die zwischen Ungefähr 2 Meter von dieser Lazarettbaracke stand eine andere für die Entlausung. In dieser Gasse, die zwischen beiden Baracken war, wurden die Toten aufgeschichtet die während des Tages und in der Nacht starben. 10 - 15 Mann waren es immer. Dazu kamen noch die toten Kameraden die während der Nacht in den großen Scheunen starben.

Jeden Morgen war immer große Zählung. Es fehlten aber immer welche. Denn wurden die Scheunen durchsucht von einem Russenkommando. Die Fehlenden wurden als tote Kameraden aus den Scheunen geschleppt. Es hatte keiner gemerkt. So starben die, die nicht ganz fest waren, dahin. Jeden Morgen wurden die Leichen fortgeschafft, auf alten Bauernwagen gepackt und ein kl. Kommando ging mit Spaten hinterher. Die Kameraden waren alle abgestumpft, es wurde kaum noch beachtet. Einmal war die Ruhr im Lager ausgebrochen. Keiner durfte das Lager mehr verlassen. Auch die Außen Kommandos durften nicht mehr heraus. Da hat der Tod aber reiche Ernte gehalten. Das Lager wurde immer wieder aufgefüllt, so daß der Verlust nicht auffiel. Da hier immer neue Kriegsgefangene eintrafen so war auch hier bald Platzmangel. Es war aber noch eine große Scheune da, die voll Strohflachs war. Nun mußten wir alle, die eben Lust dazu hatten, helfen das Strohflachs herauszutragen. Jeder nahm sich nun 2 oder 3 Bündel und brachte es im Gefangenentempo außerhalb des Lagers. Bei dieser Arbeit wurden wir sehr scharf bewacht. Wer nun ganz Mutige waren dachten doch immer auszureißen. Diese verkrochen sich nun außerhalb des Lagers in das abgeworfene Strohflachs. Dort wollten sie die Nacht abwarten und so schnell wie möglich Richtung Heimat. Diese Absicht wurde aber von einem mitgefangenen Polen verraten. Darauf durchsuchten die Russen den Strohflachshaufen, konnten aber nichts finden. Daraufhin wurde der Haufen angezündet und nun blieb den armen Kerlen nichts anderes übrig als heraus zu kommen. Nach diesem Vorfall mußten wir alle sofort wieder ins Lager und wir konnten von dort aus alles beobachten. Ganz erbärmlich wurden die Leute erst bearbeitet und zum Lagereingang geführt. Dort standen sie stundenlang in Hemd und Hose. Dann wurde einer abgeführt, und ganz in unserer Nähe mit dem Gesicht zur Wand gestellt und erschossen. So war auch diese Tragödie zu Ende. Die große Scheune wurde weiter leer gemacht, Pritschen gebaut und die Neuankömmlinge konnten darin Platz nehmen.

Eines guten Tages wurden wir wieder untersucht. Wer noch nicht total heruntergekommen war kam zur Gruppe 1. Zu dieser Gruppe gehörte ich nun auch. Am folgenden Tag wurde ein Arbeitskommando zusammengestellt und in Marsch gesetzt in Richtung Korsenz. Diese kl. Stadt liegt ganz in der Nähe von Trachenberg. Auf einem Bauernhof wurden wir untergebracht. 14 Tage waren wir dort und haben eine Zweigleisige Strecke abmontiert verladen. Es war keine schöne Arbeit. Dort lernten wir so langsam kennen was Norma heißt. 2 Tage hatte ich Glück, ich kam zum Kartoffelschäl-Kommando. Das war keine schlechte Arbeit, es fiel immer etwas dabei ab. Wir hatten auch Zeit uns auf dem Bauernhof etwas umzusehen und alles was nur eben zu gebrauchen war, das war unser wohlbehütetes Eigentum. Ich weiß noch, daß ich ein Stück vom Binderlaken vom Selbstbinder erobert hatte. Dieses ribbelte ich auf und so hatte ich bei Bedarf Zwirn. Als wir unsere Arbeit dort beendet hatten kamen wir wieder nach Trachenberg zurück. Da hatten wir wieder Zeit zum ausruhen. Die meisten Sachen, die wir von Korsenz mitgebracht hatten wurden uns bei der Filzung, als wir im Lager eingeliefert wurden, abgenommen. Aber mein Stück Binderlaken konnte ich behalten. Wir hatten uns bald wieder eingelebt und Walter Plückelmann sorgte schon wieder für neue Verbindungen. So brachte er es jetzt fertig mit einem aus der Lagerbäckerei bekannt zu werden. Am Ende der Pritsche hatte Walter Pl. seinen Platz. Diesen Platz kannte auch der Kamerad aus der Bäckerei, so besuchte dieser oft Nachts unsern Walter und schob ihm ein Brot zu. Es mußte aber alles mäuschenstill zu gehen, denn die anderen durften doch nichts merken. Wir wussten ja alle Bescheid. So lagen wir denn überglücklich und knabberten an unserer Brotkruste. Oft gab es auch Nachts wüste Schlägereien. Es waren oft Leute unter uns, die das Stehlen einfach nicht lassen konnten. Leute, die sich ein Stückchen Brot gespart hatten für den nächsten Tag, wurde es oft unter dem Kopf weg gestohlen. Wenn aber jemand dabei erwischt wurde, so kann sich jeder denken, was mit so einem Lumpen geschah. Hoch in Blüte war auch im Lager der schwarze Markt. Durch die Außenkommandos wurde doch so allerhand ins Lager geschleppt. Tabak und gebrauchte Rasierklingen standen hoch im Kurs. Alles wurde gegen Brot verhandelt. Es waren aber immer noch Leute da, die eine Uhr durchgemogelt hatten. Diese wurde aber immer ganz raffiniert getragen. Dafür hätte man wohl die Freiheit kaufen können. Am schönsten war die Badeanstalt, die wir während der Entlausung benutzen mußten. Jeder bekam nur eine kleine Schüssel mit warm Wasser, damit mußte man eben auskommen. Die schöne alte Holzmühle, die direkt am Rande des Lagers lag neben der Küche, wurde abgebrochen und in der Küche verheizt. Ich wäre ja gerne bei dem Kommando der Holzhacker gewesen aber damit hatte ich kein Glück. Es waren nur wenige die das große Glück hatten. Diese Leute bekamen, da sie doch zum Küchendienst gehörten, satt zu essen. Das Langweiligste war morgens und abends die Zählung. Dann mußten wir immer lange auf das russ. Zählkommando warten.

Sonst war es doch im Lager ein eintöniges Leben. Wir waren alle sozusagen faul geworden. Aber einmal wurde ich doch aus meiner Ruhe gebracht. Unser Lager war doppelt mit Stacheldraht eingezäunt. Dazwischen war ein Niemandsland, so wie wir es nannten, also ein Streifen von 3 Meter Ich wurde als einzelner abkommandiert und mußte diesen Streifen rund um das Lager herum schön säuberlich harken und jedes Unkraut herausziehen. Nein, das war keine schöne Arbeit. Ich konnte es den russ. Posten, der mich dauernd mit der MP begleitete, doch nicht recht machen. Er war immer am schimpfen. Es war mir auch egal, ich konnte es doch nicht verstehen. Natürlich freute sich Plückelmann und Genossen. Aber alles nimmt auch mal ein Ende. Eines guten Tages wurden wir wieder registriert und untersucht. Die besten, die noch etwas auf den Rippen hatten, wurden zu einem Arbeitskommando ausgesucht. Es war Ende April und so wurden wir eines Morgens in Marsch gesetzt. Ein endloser Zug marschierte in Richtung Trebnitz. Mit den primitivsten Hilfsmitteln hatten wir uns schon für die Heimkehr nach Hause Stöcke geschnitzt so nach der Art Reservisten-Stöcke. Jeder war außerordentlich stolz darauf. Der eine wollte den andern an Geschmack und Formenschönheit übertreffen. Aber als wir das Lager verließen, wurden uns diese schönen Andenken abgenommen. Walter B. brach seinen schönen Knüppel kurz und klein und warf ihn fort. Aber diesen Schmerz hatten wir auch bald vergessen. Für uns war nur die eine Frage, wo geht es denn jetzt hin? Das beste Wetter hatten wir nicht als wir das Lager verließen. Aber für mich war es nicht so wichtig, ich hatte mir ja von der Zeltplane als ich das Dach reparierte, noch einen Regenumhang gemacht, wunderbar gemacht, so gar mit einer Kapuze. Arnemann meinte, daß ich damit aussehe wie ein Pater. Es fehlte nur, daß der Umhang braun wäre. Trebnitz, welches 23 kmvon Trachenberg liegt, hatten wir bald erreicht. Als wir dort ankamen, regnete es in Strömen. In der Nähe eines großen und wunderbaren alten Klosters machten wir halt und wir wurden dort abgefüttert. Aber ehe es so weit war, es dauerte stundenlang. In diesem Kloster wurden auch untergebracht. Zum Teil war es zerstört. Am andern Morgen ging es weiter durch eine wunderbare Hügellandschaft. Total ermüdet kamen wir in Oels an und hatten so an diesem Tage 31 km zurückgelegt. Der Zug wurde untergebracht in einer Kirche und ein Teil im Kino. Als wir am andern Morgen weiter sollten, fehlten ein paar Mann. Es blieb uns nichts anderes übrig als zu warten. Diese sind aber bald gefunden worden. Total blutig und zerschlagen wurden sie an uns im Laufschritt vorbeigeführt zur Abschreckung.

Diesen Tag marschierten wir über Bernstein nach Namslau (30 klm.) Als wir dort Abends ankamen, wurden wir erst auf einer großen Wiese abgefüttert. Untergebracht in einer Schule. Hier haben wir die ganze Nacht gestanden. Übermüdet wie wir waren, konnten wir uns doch nicht hinlegen. Austreten konnte keiner und wie das so war kann sich jeder denken. Wir waren froh als es morgens hell wurde und Verpflegung bekamen, da hätten wir Zeit uns auszuruhen. Durch diese Strapazen waren wir aber schon recht heruntergekommen. Es nützte nichts wir mußten weiter. Als wir Abends in Carlsruhe ankamen, waren wir aber total fertig. Denn diese Strecke, wenn sie nur 23 kmist, sind wir förmlich getrieben worden. In Carlsruhe wurden wir im Keller einer großen Kaserne untergebracht. Hier hatten wir Platz genug. Etwas frei bewegen konnten wir uns, da nur die Kellereingänge bewacht wurden. Alle Ecken wurden nachgestöbert. Der Eine fand dieses und der Andere das. In einem Raum standen mehrere Fässer mit Sauerkraut. Wie die Wilden stürzten sich die Menschen darüber her. Natürlich war ich auch dabei, denn der Hunger tut weh. Keiner hatte nachher Beschwerden. Nur einer konnte die Strapazen nicht mehr mitmachen, er war am andern Morgen tot. In einer Ecke stand ein Sack mit Kaffeemehl. Auch dieser war am andern Morgen nur noch halb voll. Ich habe auch davon probiert aber es schmeckte doch nicht gut. Ich hatte ja auch satt Sauerkraut gehabt. Wenn wir uns auch nur auf dem Betonfußboden legen konnten, so haben wir diese Nacht sehr gut geschlafen. Morgens in aller Frühe setzten wir unsern Marsch fort und über wundervolle Straßen kamen wir in Oppeln (30 kam) an. Unterwegs gab es noch einen Zwischenfall. Als unser Zug durch eine dichtbewaldete Gegend kam, benutzten einige diese Gelegenheit und wählten die Freiheit. Auf einmal hörten wir eine Knallerei und sahen einige Kameraden durch den Wald laufen. Wir mußten uns sofort auf der Straße hinlegen und wurden in Schach gehalten. Einige russ. Posten nahmen die Verfolgung auf, waren aber nicht flink genug. Der Vorsprung den die andern hatten, war doch zu groß. Diesen Aufenthalt mußten wir wieder aufholen. Nur mit der einen Unterbrechung, der durch den Zwischenfall passiert war, mußten wir die Strecke von 30 kmohne Pause zurücklegen. Aber wir schafften es ja. Dort war ein alter Eisenbahnschuppen als Lager eingerichtet worden. Hier sollten wir nur 8 Tage bleiben. Ruhe hatten wir hier auch nicht. Es wurde dafür gesorgt, daß wir immer in Bewegung blieben. Unsere Essennäpfe mußten wir am Lagereingang abgeben. Die Essensausgabe ging rasend schnell vor sich. Auch war es nicht schlecht. Wir bekamen hier auch anderes Schuhzeug. Ich gehörte auch zu den Glücklichen. Aber es war eine bittere Enttäuschung. Auf einem Platz lagen mehrere Fuder Schuhe. Alles durcheinander. Passende und gute Schuhe waren nicht dabei. Auch konnte man Holzsandalen bekommen. Heinrich Arnemann konnte nichts passendes finden und so bekam er ein paar Holzsandalen. Aber da ging für ihn in der Angelegenheit Schuhzeug ein Leidensweg los. Ich habe ihn nur bedauert, wie er da so mit den Latschen herum ging. Aber interessant war es auch wieder. Unser Walter Pl. war wieder am organisieren. Er hatte schon wieder mit der Küche Verbindung aufgenommen und ab und zu gab es doch kleine Überraschungen. Eine schöne Sonnenuhr die die Kameraden mitten im Lager fertig gemacht hatten, mußte auf Befehl wieder abgebrochen werden. Wie es immer so war, wurden wir eines guten Tages wieder registriert und untersucht. Am andern Abend wurden die, welche wieder tauglich geworden waren aufgerufen, in Marsch gesetzt und es ging zum Bahnhof. Dort wurden wir verladen je Waggon 60 Mann und nun ging es am andern Morgen in Richtung die uns nicht bekannt war. Es war am 1. Mai, da rollten wir zum Osten. Nach mehreren Tagen Bahnfahrt kamen wir in Przemysl an. Przemysl liegt ungefähr 100 km westlich von Lemberg, am Rande nördlich der Karpaten. Dort wurden wir in einer sehr großen alten Trainkaserne untergebracht. In diesem Lager waren ca. 7000 Mann. In den großen Pferdeställen waren überall Pritschen aufgebaut. Mitten auf dem großen Platz war ein Brunnen. Es war ja interessant, mit einer doppelten Kette, woran je ein Eimer befestigt war, ging durch eine Drehvorrichtung der eine Eimer hoch und der andere herunter. Auf einem andern Platz, innerhalb des Lagers, war jeden Morgen Zählung. Wenn nun alles angetreten war, kam der Deutsche Lagerleiter und sah zu, ob alles in Ordnung war. Dann erst kam der russ. Lagerleiter. Dieser wurde beim Erscheinen auf diesem Platz auf russisch Schmirna = (Achtung) dann kam Straschtiwtze = (Guten Tag) empfangen. Dann mußten wir in 5er Reihe den Platz verlassen und wurden gezählt. Dann durften wir zu unserem Pferdestall zurückkehren. Ein paar Mann, die Dienst hatten, mußten Brot und Suppe holen. 4 Mann. bekamen immer ein Brot. Dieses mußte immer genau geteilt werden. Da wir aber keine Messer mehr hatten, schnitten wir das Brot mit einem dünnen Draht durch. Das hatten wir mal wieder geschafft. Wenn es dann gutes Wetter war, lagen wir draußen an der Mauer und schlugen die Zeit tot, so gut es ging. Ich hätte es schon bald vergessen. Ehe wir in dieses Lager eingeliefert wurden, kamen wir erst in eine große Halle. Es muß eine große Fabrik gewesen sein, denn es waren noch die Fundamente da, wo die Maschinen montiert waren. Hier mußten wir uns wieder nach stundenlangem Warten in Gruppen aufstellen. Aber hier hatten wir großes Pech. Unsere Gruppe, die scheinbar zu groß war, wurde geteilt und dabei wurde unser Freund Walter Plückelmann abgesondert. Wir haben ihn nie mehr gesehen. Draußen am Hallenausgang wurden wir wieder gefilzt und sogar gründlich. Meinen Regenumhang mußte ich abgeben. Bei einem Bekannten wurde eine Rasierklinge gefunden, dafür bekam er eine ordentliche Tracht Prügel. Aber an so etwas hatte man sich schon gewöhnt. Von hier aus wurden wir noch am selben Tage in der großen Trainkaserne eingeliefert. Einige kl. Kommandos hatten auch außerhalb des Lagers Arbeit. Die brachten dann auch etwas mit herein. So kam der schwarze Markt wieder in Blüte. Alles nur gegen Brot. Jede Gruppe mußte oft Leute stellen für Arbeiten innerhalb des Lagers. Dabei ging es der Reihe nach. Einmal hatten wir wirklich Pech.

Es war gerade Pfingsten. Da mußte unsere Gruppe wieder 3 Mann stellen. Wie es nun sein sollte waren dran: Heinrich Arnemann, Max Malack. und ich. Wir bekamen von dem Platzkommandanten den ehrenvollen Auftrag, die Latrinen, die übervoll waren, zu leeren. Max mußte immer den Kübel voll machen. Einen alten Stahlhelm hatte er sich an einer Latte gebunden, und damit war er am Fischen. Heinrich und ich brachten den Kübel immer fort. Es war eine Sauarbeit. Wie oft haben wir da gesagt, wenn das unsere zu Hause sehen würden. Auf so einem hohen Feiertag war es doch für uns nicht angebracht. Gegen Mittag hatten wir unsere Arbeit ja doch geschafft. Wenn gutes Wetter war, hatten wir viel zu tun. Wir hatten schon Läuse, und wir konnten da nicht gegen an knacken, obschon wir ab und zu entlaust wurden. Schlimm waren hier im Lager die Polen. Wir standen diesen Leuten total wehrlos gegenüber. Der Russe mußte diese Leute eben haben. Wenn einer noch ein paar gute Schuhe oder irgendetwas hatte, was noch zu gebrauchen war, mußte abgegeben werden. Heinrich A. hatte noch eine schöne Reithose, hinten mit Ledereinsatz. Dieses Leder wurde ihm, als er die Hose anhatte, herausgetrennt. Meine Zivilhose, die ich unter der Militärhose trug, habe ich auseinandergetrennt und im Mantel eingenäht. Sonst hätte ich diese doch nicht behalten. Heinrich A. hatte immer noch eine Fellweste. Er traute sich nicht, diese mehr zu tragen. So wurde diese, als mal wieder eine Filzung war, auseinander getrennt und unter den Pritschen vergraben, bis die Luft rein war. Jeden Tag bekamen wir einen gestrichenen Löffel voll Zucker. Diesen haben wir oft gegen Tabak auf dem schwarzen Markt eingetauscht. Etwas mußten wir ja auch haben. Es wurde hier alles geraucht. Das Laub von den Sträuchern haben wir getrocknet, und wir waren froh, wenn es dampfte. Die Pfeifen machten wir uns selber. Es hatten sich auch einige darauf spezialisiert und trieben damit einen schwungvollen Handel. Ab und zu bekamen wir auch etwas Tabak. Jeder bekam so ungefähr 10–20 Gramm. Es war ja besser als gar nichts. Wenn es sehr gutes Wetter war, dann haben wir uns in der Sonne gebadet. Wir mußten alles ausnutzen, um gesund zu bleiben. Wir hatten Angst, daß mal eine Seuche ausbrechen würde. Denn der Boden, auf dem wir in der Freizeit lagerten, war total verschmutzt. Aber es ist mal wieder gut gegangen.

Mit der Zeit nahmen auch die Läuse überhand. Wir konnten nicht mehr gegen an knacken. Dann kam die große Entlausung. Es ging alles im Galopp. Unsere Kleidung mußten wir am Eingang in die Entlausung abgeben. Nur die Schuhe durften wir mitnehmen. Wir bekamen ein Brausebad. Unter eine Brause kamen ca. 10 Mann. Wasser gab es auch nicht zu viel. Es ging auch dort alles nach Kommando. Erst kam etwas Wasser, damit mußten wir uns einseifen, dann wieder etwas zum Abspülen. Wer nicht schnell genug war, der konnte sich seinen eingeseiften Körper so abtrocknen. Wenn wir dann nach der Entlausung unsere Kleidung wieder in Empfang nehmen wollten, so konnten wir annehmen, daß das Gute, was wir abgegeben hatten, fehlte. Als ich einmal so durch das Lager schlenderte, kam mir auch ein Pole entgegen. Er forderte mich auf, den Pullover auszuziehen. Als ich mich weigerte, bekam ich die Antwort ins Gesicht. Es blieb mir nichts anderes übrig, als dieses wertvolle Stück auch noch abzugeben. In dieser Angelegenheit war nichts zu machen. Denn es waren Spitzel der Russen. Wenn einer was unternehmen wollte, der wurde einfach von diesem Gesindel beim Russen angebracht, und was dann passierte, davon will ich nicht sprechen. Ich hatte auch noch ein gutes Koppel. Dieses wurde mir später unter denselben Umständen abgenommen. Es kann sich nun jeder denken, wie verwahrlost wir hier herumliefen. Alle 14 Tage wurden wir rasiert. Auch dieses war eine Höllenqual. Beim Ausmarsch aus dem Lager in Prysmisel bekam ich ein gutes Kochgeschirr. Auf einmal kam der Befehl, daß alle, die ein Kochgeschirr hätten, antreten müßten. Was war der Sinn der Sache? Wir mußten alle unser Kochgeschirr abgeben und wurden wieder entlassen. Für eine Tagesration Brot bekam ich von einem Kameraden eine Konservendose. Bis dahin hatte ich mit Heinrich Arnemann, der so einen unendlich großen Pott hatte, mit empfangen. Aber das war auch kein Dauerzustand mehr. Ich machte die alte Konservendose schön zurecht, ein Drahtbügel wurde daran gemacht, und so wurde der Schaden wieder behoben. Interessant war es, wenn so ein Pferdestall von den Polen besetzt und gefilzt wurde. Die Kameraden waren ja so gerissen. So flogen oft ganze Bündel mit Zeug durch die kleinen Fenster auf den Lagerplatz. Diese wurden dann von den Kameraden, die schon gefilzt waren und vorher von den anderen verständigt waren, in Empfang genommen und verschwanden unter die Menge. Liegen lassen durften wir nichts, denn sonst war es verschwunden. Mit vorsintflutlichen Werkzeugen machten einige Nadeln aus Kupferdraht. Nun hatten wir uns auch so ein Ding gegen Brot eingehandelt. So war das ganze Lager bald am Sticken. Jeder bunte Stofffetzen wurde aufgeribbelt, und so hatten wir Stickgarn. Jeder, der aus Westfalen war, stickte sich das springende Roß für die Mütze. Nun konnten wir leicht erkennen, wer aus Westfalen war. Auch war ein Schmied im Lager. Der hatte sämtliche Schmiedewerkzeuge an die Mütze gestickt und noch dazu den Spruch: „Schmiedeblut ist keine Buttermilch.“ So wurde die Langeweile im Lager vertrieben. Jeder hatte seine Beschäftigung. Als einmal ein schöner Gewitterschauer war und der schöne Mai Regen vom Dach herunterlief, standen wir alle, wo noch Platz war, unter den schönen warmen Regen und badeten uns. So wurde jede Gelegenheit wahrgenommen. Wenn es aber etwas geregnet hatte, dann war der Lagerplatz ein Morast. Die Füße konnte man in den aufgeweichten Lehmboden nicht losbekommen. Dann war es schlimm für diejenigen, die das Essen holen mußten.

Nach Kiev


Eines Tages mußten wir uns alle am rechten Rockärmel das Gefangenenzeichen annähen. Das heißt auf deutsch „Woina Plen“ – Kriegsgefangener. Aber da dauerte es auch nicht lange. Wir wurden auf russisch untersucht, und eines guten Abends antreten, und ein großer Zug konnte das Lager verlassen. Diese Nacht mußten wir draußen vor dem Lager auf der Straße bleiben. Obschon es eine sehr warme Nacht war, war es doch am andern Morgen kalt. Wir hatten ja auch kein Abendessen gehabt. Am andern Morgen ging es nun zum Bahnhof, wo wir wieder zu je 60 Mann im Waggon verladen wurden. Die Türen wurden verschlossen, und die kleinen Fenster waren mit Stacheldraht verriegelt, so daß keiner ausreißen konnte. Nachdem wir gegen Mittag verpflegt wurden, ging die Fahrt am Abend los. Wie wir am Abendrot feststellen konnten, ging die Fahrt gen Osten. Aber wie sahen wir am andern Morgen aus: Schwarz wie die Raben, denn wir waren in einen Kohlenwagen einquartiert worden. Dieses fiel nicht auf, denn jeder war schwarz und unrasiert. Morgens und abends wurden die Türen der Waggons aufgemacht zum Empfang des Essens. Aber es durften nur zwei Mann heraus, die Essen holen wollten. Aber wie waren wir froh, wenn die Türen geöffnet wurden. Es mußte ja unbedingt gelüftet werden. Jeder Waggon wurde dann von den russischen Posten genau untersucht, ob wir auch kein Loch irgendwo gemacht hätten, wo wir flüchten könnten. Wenn wir auf den großen Bahnhöfen Aufenthalt hatten, überholten uns viele russische Lazarettzüge, die zum Osten führten. Einmal hatten wir Glück. Als ein Lazarettzug neben uns Halt machte und wir gerade Essensempfang hatten, wurde uns von den Leichtverwundeten Tabak zugeworfen. Das hatte aber bald ein Ende, denn der Posten kam dazwischen. Wenn nun mal einer Glück hatte, so war er doch nicht lange Herr darüber. Das schönste und auch das schrecklichste waren die Parolen, die immer gegeben wurden. Der eine hatte dieses und der andere hatte das gehört. Einmal waren wir auf der Fahrt nach Moskau, dann von Baku zu den Ölfeldern. Der andere wollte wissen, daß wir bestimmt zum Donetzbecken kommen würden im Kohlenbergbau. Dann nach Sibirien zum Eisenbahnbau oder Kanalbau im Ural. Ein anderer hatte gehört, daß wir auf einer großen Kolchose kommen würden. usw. Als wir nun so 2 Wochen unterwegs wären konnten wir auf einen großen Bahnhof aussteigen. Wir wußten aber nicht wo wir wären. Wie sahen wir bloß alle aus. Total schwarz und alle lange Bärte. Es wurde uns aber schon ganz anders. Denn wenn man 2 Wochen im verschlossenen Waggon untergebracht war und zudem brannte die Sonne so unbarmherzig auf unser Waggon, daß es darin nicht zum Aushalten war. Jetzt wurde es aber besser. Wir mußten uns in 10er Reihen aufstellen und dann ging erst wieder die Zählerei los. Unter diesem Kommando war aber schon ein Deutscher, der sehr gut russisch sprach. Da wurden wir erst in Kenntnis gesetzt, daß wir in der Hauptstadt der Ukraine K i e w waren. Nun wurden wir, so schwarz wie wir waren, in 10er Reihe durch Kiew geführt. Über die Hauptstraße kamen wir an ein wunderschönes Denkmal vorbei, welches uns später gar nicht mehr fremd sein sollte, auch nicht die Straßen und Umgebung. Nun bogen wir in eine mit Kieselsteinen gepflasterte Straße ein und hier wurde Halt gemacht. Hier sollten wir einquartiert werden. Dieses Lager mußte aber von andern Deutschen Gefangenen geräumt werden. Das dauerte eine Ewigkeit, denn jeder wurde wieder gefilzt. Diese Kameraden, die nun für uns Platz machen mußten, waren aber platt als die uns erblickten. Wir lagen auf den warmen Kieselsteinen und wir sahen aus wie die Kongo-Neger. So etwas hatten die Kameraden doch noch nicht gesehen. Zudem hatten wir alle halblange Bärte. Als das Lager nun geräumt war, konnten wir einziehen. Die ganz mageren wurden sofort zurück gehalten. Dazu gehörte auch der Max, mit dem ich in Gefangenschaft kam. Wir mußten nun unseren Platz sauber machen. Aber wir hatten ja nichts! So nahmen wir unsern mit Kohlenstaub noch schmutzigen Mantel und fegten so gut es ging den Raum sauber. Es wurde langsam besser. Als es abends dunkel war, da waren auch die andern Stockwerke besetzt. Wir bekamen dann unsere erste Verpflegung und wir schliefen bis in den nächsten Morgen hinein. Für uns begann in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, ein anderes Leben. Unsere verschworene Gesellschaft war nicht mehr so groß wie in Trachenberg. Es waren nur noch Arnemann, Malack, Both und Hölscher. Wir sammelten uns wieder, hatten unsere Plätze auf der Pritsche nebeneinander. Eigenartiger Weise erzählten wir uns zu 90 % nur vom Essen, Trinken, Essenkochen und Kuchenbacken. Auch wurden schon Rezepte dieser Art ausgetauscht, die wir mit nach Hause nehmen wollten. Was wir hinter uns hatten wußten wir, aber was wir hier in Kiew noch erleben sollten wußte keiner.

Kiew

Kiew ist eine wunderschöne Stadt in einer Hügellandschaft. Hart am Stadtrand fließt der Dnjepr, ein breiter versandeter Fluß, vorbei. Das westliche Ufer nach Kiew zu ist romantisch. Die schönen Hügel, worauf uralte Klöster stehen und verwilderte Anlagen mit schönen ungepflegten Pavillons, macht für uns den Eindruck, daß hier einst Leute gewohnt haben, die auf einer hohen Kulturstufe gestanden haben. Das Westufer ist im Gegensatz dazu versandet und mit Fichten bewachsen. Durch diese flache und mit Fichten Straße nach Charkow mit wilden Fichtenwäldern hört die Kultur wieder auf. Die noch stehengebliebenen Regierungsgebäude sind kolossal massiv gebaut. Theater und die Oper im allerbesten Zustand. Zwei großartig angelegte Stadions machen den besten Eindruck. Es ist das Stadion Dynamo und Stadion Gruschowa. Mitten durch Kiew eine ganz moderne breite Straße, die Grischattek hat einen ganz westlichen Charakter. An den zerstörten Häusern sahen wir, daß hier die Metropole vor dem Kriege war. Ein Reichtum war in dieser Stadt. Von all den Strapazen konnten wir uns nun erst ausruhen. Wir schlenderten durch das Lager und versuchten noch Bekannte zu treffen. Es dauerte auch nicht lange, da hatten wir wieder einen aus unmittelbarer Nähe unserer Heimat: Willi Brinkmann, Friseur von Beruf. Willi hatte einen kennen gelernt, auch aus der Nähe Adolf Blume. Diesen Menschen haben wir auch noch viel zu verdanken. Adolf und noch mehrere andere waren noch von der alten Besatzung und waren geblieben. Er war schon lange in diesem Lager und konnte uns so allerhand erzählen, wie es vorher so gewesen war. Ehe wir nun zum Arbeitseinsatz kamen, wurden wir in den 8 Tagen, die wir noch zur Erholung hatten, 3 mal eine Einspritzung im Rücken, um seuchenfest zu sein. Nachher wurden viele krank, die konnten es nicht ab. Ich wußte aber nichts davon. Unser Lager wurde eingeteilt in 3 Bataillonen. Das 1. lag unten im ersten Stock, das 2. im zweiten und das 3. im dritten Stock. Die Küche war unten im Erdgeschoß, ebenso der Karzer, die Entlausung und Badeeinrichtung. Zum Austreten war ein besonderer Raum mit Dauerspülung. Es waren einfache in die Erde gemauerte Rinnen, die mit Brettern quer übergelegt waren, sodaß einer hinter den andern sitzen mußte. Das war so die Einrichtung in unserm Lager. Angegliedert war auch im 2. Stock ein Lazarett, welches auch für uns entsprechend gut eingerichtet war. Es fehlte bloß oft an Instrumenten und Medizin. Auch hatte das Lager im unteren Stockwerk einen großen Saal. Antifa wurde dieser Raum genannt. In diesem Raum hatten wir unsere Versammlungen, Kinoveranstaltungen wurden dort abgehalten. Auch konnten wir uns in der Freizeit hier aufhalten. Dieser Saal lag nach der Straßenseite und die Fenster waren mit dicken Eisenstangen verriegelt. Neben diesem Raum hatten die Offiziere ihren Schlaf- und Aufenthaltsraum. Gleich daneben war der Frisierraum. Ein Zimmer konnte auch nur von diesem Raum aus betreten werden. Es war das Zimmer der gefürchteten G.P.U. Die 8 Tage, die wir so im Lager herumbummelten, waren auch bald vorüber. Wir wurden schon so langsam in Arbeitsgruppen eingeteilt, damit alles in Ordnung wär, wenn es los gehen sollte. Mit den alten Gewohnheiten des Lagers waren wir auch schon vertraut. So war es auch mit dem Essenempfang. Die 2000 Mann, die im Lager waren, wurden in knapp einer Stunde abgefüttert. Das ging im Galopp. Wo wir doch im 3. Stockwerk lagen, mußten wir förmlich die Treppe herunter springen. Im untersten Stockwerk auf dem Treppengeländer saß so ein rumänischer Jude in Zivil und leitete den Ablauf, damit es keine Stockung geben sollte. Er hatte eine Trillerpfeife und wenn er pfiff und wir waren dran, dann mußten wir uns so schnell wie möglich die Treppe herunter stürzen. Es ging dann schnell am Essenkübel vorbei, dann an der Brotecke und dann im schnellsten Tempo wieder nach oben. Man mußte sehr vorsichtig sein, denn die andern kamen uns auch schon wieder entgegen gestürzt. Über diesen Galopp haben wir uns doch oft herzlich amüsiert, es war oft zum Lachen. Mit unserem Essen waren wir sehr enttäuscht. Wir hatten gehofft, ein gutes Essen zu bekommen, aber es war sehr schlecht. Das war für uns die größte Enttäuschung, die wir haben sollten. Aber mit welchem heiligen Ernst haben wir unsere Wassersuppe verzehrt und unsern Brotkanten 400 gr schmeckte uns besser wie der beste Kuchen zu Hause. Trotzdem wir erst ein paar Monate in Gefangenschaft waren, faselten wir schon immer von zu Hause, von den schönen Bratkartoffeln, dem Pudding und den Bienenstich. Wir konnten es nicht begreifen, wie wohl das Gefühl wäre, einmal satt zu sein. Sonst war uns alles so ziemlich gleichgültig. Wir waren schon mürbe geworden. Wir warteten nur darauf, was unsere neue Beschäftigung sein würde. Aber einmal ging es doch los. Ich war bei der Gruppe 7/1. Bei jeder Gruppe hatten wir einen Brigadier. Unsere Gruppe 7/1 mußte heraustreten. Erst wurden wir vom Brigadier gezählt, als wir das Stockwerk verließen, dann beim Eintritt in den Antifasaal. Dann noch einmal von einem Russen beim Verlassen des Antifasaales, dann waren wir auf der Straße, wo wir uns in Marschordnung aufstellen mußten und den russ. Begleitposten übergeben wurden. Nun wurden wir wieder auf der Straße gezählt und dann ging es Abteilung Marsch in Richtung zur Arbeitsstelle.

Unsere erste Arbeitsstelle war nicht weit. An der Hauptstraße der schönen Chrischattek wurden wir in ein Trümmerfeld geführt und mußten dort Mauern abbrechen, Steine putzen und Eisenträger fortschleppen, also alle Arbeiten machen, was es so in einem Trümmerfeld gibt. Das schlimmste war, wir hatten kein ordentliches Werkzeug. Aber jetzt wurde schon etwas von uns verlangt. Wir lernten die Norm kennen, das Stachanovsystem war dort eingeführt. Von dem Unternehmer wurden wir dauernd angetrieben. Wir konnten einfach nicht genug schaffen. Wenn wir uns aber bockbeinig anstellten, dann hatten wir verloren. Es gab dann eben keine Prozente und du konntest dich dann nachher bei der berüchtigten G.P.U. oder der NKWD wieder sprechen. Auch bekam man dann abends kein Brot. So wurden wir auf dieser Baustelle förmlich ausgemergelt. Es war auch eine Gruppe dabei, die alte Mauern abbrechen mußte. Tagelang ist alles gut gegangen, aber auf einmal hörten wir gellende Schreie. Die Kameraden, die in der Nähe waren, lagen unter dem eingestürzten Mauerwerk. Mehrere Kameraden wurden schwerverletzt aus den Trümmern geborgen. Während dieses geschah durften wir unsern Arbeitsplatz nicht verlassen. Neben meinen Arbeitsplatz wurden die verletzten Kameraden hingelegt. Und sage und schreibe: unter diesen war auch unser Landsmann Philipp aus Oelde/Westf. Seine abgeschabte Uniform war total zerrissen und blutüberströmt wurde er von einem Posten begleitet, zum Lagerlazarett gebracht. Dort hatte er lange gelegen. Aber auf einmal war er nicht mehr da. Das konnten wir daran merken, weil er sonst uns beim Abmarsch zur Arbeit durch das Fenster des Lazaretts, welches nach der Straße lag, winkte. Wo er geblieben ist, war für uns unbekannt. Es tat uns doch leid, er konnte so schön erzählen. Auch hatte er so schöne Zukunftsromane, wie es alles werden sollte, wenn er wieder nach Hause komme, aber nun kam es so. Auf dieser Arbeitsstelle waren wir Gott sei Dank nur 8 Tage. Dann marschierten wir statt rechts nach links die Hauptstraße entlang.

Nun kamen wir in ein anderes Trümmerfeld an einer belebten Straßenkreuzung. Monatelang waren wir hier. Hier war die Arbeit sehr hart und bitter. Immer das verfluchte Antreiben der Posten. Unsere Norm konnten wir nur schwer erreichen. Wir konnten machen was wir wollten. Aber wir waren schon mehr unter die Menschen geraten. Es kam auch mal vor, daß einer der Mitleid mit uns hatte, eine Zigarette herüberwarf. Mit Lastwagen wurde der Schutt fortgefahren. Das Schlimmste war das Bergen und Verladen der schweren Eisenträger. Wir konnten merken, daß uns bei dieser Arbeit und dem schlechten Essen die Kräfte verließen. Aber Heinrich Arnemann meinte, ich sähe noch sehr gut aus und ich glaubte es auch. Ich bekam ein geschwollenes Gesicht und es war nicht so, wie es wohl sein mußte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zur russ. Ärztin zu gehen. Als ich abends meine Füße sauber machen wollte, bemerkte ich, daß meine Füße sehr stark angeschwollen waren, auch vom Knöchel bis zum Knie. Wie schon viele Kameraden, so hatte auch ich Wasser. Vom Arbeitseinsatz wurde ich befreit und brauchte nicht mehr los. Am andern Morgen bekam ich eine Spritze und nach 8 Tagen war ich wieder arbeitsfähig. Diese 8 Tage Lagerleben war eine Erholung. Weil ich ruhebedürftig war, gehörte ich nicht zu den Leichtkranken. Diese mußten, wenn die Bataillone zur Arbeit waren, die Räume ausfegen und wischen, Treppen reinigen usw. Diese hatten auch niemals Ruhe. Ich dagegen faulenzte auf meiner Pritsche und ließ mich von den unzähligen Wanzen zerbeißen. Wanzen sind übrigens ein Kapitel für sich. Nach 8 Tagen ging die Arbeit wieder los. Da hatte sich auf der Arbeitsstelle etwas geändert. Wir mußten auch das Abladen der Lastwagen mit übernehmen. Diese Arbeit war nicht so schlecht. Wir hatten mehr Ruhe. So dauerte diese Arbeit bis zum Herbst. So war die Parole: Es dauert nicht mehr lange, dann kommen wir ja doch nach Hause. Einmal so und einmal so. Denn nach unserer Meinung konnten wir unter den Umständen, wie die hier im Lager waren, nicht überwintern. Aber einmal bekamen wir doch einen Schreck. Als wir von der Arbeit zurückkamen, waren die Leichtkranken damit beschäftigt, Winterkleidung abzuladen. Echte russische Militär-Wattehosen und Watteröcke. Nun war unsere Hoffnung vorläufig dahin. Was soll das bedeuten? Sollen wir doch noch den ganzen Winter hierbleiben? Einen russ. Winter mit unsern kaputten Schuhen, die wir schon mit Kupferdraht zusammenhalten mußten. Aber die Tage wurden schon kürzer, der Herbst zog ins Land. Nun wechselte unsere Arbeit immer. Unsere Arbeitsgruppe wurde auseinander gerissen. Es arbeitete einer hier und der andere war dort eingeteilt worden. Arnemann hatte den ehrenvollen Auftrag erhalten, mit einer Gruppe die Bordsteine an der Hauptstraße zu setzen. Es war auch keine angenehme Arbeit und zudem recht schwer. Wir freuten uns immer, wenn wir uns abends nach der Arbeit gegenseitig auf der Pritsche besuchen konnten. Am allerliebsten gingen wir zu unserm Freund Adolf Blume. Eigenartigerweise brauchte er nicht zum Arbeitseinsatz. Warum, daß wußte er selber nicht. Er hatte auch gute Verbindungen zur Küche. Und wenn wir ihn des Abends mal besuchten, dann hatte er immer etwas für uns zurechtgestellt. Das konnten wir uns dann teilen. Wir mußten auch dabei vorsichtig sein, denn die andern Kameraden durften es nicht wissen und wir mußten unsere Quelle geheim halten. Einmal schenkte er uns eine richtige Zwiebel, dieses war für uns ein ganz besonderes Ereignis. Es gab bei uns im Lager oft so schöne Fischsuppe. Ich hatte darauf auch mal so einen Heißhunger, daß ich Adolf bat, mir doch mal seinen Topf Fischsuppe zu überlassen.

Eines Morgens hatte er für mich einen großen Topf voll dicker Fischsuppe und ich konnte nach Herzenslust essen, so viel ich wollte. Da bin ich einmal richtig satt geworden. Adolf war jetzt das, was Walter Plückelmann in Trachenberg für uns gewesen war. Er hatte auch immer etwas Neues zu erzählen und wußte es auch so schön zu bringen, sodass wir nachts ruhig schlafen konnten. Er hatte einen unbändigen Glauben, daß wir bald nach Hause kommen würden. Er war eben ein Teufelskerl. Auch hatte er ein gutes Ansehen bei der russischen Lagerleitung. Er hatte auch mit mehreren Lagergrößen ein besonderes Zimmer. Dort verkehrte nur die Lagerprominenz. Deshalb gingen wir auch nur dann zum Essenholen, wenn die Luft ziemlich rein war. Und so standen wir oft stundenlang und warteten darauf, bis wir eintreten konnten, denn wir durften ihn doch auch nicht in Verlegenheit bringen. Es hatte auch seinen Grund, daß er nicht zum Arbeitseinsatz kam. Diesen hat er uns aber verschwiegen. Mit Äußerungen mußte man recht vorsichtig sein, denn im Lager wimmelte es nur von Spitzeln. Daher kam es dann oft, daß dieser oder jener nachts zur NKWD mußte und nicht wiederkam. So ging es auch leider unserem lieben Adolf. Wie uns erzählt wurde, hat man ihn mit mehreren Kameraden im Gefängniswagen in der Morgenfrühe abgeholt. Am Abend vorher wußte er es noch nicht. Wir waren noch bei ihm und holten uns noch einen Kanten Brot. Wir hatten wieder einen guten Kameraden verloren.

Das Leben ging in seiner Alltäglichkeit weiter. In der Hauptsache waren wir immer mit Aufräumungsarbeiten an der Hauptstraße beschäftigt. Zum 1. Oktober mußte alles in Ordnung sein. Auf der großen breiten Hauptstraße sollte die Militärparade stattfinden. Große Tribünen wurden gebaut, riesige Bilder von den Sowjetgrößen aufgestellt. Auf der Straße sahen wir oft hohe Offiziere aus dem Ausland in wunderbaren Uniformen. An diesem Tage hatten wir frei. Es war der Tag der Feier der russischen Revolution. Wir durften aber von all dem nichts sehen, denn die Räume nach der Straße zu mußten für den Tag geräumt werden. Das Brummen der vielen Flugzeuge, das Rasseln der schweren Panzer und abends die Scheinwerfer und das großartige Feuerwerk konnte unseren Augen doch nicht entgehen. So gingen wir langsam in den grausamen russischen Winter hinein. Aber so ein Feiertag geht auch vorüber. Ich bekam eine neue Arbeitsstelle, diese hieß Kirowa. Dort hatten wir die Aufgabe, ein siebenstöckiges Gebäude, welches total ausgebrannt war, wieder in Ordnung zu bringen. Unsere Arbeitskolonne war ca. 40 Mann stark. Erst mußten wir in die Stockwerke schwere Balken ziehen. Diese mußten wir aber selber behauen. Mit der Zeit waren wir sehr geschickt darin. Nach mehreren Monaten waren wir aber damit fertig. Nun waren wir am Mauern und Verputzen. Ich war Polier an der Mörtelpfanne. Das konnte ich am besten aushalten. Es gab da keine Norma, während die Maurer ran mußten, um ihr Soll zu erfüllen. Auch hatte es den Vorteil für mich, daß ich mit den Russen mehr in Berührung kam und so fiel immer etwas ab, wenn es auch nur die geringste Kleinigkeit war.

Ab und zu mußten wir auch Sonntagsgeschichten machen, wenn es in der Woche nicht so gut geklappt hatte. Hinter diesem Gebäude, welches direkt an einem hohen Hügel lag, waren wunderbare Anlagen. Vom vierten Stockwerk konnte man über eine Brücke in diese Anlagen gehen. Auf diesem Hügel stand ein zerstörtes Regierungsgebäude. Von hier aus konnte man ganz Kiew übersehen. Dieses Regierungsgebäude wurde aber ausgeschlachtet. Unsere Eisenträger und alles, was zum Bau gebraucht wurde, holten wir dort heraus. Das war keine schöne Arbeit. Die Witterung war schon herbstlich geworden. Eines Sonntagsmorgens konnten wir unsere Winterkleidung empfangen. Jeder bekam eine Watthose, Watterock und eine Pelzmütze. Noch nie im Leben hatte ich eine so gute Winterkleidung besessen. Wir waren von den echten Russen nicht mehr zu unterscheiden, nur daß wir unsere Armbinde hatten und sehr schlechtes Schuhwerk besaßen. Auch bekamen wir Fausthandschuhe, diese waren nicht besonders, weil sie von Leinen waren. Jeder kann sich denken, wie wir ausgesehen haben mit dem Schuhzeug. Jeden Morgen war es eine Arbeit, das Schuhzeug für den Tag in Ordnung zu bringen. Die Schuhe wurden mit alten Säcken oder was jeder hatte umwickelt und mit Kupferdraht zusammengehalten. Wehe, wenn einer nicht richtig gewickelt hatte, so konnte es leicht passieren, daß die Bandage sich schon auf dem Wege zur Arbeit löste. Aber es mußte ja weitergehen. So marschierten wir den ganzen Winter durch Wind und Regen, Schnee, Kälte und Matsch. Auch hatten wir keine Gelegenheit, unsere durchnäßten Kleider und Fußlappen zu trocknen. Alles mußte am Körper wieder trocken werden. Oh, was waren wir arme Menschen, wenn wir in Schnee und Regen in den Trümmern waren und Steine putzten. Für uns gab es eben keinen Wetterschutz. Immer mußten wir draußen bleiben. Wie waren wir glücklich, wenn es Feierabend war und wir wieder im Lager ankamen. Wir freuten uns dann, wenn wir uns gegenseitig auf den Pritschen besuchen konnten. Sonst hätten wir auch genug Arbeit, um unsere Kleider in Ordnung zu halten. Da wir jetzt mit der Bevölkerung in Berührung kamen, hatte jeder auch schon bald sein Nähzeug. Wirklich nette Flicken hatten wir uns oft in die Hosen genäht. Es war ja auch ganz gleich, wie es aussah. Wer aber nicht auf Ordnung und Sauberkeit hielt, der verkam total.

Einen Sonntag war immer Entlausung und am andern war Entwanzung. Die Entlausung war immer in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag. Wir konnten uns auch dann gleichzeitig baden. Es ging immer der Reihe nach. Erst das Erste, dann das Zweite und zum Schluß das dritte Bataillon. Unser Lager war ja bekanntlich in 3 Bataillone eingeteilt. Die Entlausung dieser 2000 Mann dauerte gewöhnlich von Sonnabend abends bis zum Sonntagvormittag. Es waren auch welche, die sich davor drücken wollten. Deshalb mußte immer der Gruppenführer mit seinen Leuten antreten. Wir mußten dann ohne Rucksack mit unserem ganzen Hab und Gut antreten. In einem kleinen Vorraum mußten wir uns ausziehen, unsere ganzen Sachen, was wir so hatten, auf einen großen eisernen Ring aufreihen. Dieser Ring wurde uns ausgehändigt wenn wir den Vorraum betraten. Wenn wir nun unsere ganzen Sachen an den Ring baumeln hatten und wir schon auf den kalten Zementfußboden kalte Füße hatten, konnten wir die Sachen am Schalter zur Entlausung abgeben. Mit einer großen Nummer wurden die Sachen gekennzeichnet. Diese Nummer mußte man sich merken. Wenn die Gruppe alles abgegeben hatte konnten wir den Baderaum benutzen. Jeder wollte natürlich der 1. sein, denn für die 50 Mann waren nur ca. 30 Waschschüsseln da. Es waren auch noch mehrere Brausen vorhanden aber es war so eine Sache, Es konnte vorkommen, daß man sich gut eingeseift hatte und abspülen wollte, daß das Wasser schon abgesperrt war. So eine Baderei war immer mit viel Lärm verbunden. Der eine hatte den andern die Waschschüssel abgenommen, der andere machte nicht schnell genug, so war immer Krach da. Auf Kommando "Fertigmachen" mußte die Baderei aufhören, denn dann gab es kein Wasser mehr. Dann kamen wir in einen andern Raum, wo wir unsere Sachen wieder in Empfang nehmen konnten. Einzeln wurden die Sachen herausgegeben wenn man die Nummer laut ausgerufen hatte. Dann war es eine Wohltat, wenn man sich die noch heißen Sachen wieder anziehen konnte, besonders im Winter. Die eisernen Ringe mußten wir dann wieder am Eingang des ersten Vorraumes abgeben. Wenn wir nun diesen Vorgang hinter uns hatten drehten wir uns eine Machorka, diese schmeckte uns besser als früher zu Hause die Attika. Mit der Entwanzung war es ebenso. Dieses war immer am Sonntagmorgen. Im Lager war es dann sehr ungemütlich. Unsere Pritschen mußten wir dann, mit allem was wir hatten, räumen. Wir wußten mitunter nicht wo wir uns dann aufhalten sollten, denn das Lager war klein und hatte nur einen ganz bescheidenen Hof. Die abkommandierten Leute mußten dann erst die Pritschen abfegen und heißes Wasser von unten holen. In diesem Wasser kam eine Lösung, welche nach Lysol roch und damit wurden die Pritschen gründlich abgewaschen. Auch Tische und Stühle mußten daran glauben. Mit heißem Wasser wurde auch nicht gespart. Wie so ein Raum dann aussah kann sich jeder denken. Dieses mußte aber alles wieder mit Säcken aufgefüllt werden. Es ging dann mit dem heißen Wasser herauf und mit dem dreckigen wieder herunter. Wer mit dem Eimer bis zum 3. Bataillon mußte, so waren es immer 90 Stufen herauf zu klettern. Dieses dauerte auch den ganzen Vormittag. Wir konnten dann wieder unser Lager beziehen. So wurden wir immer in Bewegung gehalten. Es ist nicht zu glauben wieviel Wanzen wir in den alten Holzpritschen hatten. Diese wurden vorher, wenn die Bretter noch trocken waren, abgeklopft, dadurch wurden die Wanzen so richtig wach und fielen dann herunter. Dann war der Betonfußboden, worauf die Pritschen standen braun mit Wanzen übersät. Auf einer Fläche, die so groß war wie die Handfläche, konnte man 100-200 Wanzen herumkrabbeln sehen. Am schlimmsten waren die kleinen. Die ersten Nächte nach der Entwanzung bissen diese wie besessen. Dann wurde es so langsam besser. Aber 14 Tage nachher konnten wir uns nicht mehr dagegen wehren. Die Wände in unserm Raum waren weiß gekalkt, daran liefen die dicken Wanzen umher. Diese wurden natürlich dort sofort ums Leben gebracht, einfach an der Wand tot gedrückt. Aber es stinkt schrecklich so eine tote Wanze. So war unsere schöne gekalkte Wand bald von lauter Wanzenblut beschmiert. So kam dann auch ein Befehl heraus, daß das Töten von Wanzen an der Wand verboten sei. Die Wände wurden neu gestrichen aber unsere Wanzen haben wir weiter kaputt gedrückt. Am andern Morgen, wenn die Blutflecke an den Wänden trocken waren wurden diese Stellen einfach mit Kreide, die wir ja auch hatten, wieder weiß gemacht. Dann hatten wir Ruhe und der Sonntagnachmittag war für uns.

Wenn wir unser Mittagsschläfchen gehalten hatten kamen wir zusammen aus der engeren Heimat. Wir tauschten dann Parolen aus, der eine hatte dieses und der andere das gehört. Diese Hoffnung hat uns hoch gehalten, denn Weihnachten stand vor der Tür und jeder dachte doch bestimmt, daß er dann wieder zu Hause sein kann. Adolf von Ahlen, wenn der zu uns kam, der wußte immer etwas neues. Wir sollten auch nachher noch gute Kameraden sein, wir wollten uns gegenseitig immer helfen. Was ich alles haben sollte, Heinrich Arnemann wollte mir jedes Jahr einen Ctr Weizen schenken und noch einen großen Korb voll Äpfel, es kam gar nicht darauf an, kannst auch noch mehr kriegen. Von Kurt aus Batenhorst bekomme ich noch viel mehr. Was ich ihnen aber alles versprochen habe, auch ich kann mein damals gegebenes Gelübde auch nicht halten, genau so wie es die andern auch nicht können. Auch faselten wir darüber wie es sein sollte wenn wir zusammen nach Hause kommen. Natürlich werden wir auf dem Bahnhof abgeholt. Aber erst wollten wir dann beim Bahnhofswirt Paul Haski einen echten Sendenhorster Schnaps trinken. Dann sollte es nach Schlachter Koch gehen und dort wollten wir uns mal gehörig satt essen, so ein richtiges Kottelet, nicht eins, sondern gleich 3–4 sollten es sein. Um uns nicht den Magen zu verderben, anschließend nach Theodor Jönsthövel, der gleich gegenüber liegt. Dort soll die Flasche Doppelkorn nicht vom Tisch herunter bis sie leer ist. Dort wollten wir dann unsere nächsten Angehörigen erwarten und vor lauter Freude und Übermut wollten wir dann Veilchenblau nach Hause gehen. So sollte der Freudentag aussehen, so hatten wir unsere Vision. Jeder kann sich denken, daß wir über diese Gespräche oft selbst lachen mußten. Aber es war nicht so wichtig, die Zeit ging dahin und die Langeweile. Um 7 Uhr war Essenempfang und sage und schreibe waren wir schon eine Stunde vorher dabei unseren Essentopf bereit zu halten. Wir hatten uns auch nebenbei die meiste Zeit über Essen und Trinken unterhalten. Denn den schönsten Sonntagskuchen zu Hause den hatten wir hier in Rußland verpaßt. Den schönen Bienenstich und die schöne Erdbeertorte mit Schlagsahne, ach uns lief immer das Wasser im Munde zusammen. Es ist alles nicht so wichtig, Weihnachten sind wir ja doch zu Hause. Der eine russ. Offizier hatte es zum Friseur erzählt: Es war eine Parole und wir glaubten steif und fest daran. Gegen 7 Uhr hieß es dann Essenempfang. Dann stürzten sich die Kolonnen geordnet die Treppen herunter, so wie ich es schön erzählt habe. Ab und zu gab es Abends Kascha. Das war etwas besonderes. Wenn wir dann die Treppe wieder herauf kamen und hatten unsere Konservenbüchse mit Suppe, in einer Schale oder Töpfchen der Kascha und in der andern Hand unseren Kanten Brot, dann wurde dieses mit einem besonderen Hochgenuß verzehrt. Es kam auch oft vor daß etwas Essen übrig geblieben war, dann gab es in der Küche Nachschlag. Dabei gab es fast immer Keilerei. Ach ich muß wieder schreiben, daß der Hunger so weh tut. Stundenlang haben wir oft vor der Küchentür gestanden. Fort getrieben hat man uns dort, aber es half nichts, immer war die Tür belagert. Einige hatten Glück die konnten einfach zu jeder Tageszeit zur Küche gehen und sich Essen holen. Diese hatten eben das Glück, daß sie einen Landsmann in der Küche hatten. Wie wurden diese Leute beneidet. Vor Neid und Mißgunst hätte man diesen Leuten das Essen aus der Hand reißen können. Mit Winterkleidung waren wir ja gut versorgt und mit Sorgen sahen wir in die Zukunft. Aber warum Sorgen machen. Es kommt ja doch so, wie es kommen muß, wir sind es ja gewohnt alles bedingungslos hinzunehmen. Es ist ja alles selbstverständlich. Wir sind nur noch Tiere, die alle Befehle gleichgültig hinnehmen müssen. Das Innenleben fehlt vollständig, es ist so, als wenn alles eingetrocknet ist. Die Gedanken sind so ganz anders eingestellt. Es ist ja nur der Selbsterhaltungstrieb, der Gedanke am Leben, dann kommt das Gewissen, welches dich aus dem Innersten anschreit. "Sorge und kämpfe für die Erhaltung deiner Gesundheit und des Lebens. Gerade dieser Kampf ist so hart, der große Hunger mahnt das Gewissen immer wieder und zwingt den Menschen in härtester Not dazu, die göttlichen Gebote über Bord zu werfen; die hier keinen Sinn mehr haben. Alles ist paradox.

Du sollst nicht stehlen, so ist uns früher gelehrt worden. Auf Leute, die nicht ehrlich waren, haben wir mit Finger gezeigt und in dessen Nähe war kein Friede. Mit grenzenloser Verachtung wurden diese Leute gestraft. Es mußte sich eben an die göttliche und staatliche Ordnung gehalten werden. Aber hier war es anders, das Wort "stehlen" wurde nicht gebraucht, aber "organisieren", das klang schon besser, ja sogar vornehm. Und dafür kam dann das russische Wort "zapžarap" oder "zabral": Diese beiden Wörter bedeuteten eins. Es passte ja auch besser zu uns und der Umgebung, denn mit unserer Winterkleidung waren wir von den Russen nicht zu unterscheiden, nur dadurch, daß wir am Rockel das eingenähte Gefangenenabzeichen trugen. Woisse Plehn (B.N.). Für uns war der Begriff "stehlen" ein Anderer geworden. Es waren ja wirklich Leute da, die hatten hierfür, ich möchte sagen, eine göttliche Veranlagung. Diebstahl im Lager (Kameradendiebstahl) wurde sehr schwer bestraft; wenn dabei einer gefasst wurde. Diese Subjekte wurden fast erschlagen und angeprangert. Das war das eigene Schnellgericht im Lager. Wie das vor sich ging, nur ein Beispiel: Einer hatte von einem Kameraden Brot geklaut und war dabei erwischt worden. Auf einmal im Nebenraum ein Krach und Geschrei. Zerschunden und fast totgeschlagen wurde er zum Saalausgang geschleppt. Dem Verbrecher wurde nun ein Schild umgehängt, darauf stand: "Ich bin ein Dieb, ich habe meinem Kameraden Brot gestohlen, ich bitte jeden, der vorbeigeht, um eine Ohrfeige als Strafe." So wurde dieser Mann auf eine Bank gestellt, er mußte die Arme immer waagerecht vom Körper halten. Er ist aber unter den Ohrfeigen zusammengebrochen und kam ins Revier, wo er erst nach 14 Tagen entlassen wurde. Dieser Mann wurde mit Recht geächtet. Nun die andere Seite. Es ist ein besonderes Kapitel für sich "zappzarapp". Es ist etwas, was sich für jeden in Gefangenschaft lebenden wiederholt. Wer dabei das größte Glück hat und das meiste heranschafft, der ist der Mann, der steht bei allen hoch in Ehren. Alle buhlten um dessen Freundschaft. Diese gute Gabe hatte auch Walter Both aus unseren Freundeskreisen. Eines Sonntags hatte er das Glück, und kam mit einem Sonderkommando zum Güterbahnhof Kiew um dort etwas zu verladen. Es dauerte nicht lange, da hatte er im Güterschuppen Tabakballen entdeckt. Da war er nicht mehr zu halten. Kurz vor Mittag machte er sich ran, einen Ballen aufgetrennt und alle Hosenbeine voll Tabak gestopft. Überall, wo noch Platz war, wurde dieses mit Tabak ausgefüllt. Bei diesem Vorgang wurde er aber vom Posten überrascht. Aber die Luft war für beide rein. Dieser half nun noch in aller Eile, nun wurden die Hose und Rock mit Hilfe des Postens vollgepresst. Er hatte ja zum Glück einen weiten Fahrermantel, den er zumachen konnte. Das schlimmste war, er konnte kaum gehen. Auf Anweisung des Postens brauchte er bis Mittag, um nicht aufzufallen, nicht zu arbeiten. Mit dem Posten ging es halb und halb. Aber der gute Walter Both hatte vergessen, daß der Stoff der Winterkleidung nicht der Beste war, sondern oft recht morsch und brüchig sein kann. So hatte er auch sein Pech, denn als er sich einmal setzte, da merkte er, daß seine Hose hinten geplatzt war. Dieser Schaden wurde ja schnell behoben und mit Draht wieder zusammengezogen. Aber unterwegs platzte die Naht wieder auf und ab und zu fielen Tabakblätter heraus, er hatte Tabak-Durchfall. Als wir im Lager ankamen, hatte er Beine, so dick wie ein Elefant, denn der Tabak war nach unten gerutscht. An dem Posten aber, der sofort unauffällig ins Lager nachgeschlichen kam, zog seinen Teil aus Walters Hose und verschwand ebenso unauffällig, wie er gekommen war. Aber so ein glückliches Gesicht habe ich selten gesehen wie da, als sich Walter sein Vermögen, das Wertvollste, was es im Lager gab, aus der Hose zog. Für die allernächsten Freunde und Bekannten hatte er auch ein Herz und hat uns gut bedacht. Aber wie waren wir glücklich, einmal richtigen Tabak zu rauchen. Zu der Zeit wurde man viel angebettelt; Kumpel las mal’n Zug machen. Am allerbesten konnten es die Rumänen und Ungarn (Zigeuner), die auch mit in unserem Lager waren. Auf dem schwarzen Markt war bei den Rumänen und Ungarn alles zu haben, dort konnte man kaufen und verkaufen. Tabak, Zucker, Öl, Brot usw. war alles zu haben. Nur um Rubel zu haben, verkauften diese ihre Tagesrationen. Wenn einer was haben wollte, dann in den meisten Fällen nur gegen Brot oder eine Portion Suppe. Es war auch große Mode geworden, Kartoffeln zu organisieren. Diese wurden dann auf einer Reibe gerieben und wenn nun die heiße Suppe beim Essenempfang darauf geschüttet wurde und dann sofort verrührt wurde, dann war die Suppe aber dick, das war die Kartoffelstärke. Dieses war wirklich eine Delikatesse. Wer eine Wurzel (Möhre) hatte, das war etwas besonderes. Die gerieben, mit etwas Zucker vermengt, war ein Leckerbissen. Dieses schmeckte uns so schön und wir kamen schon auf den Gedanken, wenn wir mal wieder zu Hause sind, uns davon mal so richtig satt zu essen. Als sich nun nach Monaten im Lager alles so richtig eingespielt hatte, da wurde eine Lagerpolizei aufgestellt, die überall für Ordnung zu sorgen hatte. ZB: Essen-Empfang, vortreten usw. Also man mußte sich etwas in acht nehmen vor diesen Leuten. Diese hatten es aber auch nicht leicht, denn überall gab es erregte Gemüter, weil sich mancher überhaupt nichts sagen lassen wollte. Deshalb gab es des Öfteren Zwischenfälle. Unwirtbare Haufen waren es, die sich da zertrampeln ließen, es waren Menschen, denen die Nerven durchgegangen waren. Unter diesen Umständen hatte es die Lagerpolizei oft schwer. Aber sie hatte wieder den Vorteil und kam mit der Küche mehr in Verbindung. Dieser Vorteil überwog doch die Schattenseiten, dann auch noch den Vorteil, nicht zu arbeiten. Das war ja auch viel wert, denn es wurde Winter und wenn wir daran dachten, schauderte es uns allen. Unter diesen Lagerpolizisten war auch einer, mittelgroß und mit einem auffallendem jugendlichen Gesicht. Er hatte besonders viel auszustehen, das kam daher, weil er so jung aussah. Er mußte auch sein Wort machen, sonst taugte er nichts bei den Russen, er war sonst ein netter Mensch. Auch daß er Bildung hatte, konnte man ihm anmerken. Mit Vornamen hieß er Clemens und stammte aus Westfalen. Wir kannten uns damals noch nicht so genau und ahnten auch noch nicht, daß er später zu unserem engsten Freundeskreisen gehören sollte. Mittlerweile waren wir schon mitten im Winter drin und unsere Hoffnung, Weihnachten im Hause zu sein, war geschwunden. Die Arbeit in den Trümmern hatte uns schon arg gesundheitlich zugesetzt. Es gab ja kein Erbarmen. In Regen und Schnee, hungrig und frierend arbeiteten wir draußen. Die Ambulanz, das angegliederte Lazarett war überfüllt. Die Kranken lagen nur mit Strohsack und einer Decke auf dem Flur. Es war zum Gotterbarmen und mancher war froh, wenn er zu diesem Krankenlager kam, dort fand man etwas Ruhe und Erholung. Vor allen Dingen war das Essen hier etwas besser. Auch fiel immer etwas ab, denn die Kranken hätten ja doch keinen Appetit. Der russischen Ärztin standen deutsche Ärzte zur Betreuung des Lazaretts zur Verfügung, das Pflegepersonal waren deutsche Gefangene, meistens Sanitätspersonal, aber diese konnten ja auch nicht helfen. Unter den Händen starben ihnen die Kameraden weg. Ja dort war ein großes Elend. Die vielen Unglücksfälle und Lungenentzündungen wurden zu alltäglichen Krankheiten. Aber diese verstand der Russe schnell zu heilen. Es war der russische Lagerleitung ja auch viel daran gelegen, täglich viel Leute rauszuschicken.

Unsere Arbeitsbrigade mußte die Arbeit in den Trümmern einstellen und dafür einen ausgebrannten Häuserblock von Bauschutt und Mauerwerk befreien. Dieser Block lag an einer belebten Straße, war aber durch ein Bretterverschlag von der Straße abgeriegelt, nur eine Durchfahrt war freigelassen. Neben dem Häuserblock lag ein halb-fertiger Neubau und zum größten Erstaunen arbeitete dort in der Brigade Walter Both. Der Brigadier war der jugendliche Polizist: (Nebenbei bemerkt; die Lagerpolizei wurde nach kurzer Zeit wieder aufgelöst und Clemens Redeker war Brigadier geworden). Clemens mußte nun dort seine Herde zusammenhalten. Aber bei Walter Both mußte er oft ein Auge zudrücken. Die beiden hatten aber eine gemeine Sache, dahinter sind wir erst später gekommen. Both war ein großartiger Organisator geworden, das war nur allzu gut bekannt. Clemens und Walter hatten auch immer Rubel keiner konnte sich das erklären. Da wir nun in direkter Nähe dort arbeiteten und Clemens mit seiner Brigade durch unsere Durchfahrt mußte, kamen wir bald dahinter. An dem ca. 50 m langen Bretterzaun nach der Straße zu, hatten wir schon öfters einen Russen gesehen, mit einem Bündel Holz. Solche Bilder sieht man nicht, weil es etwas alltägliches ist: Aber der Zufall will es, daß ich einen passenden Balken suchte, diese lagen vereinzelt am Bretterzaun. So kam ich denn auch in unmittelbarer Nähe von dem Russen, dieser hatte mein Kommen bemerkt. Ich merkte wohl, daß er in Verlegenheit war. Sein Benehmen machte mich doch neugierig und ich ging auf ihn zu; und siehe da, es war unser Walter Both. Er war am Holzverscheuern „Drogen nowa“ sagte er immer, wenn einer vorbeikam. Es dauerte auch nicht lange und er war sein Bündel Holz los. 20–25 Rubel hatte er wieder verdient. Clemens Redeker war stiller Teilhaber. Wenn das Geschäft nun gut ging, dann fiel für uns auch etwas ab. Seine Wattejacke mit dem Gefangenenabzeichen hatte er mit einer alten Russenjacke vertauscht und so viel es ja nicht auf. Mehrere Male war er schon mit einem Bündel Holz auf dem Basar. Er riskierte eben Hals und Kopf. Aber er hatte Glück gehabt. Auf unserer neuen Baustelle wurde es aber auch interessant. Bei Aufräumungsarbeiten machten wir allerhand Entdeckungen, für die Umgebung hatten wir wenig Zeit, denn im Schutt war manchmal vieles zu finden, das hatten wir schon festgestellt.

Eines Tages, als wir mal wieder im Schutt zu tun hatten, sah ich etwas blitzendes. Es war ein schlichter Ehering. Die Freude war groß, denn wenn es Gold ist, so bedeutet dieser Fund ja ein Vermögen. Fritz Darlinghaus und ich waren gerade beim Hacken und Schaufeln als ich den Fund machte. Er war doch etwas neidisch und bedauerte es nur, daß er ihn nicht gefunden hatte. Fritz stammte auch aus Westfalen oder aus dem Oldenburgischem. Er kam als Feldgeistlicher in Gefangenschaft und er hatte mit einem Bürgersohn aus meiner Heimat zusammen Primiz gefeiert; also wurde er in Münster i/Westfalen, im hohen Dom zum Priester geweiht. Er erzählte noch oft davon. Er hatte eine ruhige, bescheidene Art. Diese passte ganz zu seinem Beruf. Obschon er von seiner priesterlichen Würde vor den Russen keinen Gebrauch machen durfte, fand er es doch als seine Pflicht, Kameraden, die keinen innerlichen Halt mehr hatten, die nichts mehr für sich und die Umgebung gaben, wieder aufzurichten. Er kannte ja unser aller Not, selber mußte er alles mitmachen, nichts blieb ihm erspart. Die großen Schwierigkeiten mußte er so hinnehmen wie wir. Aber er wurde auch für seine priesterliche Güte belohnt, denn das Gewissen machte ihn so glücklich, wenn er einem Menschen geholfen hatte. Unter diesen gegebenen Umständen war es eine Freude mit ihm zu arbeiten. Er konnte viel Spaß vertragen und gute Witze konnte er sich nur so aus den Ärmeln schütteln. Er konnte aber auch das Gegenteil sein. Es waren ja auch Leute unter den Kameraden, die seine priesterliche Würde nur von weiten antasten wollten. Aber dann wußte er sich zu wehren. Dieses kam aber selten vor. Er gehörte auch schon zu unserem Freundeskreis und wir waren stolz auf ihn. Den Wert des Ringes konnten wir beide nicht ermessen. Fritz seine mineral-geologischen Kenntnisse reichten hier nicht aus. Ich ging deshalb zur Nachbarbaustelle zu Brigadier Clemens. Von diesem Fund war er ja auch begeistert und es ist doch so, als wenn er es witterte und Both war auch schon da. Er drehte seine Augen im Kopf herum, nur noch Rubel sah er. Genau wurde er untersucht und dann war der Ring aus Gold nur noch Doubele. Aber im Lager war ein Uhrmacher, der sollte es doch wohl wissen. Unsere Neugierde mußten wir bis zum Abend im Lager vertrösten. An diesem Abend war Clemens mit seiner Kolonne etwas eher abmarschiert. Wir hatten unsere Norm noch nicht erfüllt, die Lastwagen mußten noch erst mit Schutt beladen werden. Etwas später kamen wir im Lager an und Clemens und Walter Both warteten schon. Sofort ging es zum Uhrmacher. Dieser stellte leider fest, daß es ein billiger Doubele-ring war. Unsere Enttäuschung war groß. Aber dennoch mußte ein Ding gedreht werden. Der Ring mußte an Mann gebracht werden, unter allen Umständen. 300–400 Rubel mußte er immerhin noch aufbringen. Hein Arnemann meinte, das wäre noch zu billig. Both wollte wohl einen Russen damit übers Ohr hauen. Unter 350 Rubel durfte er nicht verkauft werden, obwohl er keine 50 Rubel wert war. Also händigte ich Both den goldenen Doubele-ring aus, mit viel Glück. Fritz, unser seelischer Rechtsbeistand wurde in dieser Angelegenheit nicht zu Rate gezogen. Er hatte auch Verständnis dafür. Aber so wie wir es uns vorgestellt hatten, ging es doch nicht. 80 Rubel war das Höchstgebot, was Both herausholen konnte. Jeder versuchte es. Es waren schon Wochen vergangen, aber ohne Erfolg. Zuletzt wollte es Clemens noch mal versuchen. Auch er trug lange den Ring, bis er in Vergessenheit kam … aus war der Traum. Aber wir schaufelten in unserem Schutt vorsichtig weiter und ich fand einen eisernen Brattopf. Dieser wurde dann schön sauber gemacht und ich stellte mich in Walter Boths Loch im Bretterzaun um diesen Brattopf zu verkaufen. „Brattopf nowa“ (zu deutsch: Topf nötig) und es dauerte auch nicht lange, so hatte ich diesen für 12 Rubel an ein altes Mütterchen verkauft. Es reichte gerade für 4 Stücken Machorka. Auch fanden wir viele Bügeleisen (Setzeisen). Wenn die Luft rein war, so brachte Fritz diese alten Bügeleisen so gut es ging wieder in Ordnung. Aber dafür wurde nicht viel eingehandelt. 8 Rubel brachte es nur ein. Es war wieder etwas. Als wir einmal einen Keller von Schutt säubern mußten, da fanden wir reiche Beute. Aber der Russe in Zivil, der nun auch noch mit beaufsichtigte, hatte Lunte gerochen. Das feinste Porzellan wurde hier gefunden. Von da ab ging er uns nicht mehr vom Leibe. Alles packte er sofort in eine alte Kiste. Aber eine schöne Blumenvase habe ich doch noch gerettet und diese ging auch noch am selben Abend mit zum Lager. Both hatte auch schon ausspioniert, daß der Koch Franz (Küchenbulle) Interesse daran hatte. Ich sollte nur mit ihm selber verhandeln. Aber Rubel hatte er nicht und somit tauschte ich die Blumenvase gegen 3 Pfd. Brot ein. Dieses konnte ich noch am selben Abend um 11 Uhr in Empfang nehmen. Dieser hatte die Blumenvase an die russ. Lazarettärztin verschenkt. Radfahren mußte jeder. Auf dem Schreibtisch der Ärztin in der Ambulanz habe ich die Vase später wiedergesehen. Nicht schnell genug konnte ich mit meinem Brot nach oben kommen. Keiner meiner Schlafnachbarn ahnte, welche kostbare, seltene Beute ich jetzt hatte. Mit dem besten Vorsatz nur eben zu probieren, knabberte ich am Brot herum. Welch eine Glückseligkeit einmal am Brot sich satt zu essen. Als ich aber das Brot geschmeckt hatte, überkam mich ein unmenschlicher Hunger, eine Gier, nur zu essen. Schnell, es könnte verloren gehen, gestohlen kann es werden oder es kann nur ein Traum sein. Das 3 pfundige Brot wurde immer kleiner und meine Gier ließ nicht nach, bis ich noch ca. 150 gr. hatte. Nun konnte nichts mehr passieren. Die Habgier des Essens war gestillt. Für meinen Freund Heinz Melling blieb nichts mehr übrig. Die Habgier und der Hunger hätten gesiegt und das Gewissen hatte kapituliert. Ich hätte doch etwas sparsamer damit umgehen sollen, denn ich hatte ja auch noch einen guten Freund aus meiner Heimat. Aber es war vorbei, ich war satt. Mein Versprechen konnte ich nicht mehr halten. Nachdem ich einige Stunden überglücklich geschlafen hatte, wurde ich schon früh geweckt. Natürlich Mellinghoff vom Angelstrand war es, der seinen Tribut abholen wollte. Ich konnte ihm aber nur noch den Rest von ca 150-200gr. Brot geben. Er machte doch ein langes Gesicht. Er hatte bedeutend mehr erwartet. Aber was sollte ich armer Kerl machen, es war von dem 3 Pfündigen Brot eben nicht mehr übrig geblieben. Er hatte diese. Nacht bestimmt nicht ruhig geschlafen und einen großen Kohldampf mußte er gehabt haben, denn wie ich nachher feststellte hatte er mich um Mitternacht besucht. Aber als am anderen Morgen um 5 Uhr geweckt wurde, hatte ich schon wieder Hunger, obschon nach meiner Meinung das Brot noch gar nicht verdaut sein konnte. Nachher hatten wir aber auf unserer Baustelle kein Glück mehr. Es war nichts mehr los. Wir hatten keine Rubel und auch keinen Tabak mehr, da waren wir froh, wenn uns einmal ein Russe etwas Machorka schenkte.

Aber mittlerweile freuten wir uns schon auf das Weihnachtsfest. Die Parole war ein gutes Essen und Tabak. Mit dieser Hoffnung konnten wir alles überwinden. Die Witterung war ja auch noch nicht so schlecht und die Kälte konnten wir noch gut ertragen. Es war ja eben Winter. Im Lager wurden schon so langsam Vorbereitungen zum Weihnachtsfest getroffen. Verschiedene Arbeitsbrigaden, die Gefangenarbeit hatten, brachten Tannenzweige und anderes Grünzeug mit. Eine kleine Bühne wurde auch gebaut. Es war heilig Abend. "Weihnachten 1945" Im Gefangenenlager No in Kiew Russarw. Dieser hl. Abend sollte ja für uns eine kleine Überraschung sein. Aber seltsam war es, daß wir an diesem Tage genau so lange arbeiten mußten wie an anderen Tagen. Auf unsere Einstellung, wie wir Weihnachten zu feiern gewohnt waren, nahm der Russe keine Rücksicht. Im zweiten Bataillon, also in der mittleren Etage war ein großer Raum so gut es ging. ärmlichst, aber doch festlich geschmückt. Auf selbstgebauten Geigen spielten Deutsche, Rumänen und Zigeuner deutsche Weihnachtslieder. Eine Andacht herrschte in diesem Raum, wie es in der schönsten Kirche der Welt nicht sein konnte. Jeder dachte nach Hause. Von dieser Heiligkeit und Andacht war auch die russ. Lagerleitung und die Ärztin vom Lazarett, die vollständig erschienen waren, sichtlich tief beeindruckt. Die wunderbare, leise Musik griff auf unser Gemüt über. Wie war es doch göttlich, als - ein kriegsgefangener Pfarrer, der auch dasselbe Los mit uns teilte, das Weihnachtsevangelium vorlas. Wie er dort auf dem Podium stand, mit zerrissenen Kleidern und abgelaufenen Schuhen. Eine Stola zum Zeichen der priesterlichen Würde umgehängt hatte. Als ein Zigeuner das Weihnachtsevangelium mit der Geige kaum hörbar begleitete, da war alles Leid vergessen. Alle Augen waren feucht. Vorträge im weihnachtlichen Stil wurden gehalten, welche mit Weihnachtsliedern abwechselten. Als dann aber das deutsche Weihnachtslied "Stille nacht-Heilige Nacht" angestimmt wurde, da war es, als wenn Engel den Wohlklang der Melodie begleiteten. Da konnte man Männer schluchzen hören, keiner konnte jetzt noch die Tränen verbergen. Da wußten wir erst wie arm wir waren. Jeder dachte an die Kinderzeit im Elternhaus, an Frau und Kinder zurück. Auch dachten wir an die grauenvolle Zukunft, die so düster vor uns lag. Mit diesem Lied war die Feier beendet. Es war ja auch mittlerweile schon spät geworden. Viele legten sich bald schlafen und mit dem Gedanken an zu Hause einschlafen zu können.

Jetzt war der erste Weihnachtstag, aber es schien für uns kein Feiertag, zu sein. Morgens um 5 Uhr hieß es wieder "aufstehen". So blieb uns nichts anderes übrig, als uns zur Arbeit fertig zu machen. Aber was war denn los, beim Essenempfang bekamen wir kein Brot und so marschierten wir los, wie wir es gewohnt waren. Unterwegs erzählten wir uns, weil wir doch keine anderen Gedanken fassen konnten, immer von zu Hause. Jetzt kommen unsere Lieben von der Christmesse nach Hause, denn es war 7 Uhr. Es kam ungefähr mit der Zeit so hin. Dann gab es immer einen guten Kaffee und Kuchen. Es war alles in Hülle und Fülle da, wir freuten uns an die schönen Weihnachtsgeschenke, auch rauchten wir die guten Zigaretten und dicke Zigarren mit Leibbinde. Jetzt hatten wir nichts. Hungrig schleppten wir uns durch die Dunkelheit über ganz spärlich beleuchtete Straßen der Baustelle zu Angetrieben wurden wir von vollgefressenen Brigadiren und B.K. Männern. Wie Schäferhunde liefen sie um uns herum. Die Buss. Posten waren oft nicht so schlecht wie unsere deutsche Begleitmannschaft. An diesem Tage wollte die Arbeit doch nicht so recht schmecken, das Mittagessen war auch wie immer und brachte nichts besonderes. Wir waren sprachlos, als wir abends kein Brot bekamen. Wir wußten aber, daß das uns zustehende Brot nachgeliefert wurde, denn das hatte die Erfahrung schon gelehrt, daß uns die Russen nicht um ein gr.Brot betrogen. Am zweiten Weihnachtstag hatte sich die Lage etwas gebessert, Brot gab es noch keins, dafür gab es mehr Kascha. In der folgenden Nacht brachte das Christkind unser noch zustehendes Brot. Dadurch hatten wir alles wieder vergessen, und dachten schon wieder an Sylvester und Neujahr. Parolen schwirrten wieder durch das Lager und so hatten wir wieder eine gute Hoffnung, aber vom Jahresende haben wir nicht viel gemerkt. Wir beglückwünschten uns gegenseitig und wünschten uns im neuen Jahr das Allerbeste, in der Hoffnung, im neuen Jahr die Heimat wiederzusehen.

1946

In der Regel trafen wir uns alle im engen Freundeskreises aus Westfalen im Vorraum des Battaillons. Dort durfte auch geraucht werden, während dieses in den Schlafräumen auch bei Tage verboten war. So trafen wir uns auch an diesem Sonntagnachmittag, denn Sonntagsmorgens war im Lager immer etwas los. Entwanzung, Entlausung und Untersuchung, Wäscheempang. Einzelne Gruppen wurden zum Arbeitseinsatz eingeteilt, Arbeitsfreiwillige gesucht, also immer Remmidemmi. An diesem Sonntagnachmittag waren wir alle zusammen. Fritz Darlighaus, unser Seelsorger, Clemens Radeke als Brigadier war auch dabei. Er war gerade aus dem Lazarett entlassen worden; er bekam des öfteren Malariaanfälle. Wenn er kein Appetit mehr hatte und sein Essen verschenkte, war es immer so weit. Da er aber sehr wenig rauchte, spendierte er uns -auch seinen Machorka. Aber wir hatten alle darin vorgesorgt. Es war eine große Leistung, wenn man in punkto Tabak auskommen sollte, aber heute konnten wir uns alle in Ruhe eine Zigarette drehen, denn so eine in Zeitungspapier gedrehte Machorkazigarette schmeckte sehr gut. So kam es uns heute nicht darauf an, es war genug, Tabak da. Wenn wir von Pferden sprachen, dann hatte Heinrich Melling nur das, Wort, darauf war er ganz stolz, dann wollte er mit seinen Erzählungen gar nicht aufhören. Unser Junge, so nannten wir ihn, war Karl Riedam aus Battenhorst. Den hatten wir in. im großen Lager entdeckt. Melling kam natürlich damit an, aber wie sah er aus, ganz trostlos, den hatten sie aber so richtig ausgeplündert. Das Bild habe ich heutenach Jahren noch vor mir. Er hatte ein mageresganz blasses Gesicht. Eine kurze Fliegerjacke, eine viel zu kurze Reithose und ganz alte Schuhe, ohne Fußlappen hatte er, an Aber das schlimmste war, er hatte damals keinen Mantel mehr. Alles war ihm genommen worden. Er war ja auch Bauer und konnte sich gut in Mellings landwirtschaftlichen Gespräch einmischen. So hatte jeder schon recht bald viele Bekannte. Aber die Stunden der heimatlichen Gespräche gingen schnell vorbei. In der Hauptsache waren diese Gespräche immer die selben. Essen und Trinken, Essenkochen und Kuchenbacken. Wir hatten schon ein ganzes Kochbuch voller Rezepte. Immer hieß es, wenn wir mal wieder zu Hause sind, dann sollte alles mal probiert und versucht werden. In den ersten Januartagen feiert der Russe sein Weihnachtsfest, an diesem Tag hatten wir frei. Dieser freie Tag tat. uns wohl, denn der russ. Winter hatte sehr stark eingesetzt. Unsere Wattekleidung und Pelzmützen bewährten sich jetzt besonders gut. Da es aber mit dem Schuhzeug haperte, kamen noch viele Erfrierungen vor. So gut es ging war der Russe doch besorgt, wenn es außerordentlich kalt. war, mußten wir unser Gesicht mit einer Frostsalbe einreiben. Dieses war von den Russen gut gemeint. Aber das Blödeste war, daß wir auf dem Wege zur Arbeit unsere Hände nicht in die Manteltaschen stecken durften. Das war wieder eine Hirnverbohrte Ansicht der Herren Brigadiere, welche diese, im Sommer gegebene russ. Verordnung, jetzt im Winter rücksichtslos durchführten, denn unser Brigadier war ein großer Lump. Es war Ferdinand Buschmann aus Emsdetten. Ich komme später noch darauf zurück. Bei dieser Kälte wurde doch nicht viel geleistet. Der russ. Posten drückte oft beide Augen zu. Alles Brennbare wurde gesammelt und ein kl. Feuer wurde gemacht, um sich aufzuwärmen. Diese Feuerstellen waren immer belagert. Wenn kein Brennholz vorhanden war, wurde etwas besorgt. Der Bretterzaun an der Straße wurde immer kleiner, denn die Kälte hielt den ganzen Monat Januar an. Mitte Januar wurde ich krank und kam mit hohem Fieber ins Lazarett. Wenn hier auch das Essen besser war, waren aber alle Räume hier ungeheizt und unter der einen Decke war es sehr kalt. Aber immer besser, als wie draußen.

Nach 8 Tagen wurde ich wieder entlassen und bekam eine andere Arbeitsstelle. Auf dieser waren nur Kranke und Schwache. "Tipografia" hieß die neue Arbeitsstelle. Es war eine große Druckerei. Sie war nur 2 Minuten vom Lager entfernt, sie lag an der Hauptstraße der Chrischattel und am Kalininplatz. Hier wurde die Prawda gedruckt. In diesem Betrieb konnten wir uns frei bewegen, ca.40 Mann waren dort beschäftigt. Eine Partie mußte dauernd im Keller Holz sägen und spalten, andere wieder die vielen Kachelöfen heizen. Mit mehreren Mann mußten wir die großen Papierrollen, welche aus Finnland kamen (Reparationsgut) auspacken, abrollen und abschneiden, nach Maß zu je 100 Bogen stapeln. Auf einer besonderen Maschine -wurden die Bogen ganz genau geschnitten und kamen in die Druckerei. So hatte ich hier eine gute Arbeit. Aber was war eigentlich los? Keine Arbeitsgruppe durfte mehr den Kalininplatz passieren. Seit 2 Tagen waren wir nicht mehr zur Tipographia gekommen und die neue Arbeitsstelle war Kirowa, wo ich im Sommer schon gearbeitet hatte. Wir mußten aber auf Umwegen. zu dieser Arbeit gehen. Auf dem Kalininplatz war etwas im Gange, wir wußten, daß dort deutsche Offiziere. hingerichtet werden sollten. Die Galgen waren schon aufgerichtet. Am selben Morgen war Leben auf den Straßen, russ. Soldaten marschierten in Richtung Kalininplatz. Auch die Bevölkerung ging dieselbe Richtung. Ja heute war etwas los. Ich war neugierig und ging zum zerstörten Justitzgebäude, welches auf einer Anhöhe lag. Von einer versteckten Ecke, konnte ich den Kalininplatz gut übersehen. Die Trümmerhalde an der einen Seite vom Kalininplatz war schwarz voller Menschen. Die Galgengerüste, die ich von hier aus sehr deutlich sehen konnte, standen auf dem freien Platz. Zwei Reihen Soldaten säumten den Platz ab, Stundenlang hatten die Leute schon gewartet, um Zeugen des schaurigen Spieles zu sein. So lange konnte ich allerdings nicht warten, denn ab. und zu mußte ich meinen Arbeitsplatz wieder aufsuchen. Als ich nun meine Ecke wieder bezogen hatte, sah ich, daß das Volk so unruhig wurde, und tatsächlich. Oben auf der Hauptstraße kamen 6 Lastwagen und fuhren auf den Kalininplatz zu, wo sie halten mußten, weil das Gedränge zu stark war. Aber einzeln bahnten sich diese doch einen Weg und fuhren direkt unter den Galgen. Es waren ja 6 Galgenfelder da. Jeder Lastwagen fuhrrin ein Feld. 2 Todeskandidaten, die auf jeden o Wagen waren, waren schwarz gekleidet und von 4 Soldaten bewacht. Als nun die Lastwagen in Reih und Glied unter den Galgen standen, wurde den Todeskandidaten die Schlinge um den Hals gelegt. Als diese Arbeit beendet war, ertönte ein Pfiff, die Lastwagen zogen so ca. 10Meter an und 12 deutsche Kameraden baumelten an den Galgen, ob schuldig oder nicht, wir haben es nie erfahren. Auch die Namen wußten wir nicht. 8 Tage blieben die Verurteilten' an den Galgen hängen, dann konnten wir wieder unseren alten Weg über den Kalininplatz gehen. Alle. Spuren waren verwischt. Nichts mehr deutete, darauf hin, daß hier vor 8 Tagen ein schauriges, ekelerregendes Schauspiel gegeben wurde. Wie oft sahen wir von unserer Baustelle aus, wie halbwüchsige junge Bengels, die vollständig zu Eis erstarrten Leichen durch die Luft schaukelten. Aber es ist immer so, ein Unglück kommt selten allein. Zwei Tage nachdem die Hinrichtung auf dem Kalininplatz stattgefunden hatte, gab es plötzlich nachts Alarm. Das Lager mußte so schnell wie möglich mit allem was wir hatten, geräumt werden. Was war los?. Im 3ten Bataillon war ein Brand ausgebrochen. Als wir auf der Straße waren, war der Himmel rot erleuchtet. Der Dachstuhl brannte schon lichterloh. In einer Nebenstraße wurden wir wie Vieh zusammengejagt. Wohin auch mit uns in der Eile. Aber es war in dieser Nacht gerade so bitterlich kalt. Die russ. Feuerwehr war auch bald zur Stelle und ich muß sagen, . Mustergültig war der Brand in 2 Stunden gelöscht. Dann konnten wir wieder einziehen. Aber nun mußten die ca.700 Mann im 1ten und 2ten Bataillon untergebracht werden. Wir mußten noch mehr zusammenrücken. Jeder Platz war besetzt. Auf dem Fußboden, sogar auf der Treppe lagen die Leute, Mann an Mann. Nun war es nicht mehr kalt in den Räumen, sondern eine dicke, stickige Luft, die man mit dem Messer durchschneiden konnte. Aber es dauerte nicht .lange, denn alle Spezialhandwerker wurden. herangezogen und in 3 Wochen war der Schaden behoben, da hatten wir wieder Luft. Jetzt, nachdem alles vorbei war, kamen wir auch wieder zur "Tipographia". Die russ. Arbeiter hatten vom Betrieb aus die ganze Exekution vor 8 Tagen gesehen. Aber schaurig muß es doch gewesen sein. Diesen Leuten gruselte es noch. Den grausamen Anblick konnten sie nicht loswerden. Wir redeten auch nicht mehr davon. Es tat allen weh, auch den Russen. Aber "Tipographia" war ein Begriff im Lager geworden. Die Arbeit war dort leicht und wir konnten von dort Papier herausschmuggeln und das war besonders gut zum Zigaretten drehen. Samstagsmorgens war Heinrich Melling und ich immer am Papierschneiden. Fertige Stückchen bündelten wir zu 50 Stück zusammen, dann ging es los zum tauschen gegen Tabak. Ich muß aber sagen, da hatten wir immer zu rauchen. Das war ja auch viel wert. Wir hatten auch schon bald unsere Kunden.

Aber als die Sonne wieder höher stieg, wurden die besten Leute, also die, die sich etwas erholt hatten, wieder ausgesucht und wieder durch Schwache ersetzt. Ich hatte ja auch das Pech. Nun war es wieder mit der schönen Arbeit und dem Papierhandel aus. Aber ich hatte noch Vorrat, aber dieser hält ja auch nicht lange an. Wir hatten wieder Glück, denn Melling war Zimmermann (Plotnick) geworden und er mußte Pferdeställe bauen. Er war aber noch gar nicht lange in seinem neuen Beruf, da hatte er auch schon Rubel und wer Rubel hat, der hat auch Tabak. Wir waren wieder obenauf. Aber das eine hätte ich ja bald vergessen. Es war noch im Januar oder Anfang Februar, da hatten wir das große Glück und durften eine Rote Kreuz Karte zur Heimat schicken.. 25 Wörter in Druckschrift durfte es sein. Aber wir durften nicht schreiben wo wir waren, was wir machten und auch nicht vom Leben im Lager, auch keine Grüße an Angehörige. Hoffentlich bekamen wir bald Antwort, denn wir bekamen ja zum Schreiben gleich eine Karte mit Rückantwort. Als Zimmermann machte sich Heinrich Melling -scheinbar recht gut. Wenn er aber immer mehr Holz verkaufte, konnte er seinen Stall doch nicht mehr fertig machen. Aber es war ja -gleich, wer es nahm, gestohlen wurde es doch. Da er seinen Pferdestall in unmittelbarer: Nähe der Hauptstraße hatte, konnte ich seine baulichen Fortschritte jeden Tag von weiten in Augenschein nehmen. Er hatte ja kei, ne Eile, das konnte man merken, er mußte ja auch alle Balken und Bretter selbst behauen. Es war eben für ihn eine gute Baustelle und somit mußte die Arbeit auch in die Länge gezogen werden. In dieser Ansicht war er sich mit den ihm zugeteilten beiden Spezialisten einig. Ich hatte nun auch eine neue Arbeitsstelle "Narkant op". Das war auch ein ausgebrannter Häuserblock, der aufgeräumt werden mußte. Hier arbeitete auch eine Abteilung ehemaliger Russ. Kriegsgefangener, die während des Krieges in Deutschland waren. Diese wurden sehr streng bewacht. Auch durften wir uns nicht gegenseitig unterhalten. Es ließ sich aber nicht immer vermeiden. Wir waren für alles Spezialisten; der Deutsche mußte eben alles können. Ich bekam einmal den ehrenvollen Auftrag, einen Kachelofen zu bauen. Material war genug. da, mit Lehm wurde gemauert. Mit reiflicher Überlegung habe ich das Ding auch gut hinbekommen. Es war ja auch keine Kunst, denn als Modell standen noch genug alte Kachelöfen in den zerstörten und ausgebrannten Räumen. Nachdem er über Sonntag etwas ausgetrocknet war, wurde er am Montag gleich in Betrieb gesetzt. Der Russe sagte: "Karosch" und damit sollte es ja auch wohl in Ordnung sein Zum Herumstehen war sonst auf dieser Baustelle wenig Zeit. Auch mußten wir des Öfteren mit einem Lastkraftwagen los und Balken holen. Aber das war eine Sauarbeit, zumal wir noch kaltes und nasses Winterwetter hatten, dann wurde es abends immer spät. Auch war es keine leichte Arbeit, schweren, nasse Balken aufladen und niemals hatte man die richtigen Werkzeuge dafür. Dann kam noch das Einziehen und Legen? der Balken in den Stockwerken. Das es dort keine Unglücksfälle gegeben hat, war nur Glück.th Aber wieder gab es eine neue Arbeitsstelle, den Namen kann ich nicht mehr entsinnen. -Es war ein Depot medizinischer Artikel. Mehrere Häuserblocks waren mit chirurgischen Instrumenten überfüllt. Sämtliche Operationsgeräte von den kleinsten bis zu den größten, Salben und Ampullen. Waggonweise waren hier Watte, Verbandszeug usw. gestapelt. Unsere Arbeit war, die Kisten auszupacken und den Inhalt zu kontrollieren und Lastwagen zu be und entladen. Von hier aus wurde viel zu unserem Lazarett geschmuggelt, Medikamente und Instrumente. Ein dankbarer Abnehmer war das Lazarett. Es ist aber immer so, auf einer guten Arbeitsstelle ist man selten lange. Ich war aber doch 4 Wochen dort. Die Sonne ging nun auch schon höher und ganz so schlimm konnte es nicht mehr werden.

Die neue Arbeitsstelle war das Stadion "Grusohowa". Dieses muß ich besonders erwähnen, well es meine schönste Arbeitstelle war. Es war ein wunderbares Stadion, 8000 Menschen konnte es fassen. Aber es war an Gebäuden noch nicht ganz fertig geworden, diese standen noch im Rohbau. Alles wuchtig und massiv gebaut. Am Haupteingang warenan hohe Säulengänge. In unmittelbarer Nähe war eine große Tennis-und Reithalle, daneben auch eine moderne Turn- und Sohwimmhalle gebaut. Ich muß nochmals sagen, alle Ehre. Die Hallen waren aber durch Kriegseinwirkungen zum Teil beschädigt. Die doppelten Glasdächer waren sehr defekt. Zu diesem Stadion marschierten jeden Tag 120 Mann. Die Arbeit war hier gut eingeteilt und Jeder wußte, wo er hingehörte. Hier war eine große Schreinerei, wo so ca. 15 Mann arbeiteten, eine Schlosserei, auch mit ca. 15 Mann das andere waren Maurer-und Zimmerleute. Eine Gruppe machte Marmorplatten, deren Meister der Russe Woronof war. Und wer war. noch hier, unser Freund Clemens Radeke. Brigadier war er nicht mehr, die Gruppe war aufgelöst. Er mußte Bleche für die Bedachung der Sporthallen krempen und falzen. Andere machten Fensterkitt usw. Ein russ. Ingenieur und eine Technikerin leiteten die Baustelle. Auch war hier ein großes Magazien, deren Leiter der Russe Kumak war. Ein Alterer Herr, aber sehr gutmütig. Von diesem Magazien mußtes jeden Morgen das Handwerkzeug abgeholt werden. Ferner lagerten hier Zement, Allerbaster, Gipa und Kreide, alle Sorten Trookenfarben, Bleche für die Bedachung, Glasscheiben, Nägel, Sohrauben, Turm- und Fensterbeschläge. Ebenso Artikel Leinöl und Petroleum. Es war dem Magazien das Holz, Balken und Bretter, also alles untergestellt. Also kurz ein kleiner Überblick vom Stadion "Orusohowa". Als Neuling meldete ich mich, als wir morgens im Stadion "Gruso howa" eintrafen, beim Brigadier, der ja auch die Arbeit einteilte. So kam ich dann zu einer kl. Gruppe und mußte alte Marmorplatten, die in den Trümmern von Kiew gesammelt waren und hier lagerten, ganz fein, wie Weizenkörner zerschlagen. Die Arbeit war aber recht gut. Auch die Norma gab es nicht direkt. Diese körnige Masse wurde gesiebt und kam dann zum Marmormeister Woronof, der die Masse dann weiterverarbeitete. Ab und zu mußten wir auch für ein paar Stunden im Magazien helfen. So hatte ich einmal Glück. Ich räumte erstmal gründlich auf, dieses hat den russ. Magaziener Kunak gut gefallen und er erklärte, daß ich immer im Magazien bleiben solle, er könne es doch nicht mehr allein. Er sprach mit dem Brigadier und dem leitenden Ingenieur und die Sache war perfekt. Da hatte ich den besten und beneidenswerten Posten erhalten. Ich bekam Sonderrechte und durfte mich so ziemlich frei bewegen, während die anderen doch an ihren Arbeitsplatz bleiben mußten. Meine Aufgabe war nun zuallererst die Ausgabe der Werkzeuge. Dann kamen die Schreiner und holten ihre Kästen mit Säge usw. dann die Zimmerleute mit Beilen, Äxte. Die Erdarbeiter mit Sohaufel, Hacken und Brecheisen. Dann war der erste Sohwung vorbei. Dieses mußte sehr flott gehen, weil die Kumpels in Gruppen zu ihrem Arbeitsplatz geführt wurden. Ich mußte ja auch alles aufschreiben, was jeder geholt hatte. Es dauerte nicht lange, dann kamen die ersten Kumpels mit Scheinen. Der eine wollte Nägel, der andere Fensterbeschläge, Draht, Glasscheiben usw. haben. Wenn dieser Sturm vorbei war, hatte ich Zeit. Mit aller Ruhe konnte ich dann eine Machorka drehen und mit Vernunft rauchen. Wenn lah dann so alles geradegestellt und geordnet hatte, mußte ioh für Kunak Kaffee kochen. Ich bekam dann eine viertel Scheibe Brot. Diese mußte ich in der Schreinerei auf der Ofenplatte stark braun rösten. Wenn dann im Topf das Wasser kochte, kam das geröstete Brot hinein und eine Minute noch kochen dann war der Kaffee fertig. schmeckte dann aber auch gut. Es wurde erstmal gefrühstückt. Aber das hört sich gut an. Kumak knabberte an seinem trockenen Brotkanten herum, ich saß mit meinem Kaffeetopf am Tisch. Brot hatte ich ja nicht, aber so ab und zu hatte Kumak ein weiches Herz und gab mir noch von deme. Wenigen, was er hatte, etwas ab. Wenn es dann so um 11 Uhr war, dann kamen von den anderen Baustellen von Kiew. (Unser Magazin war für sämtliche Baustellen zuständig) Panzerwagen, um bei uns einzukaufen. Meistens waren es Frauen, welche die Waren abholten. Weil es sonst immer dieselben Leute waren, kannte man sie schon ganz gut mit Namen und ich wurde immer Gendrich genannt. Mit den Leuten war man schon vertraut. Auch kannte man mit der Zeit so viel russisch, daß man sich gut damit unterhalten konnte. somit hatte ich auch bald überall meine Verbindungen, Tabak hatte ich dank meiner Stellung immer. Aber es fing schon so langsam an, ohne dass ich es wollte auch für die andern zu sorgen. Organisieren Zappzarapp, das war die Parole. Aber für 120 Mann sorgen konnte ich ja auch nicht, so kann man sich denken, daß ich hier immer beneidet wurde. Mein Hauptabnehmer war der Marmormeister Woronof. Im Magazin waren mehrere Fässer mit Leinöl (Oliva) zum Farbe anrühren. Dieses Leinöl war etwas für Woronof. Er kam oft ins Magazin und so fiel es nicht weiter auf, wenn er ein paar Nägel haben mußte, so hatte er eine große Konservendose 2 kg schon an einer bestimmten Stelle hingestellt. Wenn die Luft nun rein war so stellte ich dieselbe gefüllt wieder ins Versteck, es dauerte auch nicht lange, so war diese abgeholt und ich bekam dafür 5 Rubel. Dieses wiederholte sich fast jeden Tag, bis es Towarisch Kumak auffiel, daß wir noch so wenig öl hatten. Ich hatte aber auch schon festgestellt, daß er auch Öl verscheuerte.

Eines Tages haben wir alles nachgewogen und da fehlten 128 kg öl. -Wir konnten dieses nicht begreifen, um aber die Lage zu retten, beschlossen wir die Baustelle, mit einem Mindergewicht zu beliefern. Wir bekamen jetzt eine Wage, aber keine Gewichte diese machte ich selber. Zwei Sorten, echte und falsche. Wir kannten unsere Leute, mit denen wir es machen konnten. Somit hatten wir bald unsere 128 kg wieder heraus. Nun konnte es lustig weiter gehen, das Geschäft blühte noch besser als vorher. Farbe war ein begehrter Handelsartikel geworden. Blaue Farbe stand hoch im Kurs, war aber knapp. Diese wurde nur gegen ein Dokument (Schein) 100 gr weise abgegeben. Auf Lager hatten wir nur bis 10 kg. Da dauernd -Inventur war, so hatte ich der Ordnung. halber einer Lagerkartei eingerichtet, dieses gefiel den Russen ganz besonders Ngut. Über alles hatten wir dann eine bessere Übersicht. Aber auf einmal war. der Deubel los, Es fehlten 4 kg blaue Farbe. Wo ist die Farbe geblieben? Gestohlen nein. Ich hatte meine Rubel, die ich dafür bekommen hatte, wochenlang verbraucht. Ich dachte auch nicht mehr daran. Wie die Farbe verschwunden war, konnte sich keiner denken. Es konnte nur sein, daß wir vom Hauptmagazin irrtümlicher Weise zu wenig bekommen hatten. Wir wa-' ren beide der Überzeugung, daß es nur so n sein konnte. Ich war froh, dass dieses Dilemma so gut für mich auslief. Die Situation war wieder gerettet. Von der Zeit an mußte ich aber sehr vorsichtig sein, auf- fallen durfte ich unter keinen Umständen. Doch merkte ich, daß der Russe Kumak mich nicht mehr so traute wie vorher. Es dauerte aber nicht lange und ich hatte das Vertrauen schon wieder erworben. Es hatte sich im Lager mit der Zeit herum-gesprochen, daß ich einen besonderen Posten im Stadion hatte. So kam eines Tages Peter zu mir (Peter war Bursche bei den Deutschen Gefangenen Offizieren) ob ich nicht etwas Öl mitbringen könnte zum Streichen, er brauche es für die russischen Offiziere. Der Handel war bald gemacht. Ich bekam eine Weinflasche mit, und brachte sie fast jeden Abend dorthin, dafür bekam ich ein Napf voll Suppe. Wenn die Suppe auch dünn war, so war es doch besser als gar nichts. Obwohl es bei Strafe verboten war, von der Baustelle etwas mitzunehmen, kam ich bei jeder Filzung unbehelligt davon. Wenn ich nur sagte, es wäre für russ. Offiziere, so genügte es. Wenn aber bei den andern etwas gefunden wurde, dann Gnade Gott. Übrigens war ja jeder auf Zapzarap angewiesen. In unserem Magazin lagerten Glasscheiben 80 x 120, die waren für die Bedachung der Sporthallen vorgesehen. Wenn nun Otto kam, der war auch aus der Hamburger Gegend, und holte lt. Schein 3 Scheiben ab, so bekam er oft 4 Stück mit, der Erlös wurde dann geteilt. Mit Glas konnte ich es eher machen, weil bekanntlich auch viel Bruch dabei war. Sogar für. den uns begleitenden Posten, mußte ich sorgen. An einer bestimmten Stelle, mußte ich eine große Scheibe hinbringen, dafür bekam ich dann Aktiva. Nachts holte der Posten, wenn er dienstfrei hatte, seine Beute ab. So hatte ich mit der Zeit allerhand Aufträge zu erfüllen. Wir bekamen auch einmal 4 große. Fäßer je 150 - 200 kg Schmierseife zur Lagerung. Eine Gruppe Rumänen waren damit beauftragt, diese vom Lastwagen zum Magazin zu bringen. Beim Abladen sprang von einem Faß der Deckel ab, sofort waren ca 30 kg verschwunden. 76 Die Eẞnäpfe waren alle gefüllt und bei Seite geschafft worden, im Lager wurde damit ein guter Handel getrieben. Für mich war es ja auch ein lohnendes Tauschgeschäft. Jeder wollte nun Seife haben, da hatte ich einen schweren Stand jeden gerecht zu werden. Eine kleine Gruppe von ca 4 Mann war bei Fensterkitt herstellen, das Material wurde dieser Gruppe vom Magazin zugeteilt, der fertige Kitt mußte wieder nach dort abgeliefert werden. Wenn nun diese Gruppe 10 kg Kreide und 2 Kg Leinöl zum Kitt machen bekam, so wurde im Höchstfalle, nur 5 kg Kitt abgeliefert, während es in Wirklichkeit 12 kg sein mußte. Zu dieser berühmten Gruppe gehörte auch Clemens Redecker der auch natürlich alles konnte. und Führer dieser Kittkolonne war. Sie trieben es aber zu doll, den halben Kitt verkauften sie, denn er wurde gut bezahlt. Als bei ihnen dicke Luft war, wurde das Material genau zugeteilt. Ich mußte nun für Kolonne Clemens Radicke 30 kg Kreide und 6 kg Leinöl liefern, dafür mußte er 36 kg Kitt abliefern. Da war der Bart ab. Im Punkto Kitt nahm der Obermagaziner esgenau, das Wiegen tat er selber. Die Scharte war bald ausgewetzt. Kreide konnte ich genug geben, davon hatten wir ja satt. Aber Öl, damit mußte ich sparen, denn ich hatte schon wieder Manko. Gruppe Redeckerkam doch zu ihrem Recht, dafür wurde der Kitt recht mager gemacht, die Rechnung ging wieder auf. Im Sommer wurde die Gruppe Kitt aufgelöst. Clemens Redeckermußte beim Meister Woronof Marmorplatten schleifen, den Kitt bekamen wir von da ab fertig von der Fabrik. Aber nebenbei bemerkt, den Kitt den Clemens mit seinen Leuten gemacht hatte, hatte nicht gut gehalten, denn über Winter ist er total ausgefroren, weil Clemens ihn zu mager gemacht hatte. Beim ersten Frost fing er an bröcklich zu werden und am andern Frühjahr konnte man den Kitt wie Pulver zerreiben. Das ganze Dach wurde wieder neu gedeckt. Der Skandal war natürlich sehr groß. Wer den Kitt gemacht hatte, das konnte ja nicht mehr festgestellt werden und Clemens war auch schon nach Hause entlassen. Ja das war die Sache mit dem Kitt. Nebenbei mußte Clemens. auch Bleche krempen und falzen. Er wurde immer tüchtiger. So langsam fing er an Eimer zu machen, das brachte Rubel und diese brauchte er mit keinem zu teilen. Er hatte immer Dusel. Blech hatte er ja genug da. Einmal sagte er zu mir: "Ja Heinrich, der Rubel muß rollen" Das war auch unser aller Streben, aber wir hatten keine oder nur sehr wenige, das war der große Fehler. Wenn ein Lastwagen mit Brettern kam, so mußte ich diese zählen, aber es stimmte nie. Auf einen Lastwagen wurden immer so ca. 100 grüne rohe Bretter geladen, aber 5 10 waren immer zu wenig. Die Chaufföre wollten ja auch leben. Die Sache wurde eben stimmend gemacht. Für eine Handvoll Machorka war jeder zu kaufen. - Wenn auch die Gebäude vom Stadion noch nicht fertig waren, so war das eigentliche Stadion, die Spielfläche und die Sitzreihen gut in Ordnung. Diesen Sommer sollte ein großes Sportfest sein. Vor dem Fest wurde schon wochenlang trainiert. Eine russische Militärkapelle übte auch fleißig und recht oft, auch deutsche Militärmärsche. Es gab auf alle Fälle wieder etwas Leben in uns als wir das hörten.

 Am letzten Tag vor dem Fest wurde der Fahneneinmarsch geübt, solange bis er klappte. Das war für uns auch ein Festtag. Kein Mensch hätte daran gedacht, daß wir an diesem Sonntag, wo das große Fest sein sollte, zum Stadion mußten. Aber wir hatten da viel Arbeit. Sämtliche Sitzplätze mußten sauber gemacht werden und die Papierfetzen aufzusammeln. Ich mußte mit einem Reisig Besen mit einem unendlich langen Stiel die Straße fegen, welche oberhalb rund um das Stadion ging. Aber es mußte flott gehen die Zeit drängte, die übergroßen Bilder der Sowjetgrößen waren schon aufgestellt. Buden mit Erfrischungen waren aufgebaut, das Stadion wurde so langsam besetzt. Aber für uns gab es immer noch Arbeit. Hier mußte was hin, dort was fortgetragen werden. Aber schließlich war kein Durchkommen mehr, das Stadion war besetzt bis auf den letzten Platz. Rund um das Stadion hatte das Militär einen Doppelring gezogen, alle Meter einen Mann und mit aufgepflanztem Gewehr. Es wurden hohe Herrschaften erwartet. Ich muß noch bemerken, daß am Tage vorher Militär das Gelände nach Minen absuchte. Wir hatten ja keine Bomben und Höllenmaschinen, um damit ein Attentat zu verüben. Es war ja schade. Als das Fest losgehen sollte, konnten wir abmarschieren. Alle Straßen zum Stadion waren voll von Menschen, die auswärtigen Vereine, die im Stadion einmarschieren mußten, hatten hier Aufstellung genommen. Auch ein großer Teil uniformierter Frauen waren dabei. Das war der Sonntag im Stadion Grussow. Von der Zeit an war aber jeden Sonntag etwas los. Eine große Bescherung hatten wir am Montagmorgen nach dem großen Sportfest. Wenn das Sportfest von ca 60 - 80 000 Menschen besucht war, so hat ja auch wohl jeder das Bedürfnis einmal austreten zu müssen. Aber daran hatte die Sportleitung nicht gedacht. Was war die Folge? Die Menschen konnten die Gebäude die zum Stadion gehörten, betreten. Diese waren aber noch nicht fertig, es fehlten noch Türen Fenster und Fußböden. In den unteren Räumen war unser Magazin. Zu diesen Räumen nahmen die lieben Leute Zuflucht. Wohin denn auch. Jede Ecke, die nur etwas Schutz bot, war benutzt worden. Wir hatten die Arbeit damit. In den oberen Stockwerken lag die Visitenkarte von diesem Sportfest noch bis zum Winter, bis eine Gruppe zur Reinigung abkommandiert wurde. Von der russ. Sportleitung war es aber kein großes Versehen.

Jetzt komme ich wieder zurück auf unser Magazin. Mit der Zeit merkte der russ. Obermagaziner Kumak, daß irgend etwas nicht stimmen konnte. Er konnte aber keine Erklärung dafür finden. Das ich falsche Gewichte hatte, das wußte er. Damit ging ich mit der Zeit so geschickt um, daß es nur schwer auffiel. Trotz aller Betrügereien, die mit den Kunden gemacht wurden, mußte doch etwas mehr über sein. Es stimmte alles lt. Karteikarte. Eines Tages rief mich Kumak in sein kl. 2 gm großes Büro. Ich dachte mir jetzt ist es aus, er hat etwas gemerkt, mit gemischten Gefühlen ging ich hin. Heinrich sagte er da, ich habe dich schon lange Zeit beobachtet. Du bist wirklich ein sehr guter Magaziner, solche Leute kann Rußland gebrauchen. Als Dank und Anerkennung bekam ich eine Aktiva und einen Kanten Brot. Ob dieser großen Anerkennung war ich hoch erfreut, er erklärte mir, daß ich von nun an dauernd im Magazin bleiben müsse, denn er müßte jetzt auch andere Baustellen in Kiew besuchen und einen Vertrauten müßte er haben. Also war ich jetzt Herrscher im Magazin. Aber es dauerte nicht lange, nach zwei Tagen kam Anne aus Schitanir und hatte im Büro die Aufsicht. Sie passte gut auf und hatte bald begriffen, was los war, etwas gemerkt hatte Anne ja doch. Da wir Brennholz genug hatten, machte ich ihr, um das Vertrauen zu gewinnen, immer ein schönes Bündel Holz. Aber bald kam sie auch auf den Geschmack, denn sie merkte mit der Zeit, daß ich dichthielt. So bat sie mich eines Tages um etwas streichfertige weiße Farbe. Diese stellte ich in ihre große Einkaufstasche und so ging die Farbe auch nach Schikanir. Es dauerte nicht lange, da hatte Anne jeden Abend etwas im Beutel. Sie konnte ja alles gebrauchen. Mir konnte es auch gleich sein, denn laut Parole kamen wir bald nach Hause. Es war schon Hochsommer geworden. Clemens Radeke fühlte sich nicht gut und bekam plötzlich Fieber auch das Essen schmeckte nicht mehr. Schon am selben Abend war er im Lazarett. Da er im Lager tätig war, konnten wir uns dort immer erkundigen, wie es um ihn stand. Eines Abends kam er zu uns und sagte er käme nach Hause. Dieses mal hatte die Malaria ihn doch schwer mitgenommen. Am nächsten Tag solle es schon losgehen. Noch schnell gab ihm jeder die Heimatanschrift mit. Ein kurzer Abschied mit einem Gruß an die Heimat und wir hatten einen guten Kameraden verloren.

Es war immer ein schöner Tag, wenn wir Zement bekamen. Dieser wurde lose auf Lastwagen geliefert und wurde draußen abgeladen und mit Eimer in die Zementesse geschüttet, wo bei ich jeden Eimer zählen mußte. So ging es auch bei der Ausgabe, es war eine umständliche Arbeit. Einmal bekamen wir eine besonders hochwertige Ladung. Tischlerleim in Tafeln, auch einen Lastwagen voll. Einen besonderen Raum hatte ich dafür schon fertiggemacht. Also innerhalb des Magazins wurde der Leim also nochmals unter Verschluß gebracht. Der Schlüssel war bei Hanne. Eines Tages bekam ich von Hanne den Auftrag, einen Eimer Leim zu holen. Von einem Russen wurde er in Empfang genommen und ich bekam von Hanne 5 Rubel Schweigegeld. Es langte wieder für ein Staken Machorka. Mit der Zeit wurde das Magazin zu klein und so baute ich, weil die Räume sehr hoch waren, einen Boden in jeden Raum. Dieses gefiel unseren Herrn Kumak ganz besonders gut. "Die Deutschen wissen sich doch immer zu helfen", sagte er. Wir mußten ja auch Platz haben, denn die unsinnigsten Sachen wurden oft ausgeliefert. So kam eines Tages ein Lastwagen Furnierholz Wohin damit? Wir konnten es im Magazin nicht richtig lagern und so wurde es mit der Zeit, trotz aller Vorsicht, zertrampelt und die Witterung gab das letzte dazu. So wurden in Russland Werte vernichtet. Die Arbeit, die geleistet wurde, war total sinnlos. In unserer Schreinerei wurden laufend Fenster und Türen für andere Baustellen hergestellt. Das Holz war aber total naß, es kam ja gerade vom Sägewerk, also verarbeitet wurde es sofort. Es wurde ja im Herbst ein Schuppen gebaut, aber es nützte nichts, das Holz wurde doch weiter grün verarbeitet. Einmal haben wir furchtbar gelacht. Wenn wir kein Fuhrwerk hatten zum Essenholen, dann marschierten wir mittags je 3 km zum Lager zum Essenempfang. Aber was war da für ein Menschenauflauf auf der Chrischattek. Als wir näherkamen, war es ein Fuhrwerk, dessen Pferde nicht ziehen wollten. Der Panjewagen war ja nicht schwer beladen, ca 100 Backsteine, das ist doch kein Gewicht für zwei Pferde. Wir entdeckten auch, daß es ein Pleni war, aber er kam nicht vorwärts. Er streichelte seine alten Zossen am Hals und gab jeden noch eine Hand voll Heu. Schließlich sahen wir von weitem, wir waren schon vorbei, rollte das Fuhrwerk wieder. Der Pleni saß wieder auf seinem Panjewagen. Aber es war ja nicht wichtig, wenn es nicht gerade unser Heinrich Arnemann- Mellinghoff gewesen wäre. Dieses hatte er noch oft hören müssen. Er ein Bauernsohn, 2 Pferde vorm Wagen und nur 100 Steine und ausgerechnet auf der Hauptstraße von Kiew und dann nicht weiterkönnen. So etwas ist ja noch nie dagewesen. So unkten wir uns oft aus Langeweile. An den Sporthallen wurde auch schwer gearbeitet. Das Glasdach war fast fertig und schon wurde die Turnhalle mit Parkett belegt. Das Parkett wurde also eher gelegt, als das Dach fertig war. Aber eines Montags war die Bescherung da. Am Sonntag hatte es geregnet und nun stand der Parkettboden unter Wasser. Nun war das Elend groß. Durch die Nässe war das Parkett gequollen und teilweise hochgegangen. Mit trocknem Sägemehl wurde der Boden getrocknet, so gut es ging, aber der schöne Parkettboden war verdorben. Jetzt wurde auch eine Schmiede und Schlosserei bei mir eingerichtet. Heinz Voges aus Münster gehörte zu dieser Gruppe. Es war immer Leben in der Schmiede. So langsam wurde es wieder Herbst und die Parole, bald nach Hause zu kommen, war zweifelhaft, denn die Winterkleidung wurde wieder gewaschen und geflickt. Kein gutes Zeichen für uns. Jeder machte sich seine Gedanken. Es kam auch so, wie wir es ahnten. Bald wurde uns wieder die Winterkleidung verpaẞt. Es war schon wieder November geworden. Die Sommerfeste im Stadion waren nicht mehr, wir waren den zweiten Winter als Pleni in Russland. Walter Both war inzwischen in ein anderes Lager versetzt worden. Wie wir später erfuhren, soll er zu einer Traktorenstation gekommen sein. Uns graute allen vor dem Winter. Vor den Fenstern im Magazin mußte ich Bretterverschläge gegen Kälte und Diebstahl machen, einen Ofen hatten wir im Magazin nicht. Die Watteuniform, die wir hatten, war schön warm. Einmal bekamen wir im Magazin Putzlappen, darunter befanden sich auch Watteröcke. Ich suchte mir den besten Rock heraus, schnitt. die Ärmel aus, trennte den Kragen ab und zog den alten Stoff herunter und so blieb nur die Festgesteppte Watte übrig. Da hatte ich eine wunderbare Watteweste. Heinrich Melling und Kurt Riedam habe ich auch eine besorgt. Wegen dieser Wattewesten wurden wir schwer beneidet. Ich sollte von jedem 1 ltr. Weizen als Belohnung haben. Aber ich will warten bis die zweiten mal wieder schlecht sind, dann will ich daran denken. Ich hatte ja das Glück, daß ich immer im trocknen war. Wenn es aber recht kalt war, hatte ich ja Zeit genug, um mich in der Schmiede zu wärmen, denn dort war ein großer Ofen und der hatte immer so rote Backen. So ein Ofen ist aber immer belagert. Aber schlimm war hier der Dreck und Schlamm. Wenn man irgendwo hinmusste, wo kein fester Weg war, so konnte man die Beine nicht losbekommen. Überall waren tiefe Wasserpfützen. Es war auch kein Abzug da. Wo ich dieses schreibe, möchte ich es nicht vergessen, daß wir auch einen Landsmann unter uns hatten das war der Lump! Der Brigadier Ferdinand Buschmann aus Emsdetten. Dieser vollgefressene Hund, von diesen wurden wir regelrecht zur Arbeit angetrieben, so dass der russische Posten oft über sein Gebaren den Kopf schüttelte. Die großen Wasserpfützen durften wir beim Marsch nicht umgehen, sondern immer mittendurch. Wenn die Norm so im Allgemeinen nicht erreicht war, so mußten wir nach Feierabend auf dem Stadiongelände marschieren. Bei der Arbeit galt er als großer Antreiber, wehe dem der auch nur ein Widerwort fand. Als ich ihn einmal ganz in Vernunft Vorhaltungen machte, dieses glaubte ich als Landsmann wohl wagen zu können, da bekam ich zur Antwort, Du kannst Dich heute Abend bei mir melden. Mir blieb nichts anderes übrig. Als Buße mußte ich 3 Nächte lang in der Saune Hosen und Röcke waschen. Aber gewaschen habe ich nicht, ich habe nur die Wäsche in heißes Wasser getaucht. Auf einem Bock zum Auslaufen gehängt und dann zum trocknen aufgehängt. Was sollten wir uns damit abrackern. Es waren ja noch mehr kleine Verbrecher da. So um 2 3 Uhr nachts waren wir dann fertig. Ich war froh, dass die 3 Tage vorbei waren. Ebenso mußte ich einmal die große Treppe wischen. Es waren immer 93 Stufen, daß war nicht so wichtig. Mit einem Wassereimer kam ich aus, aber es dauerte immer 2 Stunden und vor 9 Uhr abends durfte ich nicht anfangen. So machte er es mit Jedem, dort wo er Brigadier war, dort war er gefürchtet. Über diesen Lumpen will ich nicht mehr schreiben, denn er ist die Tinte nicht wert, womit ich schreibe. So wie ich erfahren habe, soll er sich in seiner Heimat erhängt haben. Er hat sich selbst gerichtet.

Aber auch die Wintermonate vergehen. Weihnachten haben wir so wie im vergangenen Winter gefeiert. Neujahr hatten wir auch schon hinter uns und der Russe hat sein Weihnachtsfest am 6. Januar gefeiert. Aber wie sah es im Lager aus, das große Sterben hatte schon längst wieder begonnen. Das Lazarett war wie im letzten Winter überfüllt. Wer nicht ganz fest auf den Beinen war, sackte ab. Warum denn immer noch so wenig Brot, warum war die Suppe so dünn. Alles was der Mensch in sich hatte, die letzten Kraftreserven waren erschöpft. Es stand schlimm um uns alle, wir konnten nicht mehr. Nun kam auch H. Arnemann ins Lazarett. Was hatte er? Nach 14 Tagen kam er wieder. Aber was war er mager geworden. Nun kam er bei der Hausbrigarde, da hatte er es ja schön. Auf einmal war er Portier im Lazarett, da hatte er es 90schafft. Seinen großen Milchpott, den er in Trachenberg geerbt hatte, stand dauernd neben ihn. Wenn ich abends vom Stadion zurück kam, so war der erste Weg zum Portier Heinrich. In seinem großen Milchpott hatte er dann etwas zurück gelassen, das war dann für mich. Ich mußte für Machorka sorgen, dann jetzt hatte er Zeit zum rauchen. Einmal hatte ich Glück, da kam er abends zwischen 11 - 12 Uhr und weckte mich, aber sage und schreibe, seinen halben Topf hatte er voll Kascha, Er hatte Nachtwache. Es geht doch nichts über eine gute Kameradschaft. Aber alles Glück dauerte nicht lange, kaum hatte er diesen Posten 3 Wochen bekleidet, da kam er wieder zum Arbeitseinsatz. Da war alles wieder vorbei. Es ist schon so, als wenn man alles im Voraus ahnt. Wir mußten doch bald dran sein zum Sonntagseinsatz. Aber hoffentlich haben wir Glück. Bei diesem Sauwetter, rauhes kaltes Regenwetter und Schneematsch.

Aber es kam schon so, Sonntagmorgen antreten. Es war noch halbdunkel, als wir heraustreten mußten, wohin ging es? Richtung Süden. Am Dneper waren wir. Dort stand ein großer Schleppkahn mit Ziegelsteinen, der mußte ausgeladen werden. Der Kahn lag aber ca 20 Meter vom Ufer entfernt, er konnte auch nicht näher herangebracht werden, weil das Ufer total versandet war. Wir konnten nicht hinüber kommen es mußten erst lange Bohlen beschafft werden. Es wurden dann 2 lange Reihen gebildet und es konnte losgehen. Ich hatte meinen Platz auf dem Kahn und Heinrich Arnemann der auch mit mußte, stand auf der langen schwankenden Bohle. Es war eine dösige Arbeit. Jeder dachte wenn das nur gut geht, die vielen Menschen auf der langen Bohle. Es wurde ja manchmal etwas gewippt, da passierte es, Heinrich lag mit seiner ganzen Besatzung im Dneper. Die Bohle war gebrochen. Wir hatten Glück. Das Wasser nicht tief, die Unbeteiligten hatten gut Lachen, unsere Klamotten waren ja heil und trocken. Aber die anderen fluchten doch mächtig. Es war bald Feierabend, sonst wäre es doch schlimm gewesen. Es ist ja auch keine Art und Weise im Winter im Dneper zu baden. Nein Heinrich, das ist zu viel. am Ufer war Das Ausladen der Ziegelsteine war keine schöne Arbeit, aber nicht weit von uns, auf der andern Seite vom Dneper waren Kumpels dabei dicke Baumstämme von einem Floß zu lösen und auf das flache Ufer herauf zu rollen, das war eine schlechte Arbeit. Immer nasse Füße, die Eisen-Stangen kalt und nass in den Händen. Das war ein furchtbares Kommando. Wir waren abends schon längst im Lager, dann kamen diese Kumpels erst nach Hause. Um unsere schöne Sonntagsnachmittags Heimatplauder - stunde waren wir betrogen. Auch war heute abend Untersuchung. Im Adamskostüm traten wir dann vor den Tisch der Majoren. Wenn einer hinten noch etwas dicke Backen hatte, kam zur Gruppe 1, der etwas schlechter aussah zur Gruppe 2. Die Gruppe 3 bekamen im Außenkommando leichte Arbeit, dann kamen die OK Leute. Die waren vom Arbeitseinsatz befreit, diejenigen, die überhaupt zu nichts mehr tauchten, waren "Distrophie". Das waren die Leute, die im Lager herumschlichen, besseres Essen bekamen diese Leute auch. Wenn einer Glück hatte, dann konnte er nach Hause kommen. Nach einer Untersuchung wurden die Arbeitskommandos immer wieder neu zusammengestellt. H. Arnemann kam zu uns und mußte mit zum Stadion Gruschava. Er war in den Sporthallen beschäftigt. In einer großen Halle lagen die schönen Boote vom "Ruderklub Grünau". Aber diese wunderbaren langen Rennboote waren alle beschädigt. Jeder Haken und alles was geblitzt hatte, war mit der Zeit verschwunden. Die Russen konnten eben alles gebrauchen. Alles, was etwas Besonderes war konnten wir auch gebrauchen. Als die alten Brausebäder in der Schwimmhalle abgebrochen und erneuert werden sollten, waren alle Messingrohre und Kupferteile verschwunden. Ein paar Messingschrauben habe ich auch noch erbeutet. Jeder der im Stadion arbeitete, war nun am Feilen und Schaben, Ringe wurden daraus gemacht, die nun ganz geschickt waren im Ringe machen, trieben Handel damit. Melling hatte seinen auch schon fertig. Er sah aus wie ein dicker schwerer Siegelring. Tagelang wurde daran herum gefeilt, somit ging die Langeweile auch am besten hin. Meinen Ring habe ich bald verloren, er war auch etwas zu groß geworden. Bei unserem Haufen gefiel es Heinrich ganz gut. Willi Brinkmann war auch im Stadion als BK Mann. Die BK Männer waren die Wachhunde der Brigadiere und die Posten, also eine gehobene Stellung in unserem Sinne als Gefangener. Vor dem war er Brigadier. Er hatte eine Gruppe Holzfäller (Waldkommando) Jeden Sonnabend kam er mit seiner Kolonne zurück zum Wäscheempfang - Untersuchung oder Entlausung. Max Malack, der in der Trachenburger Zeit immer bei uns war, hat auch im Lager einen guten Posten gehabt. Er war Lageranstreicher geworden, nachher war er noch Brigadier. So langsam glitten wir in den Frühling 1947 hinein. Ab und zu hatten wir schon warme Tage, aber was war los? jetzt am 5. März wo es doch noch kalt war, mußten wir unsere Winterkleidung ablegen und bekamen schon Sommerzeug. Dieses empfanden wir von Seiten der Lagerleitung gemein. Unter der rauhen Luft hatten wir arg zu leiden. Wir konnten auch nicht viel ab, Widerstandskräfte hatten wir nicht mehr im Körper. Von Tag zu Tag wurden wir weniger. Ich merkte es am eigenen Körper, daß ich bald zusammenbrechen mußte. Lange konnte ich nicht mehr zur Arbeit gehen. Mit aller Kraft mußte ich mich aufraffen. Aus diesem Grunde heraus, daß ich doch nicht mehr lange im Magazin bleiben würde, suchte ich jede Gelerenheit auszunutzen, ich mußte Rubel haben für die kranken Tage. Meister Woronof war ein guter Abnehmer. Es dauerte nicht lange da hatte ich 400 Rubel zusammen. Sogar für die russ. Lagerärztin mußte ich Farbe und öl zum Fußboden streichen mitbringen. Die russNachtwache im Stadion war GroßBabnehmer von Fensterkitt usw. Der Sohn vom Magaziner Kumak war Offizier. Er besuchte seinen Vater oft im Stadion, daß war ein netter Mann. Er begrüßte mich immer sehr freundlich, auch ein paar Zigaretten fielen immer ab. Aus der Heimat hatte ich ein Bild bekommen vom kl. Wilhelm Heinrich als er 1 Jahr alt war. Auf dem Bild sieht der Junge recht lebhaft aus und mit der schönen gestrickten Jakke recht manierlich. Aber wie sich die Russen über das Bild gefreut haben. Es gab keinen Besuch im Magazin und ich mußte das Bild Karosch hieß es immer. zeigen. Karosch Ich kann heute noch nicht begreifen warum die Russen sich so über das Bild freuen konnten. Nun war es so weit. Bei der nächsten Untersuchung wurde ich O.K. Nun war es aus mit dem Stadion, Zapzarap und Rubel machen. Aber ich hatte ja gut vorgesorgt, zu rauchen hatte ich ja und mit dem knappen Essen kam man aus, denn die meiste Zeit lagen wir doch auf den Pritschen und pennten das war ein anderes Leben als immer raus. Nach 2 Wochen kam ich wieder bei der nächsten Untersuchung zur Gruppe 3. Ich mußte wieder raus. Ich kam auf eine Baustelle wo auch Fritz Darlinghaus Es war ein Häuserblock, der wieder ausgebaut werden sollte, dieser lag an einer belebten Straße. Hier mußten wir auch alles machen. Eines Tages bekamen Fritz und ich den Auftrag die Kamine auf dem Dach auszumauern und zu fugen. Daran hatten wir beide lange Arbeit und es war auch sehr interessant, von hier aus alles zu beobachten. Von unserem Dachstand konnten wir Kiew überschauen. Auch ging der Weg zum Friedhof hier vorbei. Für uns war es ja einmal interessant so einen Leichenzug zu sehen. Der Pop schritt immer den Zug voran, ich habe Fritz damit oft geärgert, wenn ich zu ihm sagte, Fritz guck mal Deine Konkurrenz, ich meinte damit den russ. Geistlichen. Auf dem Hof war eine ganz mittelalterliche Vorrichtung zum Balken und Bretter schneiden. Die behauenen Bäume wurden auf ein Gerüst gerollt und mit einer großen Säge, wobei ein Mann oben und der andere unter dem Baum stand, durchgesägt. Es war eine langwierige schwere Arbeit, vor allen Dingen die "Norma" Sonst gab es auf dieser Baustelle nichts neues. Wir waren immer froh wenn Feierabend war, denn im Lager selbst war man doch freier. Aber wo der Kurt aus Batenhorn wohl immer steckt. Sonntagsvormittags ist er wohl da, aber sonst ist er überall und auch nirgends zu finden. Im Lazarett war er auch, aber er sah nachher aus wie das bittere Leiden. Er hatte auch immer viel Kohldampf, denn er schlich auch so wie ich dauernd mit seinem Pott um die Küche herum. Wenn Melling mit seinem unverschämten Milchpott so, durch die Gegend herumstrich, haben wir oft gelacht. Wir haben oft stundenlang gestanden und geglaubt, daß wir vielleicht noch Glück haben und etwas bekommen. Wer Holz mitbrachte, der bekam auch einen Nachschlag. Bei der folgenden Untersuchung wurde ich auch "Distrophie" das war die letzte Stufe, reif zur Heimat. Zur Arbeit im Lager durften wir nicht herangezogen werden. Besseres Essen bekamen wir auch. Damit wir nicht ganz einrosteten, mußten wir jeden Morgen Frühsport treiben. Dann wieder eine Stunde Ruhe. Zum Frühstück bekamen wir etwas Kascha. Dannwieder Ruhe. Dieses Leben gefiel allen sehr gut, Überhaupt keine Sorgen. Aber als wir nun so richtig Ruhe hatten, da merkten wir erst, wie krank wir waren. Die Hungerodöme (Eine Krankheitserscheinung wegen Unterernährung) stellten sich ein. Ich bekam einen dicken Hals, die linke Seite war stark geschwollen. 

Nach Hause

Eines guten Tages wurden wir wieder untersucht, den Transportfähigen wurde erklärt, daß wir mit den nächsten Transport nach Hause kämen. Zu diesen gehörte ich auch. Nun wurde alles vorbereitet. Eines Tages wurden wir tatsächlich mittags verladen. Schnell noch Abschiednehmen. Hein Arnemann bekam noch alles was ich übrig hatte, es ging los. Viel Zeit war nicht zu verlieren, einzeln wurden wir aufgerufen und konnten dann den Lastwagen besteigen. Aber wir kannten doch Kiew? Es ging ja gar nicht zum Bahnhof, was war los? Wir machten alle lange Gesichter, als wir in ein anderes Lager kamen, da war Parole Heimat wieder vorbei. Wir mußten unsere Mäntel und Essentöpfe abgeben, auch was wir sonst noch hatten mußte abgegeben werden. Nun war mein Rucksack völlig leer, wir hatten alle nichts mehr, dies war an einem Sonnabend. Als wir im Lager eingewiesen wurden, war es schon dunkel, Essen hatten wir schon bekommen und nun ging es auf die Pritschen. Vor Ärger hatten wir eine schlaflose Nacht, jeder dachte was wird nun werden. Aber das bekamen wir gleich am Sonntagmorgen zu spüren. Beim Antreten draußen konnten wir gleich zum Güterbahnhof marschieren, zum Kohlenabladen. Es war eine furchtbare Arbeit, die großen russ. Waggon mußten an allen 4 Seiten offen geschlagen werden und dann abladen. Was das für eine Arbeit war kann man sich denken. 2 Mann bekamen einen Waggon. Wir mußten den Waggon wieder richtig losgraben. Um 5 Uhr abends waren wir damit fertig, bekamen dann im Lager unser Mittagessen, nun wußten wir wo wir gelandet waren. Wir waren vollkommen deprimiert. Am Abend bei der Zählung, wurde bekannt gegeben, daß diejenigen, welche am Sonnabend neu gekommen waren Montag im Lager bleiben müßen. Am Montagmorgen wurden wir ärztlich untersucht, ich wurde wieder Distrophie geschrieben. Aber viele kamen wieder zum Arbeitseinsatz. Nun hatte ich es wieder gut, am Tage mußten wir Brennessel und wilden Spinat in der Umgegend suchen. Nachmittags mußten wir das Gemüse. putzen. 4 Wochen kamen wir noch zum Arbeitseinsatz in eine Automobilfabrik für leichte Arbeit. Diese Arbeit war auch nicht schlecht, aber mein Hals wurde immer dicker, ich mußte zu Hause bleiben und wieder Gemüse putzen und Kartoffel schälen. In diesem Lager war auch ein Karusselbesitzer aus Münster, der kannte meine Heimat gut, weil er dort Verwandte hatte. Hermann Düfting seine Frau Maria, warseine Cousine. Aber als der Haufen "Distrophie" groß genug war, da hieß es wieder beim nächsten Transport geht es nach Hause.

Tatsächlich wurden wir eines Teres verladen und kamen zum großen Bunkerlager in Kiew. Wir durften das Lager nicht sofort betreten, sondern lagerten vor dem Lager. Nachmittags mußten wir uns aufstellen, jeder wurde einzeln aufgerufen und konnte dann ins Lager gehen. Am Eingang wurden alle nochmal einzeln geprüft. Damit war es aber noch nicht vorbei, wir wurden nochmal alle ärztlich untersucht, wir konnten dann in einem zugewiesenen Hause schlafen. Natürlich auf dem Fußboden. Aber was machte es schon aus, wir waren ja im Entlassungslager. Am andern Morgen, nachdem wir abgefuttert waren, konnten wir das Lager in Augenschein nehmen. Es kamen noch mehr Entlassungskandidaten, dieses dauerte so 8 Tage. Unter diesen war auch Kurt Diedam, Fritz Darlinghaus und Albert Spök aus Greven/W. Es war ein eigenartiges Lager, genau wie es der Name sagt, waren die Gefangenen nicht in Baracken oder Gebäude untergebracht, sondern in Erdbunkern. Aber darin konnte es mir auch nicht gefallen. Auch der schwarze Markt war hier hoch in Blüte. Um etwas Tabak zu haben, habe ich einmal meine Tagesration Brot verkauft. Es war ja jetzt gleich, 2 Staken Machurka bekam ich dafür. Das Essen war hier nicht schlecht, somit konnte man sich das wohl 1 x erlauben. Ein schönes Lazarett war auch hier. Das Lager lag mitten im Wald, aber all zu weit durfte man sich auch nicht vom Haufen entfernen. Immer gab es neue Bekanntmachungen. Der Entlassungshaufen war schon auf 2000 Mann angewachsen. Auf einem großen Sportplatz, der innerhalb des Lagers war, mußten wir antreten. Nach dem Alphabet mußten wir uns in Gruppen aufstellen. Als wir uns nun so geordnet hatten, wurden wir aufgerufen. Wenn einer aufgerufen war mußte er den Namen des Vaters nennen. In einer Liste wurde dann nochmal alles genau kontrolliert. Alles Zeug, was man anhatte, mußte abgegeben werden. Nur den Essentopf, Brotbeutel oder Rucksack und die Mütze durfte mitgenommen werden. Auf diesen Sportplatz urden wir wieder eingekleidet. An einem Tisch gab es eine Unterhose und Hemd, am andern Tisch Hose und Rock. Aus einen großen Haufen Mäntel konnte man sich einen aussuchen, aber dabei war nicht viel gescheutes mehr zu finden. Dann lagen wir wieder nach dem Alphabet im Lagerwäldchen, dort war wenigstens schöner Schatten. Kurt Diedam und Fritz Darlinghaus waren auch schon hier. Wir hatten ja wieder Glück, denn viele wurden nicht aufgerufen, diese wurden gleich abgesondert. So ging es auch Albert Spök aus Greven. Er tat uns alle leid. Ihm standen ja auch die Tränen in den Augen, als wir uns verabschiedeten. Dieses Pech hatten wohl 20 %. Als nun die Sportplatzzeremonien beendet waren, wurden wir abgefüttert. Auf der Lagerstraße wurden wir wieder nach dem Alphabet aufgestelltund in Marsch gesetzt zum Lagerausgang. Dort war nun dasselbe wieder wie auf dem Sportplatz. Einzeln wieder aufgerufen. Vornamen des Vaters angeben. Kontrolle in der Liste. Danr konnte man das Ausgangstor vom Bunkerlager passieren. Auch wurde jeder noch gefilzt. Aber ehe wir noch die Straße der Freiheit betraten, wurden wir wieder genau gefilzt und alles wurde uns fortgenommen. Wir hatten auch nichts mehr., denn wir waren schon von der russischen Leitung darauf aufmerksam gemacht worden, nichts mitzunehmen. Besonders keine Papiere. Die Adressen, die wir von den Kameraden hatten, die waren schon längst nicht mehr in unserem Besitz. Ein kleiner Haufen mußte wieder zurück-bleiben. Darunter war auch ein Bekannter aus Schlesien Eisenberger hieß er. Ein interessanter Mann. Er war im Zivilleben Oberlehrer und Privatgeologe. Wunderbar konnte dieser Mann erzählen. Wie er erzählte, war er viel bei Ausgrabungen. In Kiew hat er oft kleine Vorträge gehalten über Geologie. Sein Zurückbleiben haben wir tief bedauert. Was soll denn nun werden? die letzte Kontrolle im Bunkerlager war schon längst vorbei. Es war schon längst dunkel und immer lagen wir noch im Straßengraben, nur von 2 russ. Posten bewacht. Am andern Morgen wurden wir erst in Marsch gesetzt in Richtung Güterbahnhof Kiew. Dort haben wir 2 Tage draußen gelegen weil kein Zug da war. Des Nachts war es immer so erbärmlich kalt. Am 2. Tage wurde der Zug eingesetzt. Der Zug war aber noch nicht fertig, die Kochkessel mußten noch eingebaut werden und Proviant eingeladen. Tatsächlich, als es abends war, dampfte der Zug ab. Nun mußte doch jeder froh sein, es war doch ein Ereignis. Aber nichts geschah. Es wurde kaum beachtet. Heimkehrer-Stimmung war nicht da. Es war ja auch so, kaum war der Zug 10 Minuten gefahren, Kiew lag eben hinter uns, da hielt der Zug wieder bis zum andern Morgen. 5 Tage dauerte die Fahrt bis Brest. Dort wurden wir wieder umgeladen. Das dauerte 2 Tage. Dann ging die Fahrt weiter über Warschau und so waren wir eines Tages in Frankfurt an der Oder. Die Fahrt von Kiew bis Frankfurt hat 11 Tage gedauert. Sicher waren wir glücklich, das wir erst hier waren. Aber immer noch das Gefühl es kann noch etwas passieren. Hier in Frankfurt kamen wir in ein großes russ. Entlassungslager. In schönen Baracken wurden wir untergebracht. Wir merkten gleich, daß wir in Deutschland waren. Alles war anders als in Rußland. Als wir durch dieses Lager marschierten kamen wir durch eine schöne Siedlung. Aber Menschen waren selten zu sehen. Alles war sicher geflüchtet. Nur einen Tag waren wir hier. Aber wir hatten wenig Zeit. Die ganze Nacht war Leben im Lager. Baden, Entlausung, Rasieren und Haarschneiden. Hier in diesem Lager traf ich auch unsern alten Freund Adolf Blume wieder. Am andern Morgen wurden wir wieder aufgerufen und dann bekamen wir den Entlassungsschein. Gruppenweise konnten wir jetzt das Lager, nachdem der Entlassungsschein nochmals kontrolliert wurde, verlassen. Von einem Helfer des deutschen Roten Kreuzes wurden wir zum Deutschen Auffanglager gebracht. Es war doch eigentümlich ohne Posten, ohne Bewachung zu marschieren. In diesem Lager wurden wir herzlich empfangen. Große Transparente mit der Aufschrift "Herzlich Willkommen in der Heimat" grüßten uns, als wir in dieses Lager kamen. Hier war ein Leben und Treiben. Jeder wurde sofort ärztlich untersucht. Mit anti-Läusepulver wurde jeder bestäubt. Es war ein Rennen hin und her. Es mußte hier auch alles neu geordnet werden. Schnell mußte alles gehen, denn immer wurden neue Gruppen eingeliefert. Als wir 2 Tage hier waren, wurde der Zug zur Weiterfahrt wieder zusammen-gestellt. Und nun ging es los. Wir wurden wieder verladen und es ging in Richtung Westen.

Es ging über Leipzig-Erfurt. In Erfurt waren wir 2 Tage in einem Gymnasium untergebracht. Dort traf ich meinen Neffen Heinzi Pohlkamp. Ich hatte ihn zuerst entdeckt. Es war beim Essenempfang. Er war aber platt. Beide konnten wir es nicht verstehen, daß wir uns hier treffen mußten. Aber der eine fand nicht die richtigen Worte für den andern, wir waren beide zu krank. Ich hatte hier schon einen Arzt aufgesucht. Meine rechte Halsseite machte mir Sorge. Der Arzt sagte, daß ich zu Hause nur Leinsamenumschläge und Rotlichtbestrahlungen nehmen sollte. Wir wurden wieder verladen, abends spät war es schon. Am andern Morgen wurden wir auf eine Grenzstation ausgeladen und nun ging es über die neue russ. Grenze durch das Niemannsland und kamen in Westdeutschland an. Jetzt hatten wir es geschafft. Als wir den Westdeutschen Boden soeben betreten hatten, bekamen wir vom Deutschen Roten Kreuz ein Stück Weißbrot und eine Tasse Kakao. Dann wurden wir in Omnibussen verladen und kamen zum Lager "Friedland". Hier wurden wir wieder registriert und entlaust mit dem berühmten Lause pulver und ärztlich untersucht. Die Transportfähigen kamen sofort in ein anderes Lager und die Kranken wurden sofort in eine Krankenbaracke eingewiesen. Zu diesen letzteren gehörte ich auch. Hier wurden wir sehr gut und ordentlich verpflegt und nochmals ärztlich untersucht." Nachmittags wurden wir wieder verladen und unser Omnibus hielt in Göttingen, am Theaterplatz wo ein Gymnasium in ein Lazarett eingerichtet war. Nach kurzer Registrierung kamen wir in einem großem Saal wo wir die freigewordenen Betten belegen konnten. Jetzt endlich hatten wir Ruhe. Bei Tage durfte jeder, so gut wie es ging, frei bewegen. Das Essen war ja nicht schlecht, aber jeder war auf Jagd nach Lebensmittel. Mk 15.- Taschengeld bekam auch ein jeder. Aber die waren bald hin. Alles, was es schon ohne Marken gab, wurde gekauft. Heringssalat wurde viel gekauft. Von zu Hause bekam ich sofort eine Brotkarte und Fleischmarken geschickt. Das war eine Wohltat. Jeden Morgen ging ich zum Bäcker und holte ein kl. Weißbrot oder Brötchen und etwas Wurst vom' Schlächter. Nach Kurt Die Dame hatte ich auch sofort geschrieben, wo ich abgeblieben war. Von Kurt und seinen Eltern hatte ich dieselbe Woche ein Paket. Ein schöner Kuchen und ein Stück Schinken. Oh was tat mir das gut. Aber das Elend war, man konnte kein Maß halten. Wenn man angefangen hatte zu Essen, konnte man nicht mehr aufhören, und nachher tat es einem Leid, sdas man nichts mehr hatte. Es war eigentümlich, je mehr Ruhe wir hatten desto kränker wurden wir. Das Bett konnte man nicht ab. So allerhand Leiden stellten sich ein. Mir ging immer die Puste aus, schlapp in allen Knochen war ich. Eine Blutübertragung sollte ich schon haben, aber ich war nicht dafür. Ich bekam von zu Hause 1 Glas Honig geschickt, welches ein Bekannter Heinrich Schlottmann, Zimmermeister für mich gespendet hatte. Auch bekam ich noch einen schönen Kuchen und noch so allerhand. Mein Zustand besserte sich langsam, aber ich war noch nicht transportfähig. In allen Lokalen, wo es ein markenfreies Essen gab, waren wir zu finden. Die Hauptsache war, daß der Haufen recht groß war. Eines Abends bekam ich sogar eine Theaterkarte geschenkt. Als ich an diesem Abend vom Theater zurück kam hatte ich Besuch, es war meine Frau aus Hamburg. Bei einer Arztfamilie hatte sie Unterkunft gefunden. Sie brachte auch so allerhand mit, da konnte ich es ja wieder aushalten. 3 Tage war meine Frau da, aber ich konnte sie nicht zur Bahn begleiten, weil ich zu krank war. Nach 14 Tagen kam ich nach Duderstadt ins Lazarett. Dort war das Essen gut. Wer noch Hunger hatte, bekam einen Nachschlag. Davon hatten wir auch am ersten Tag so Gebrauch von gemacht, dass wir nachts nicht leben und sterben konnten. Wir hatten zuviel gegessen, sodaß die Nachtwache keinen anderen Ausweg fand, als einen Arzt zu holen. Am andern Tag mußten wir fasten. Wieder bekam ich ein Paket mit Honig. Mein Freund Johannes Barchmann hatte den gestiftet. So langsam trat eine allgemeine Besserung ein bis ich nach Sendenhorst entlassen wurde. Meine rechte Halsseite war aber immer noch stark geschwollen. Nachts bin ich von Duderstadt abgefahren und Morgends war ich in Hannover. Dort gab es im Bahnhofs bunker Sauerkraut ohn Marken. Dort habe ich mich erstmal wieder satt gegessen. Dann ging es weiter und um 3 Uhr nachmittags war ich in Neubeckum. Dort ging ich zuerst, da ich Aufenthalt hatte, zum Bahnhofshotel dessen Inhaber ich gut kannte. Die Wirtin rief mich zur Küche und dort bekam ich 2 Schinkenbutterbrote. Ich hätte noch mehr essen können aber etwas bescheiden mußte ich ja sein. Dann mußte ich noch schnell die Eltern von Willi Brinkmann besuchen. Aber unterwegs kam ich an einen Bäckerladen vorbei, die Frau stand gerade in der Tür und rief mich herein, dort bekam ich auch gut zu essen. Wirklich schönes Weißbrot mit Butter und Marmelade. Ach das schmeckte wie Kuchen. Es schmeckte immer besser. Unterwegs kehr_ te ich noch bei einem anderen Bäcker ein und kaufte ein Stück Weißbrot, dieses bekam ich umsonst. So trocken wie es war habe ich es auf der Straße aufgegessen. Nun kam ich bei Willi Brinkmanns Eltern an. Ach, wie freuten sich diese Leute. Das Beste wurde mir vorgesetzt und dort habe ich gegessen und gegessen, ich konnte nicht mehr satt werden. Die schöne Leberwurst und all das andere. Das Schönste war, Willi's Vater hatte noch einen echten Friedensschnaps. Das war so feierlich, dass ich diese Freude mit den Eltern nicht vergessen kann.


Zurück in Sendenhorst

Nun ging die Fahrt nach Sendenhorst. Vom Bahnhofshotel hatte ich schon angerufen. Da der Zug aber bald bei Mellings übern Hof fährt, hatte ich einen Zettel geschrieben mit Grüße von Heinrich. Ich hatte Glück. Bei Melling hatten sie Besuch und alle saßen vor der Tür. Ich wurde durch mein Winken sofort bemerkt und warf den Zettel ab, der auch gefunden wurde. Nun hielt der Zug in Sendenhorst.

Mein Bruder Anton holte mich ab. Den Russen- mantel, den in Trachenberg gemachten Rucksack und mein Essentopf wurden gleich hinten auf sein Fahrrad gepackt. Anneliese u. Bernhard Hölscher waren auch da, ebenso Anni, Margarethe, Heinz-Joseph und Ewald also meine Nichten und Neffen und noch die Kinder aus der Nachbarschaft. Unter diesem heimatlichen Gefolge gingen wir nach Hause. Die Haustür stand schon offen und mit einem "Herzlichen Willkommen" wurde ich begrüßt, von meiner Schwägerin Käthe, Schwester Antonia und Bernadine und meiner Frau. Dann kam das Schönste. Meine Schwester Antonia machte mir die größte Freude. Sie hatte so einen kleinen niedlichen Jungen auf dem Arm, etwas braun von der Sonne verbrannt. Diesen Jungen präsentierte sie mir und sagte: "So und hier hast Du Deinen kleinen Wilhelm, Heinrich" Er kam auch gleich zu mir, ganz ohne Scheu als wenn wir uns schon lange kannten. Heinrich Arnemann's Frau Käthe war auch bald da und ich konnte ihr da die persönlichen Grüße von Heinrich übermitteln. Die ganze Nachbarschaft nahm Anteil ein meiner Heimkehr. Abends gab es eine große Pfanne Bratkartoffel und ich war ja einfach nicht satt zu kriegen. Meine Frau und Toni ermahnten mich doch einzuhalten denn sie befürchteten das Schlimmste. Das Hungergefühl wollte einfach nicht verschwinder Dafür hatten Käthe und Toni auch Verständnis. Deshalb alle Ehre diesen beiden Frauen. Sehr gut haben sie mich wieder hochgepäppelt. Ich glaube nicht, daß ich es sonst geschafft hät. te, das gute Essen konnte ich in Hamburg nich haben, denn in der Großstadt hungerte noch alles. In den ersten Wochen stand mir der Si nur nach. Essen. So frühstückte ich erst am Morgen gut zu Hause, denn ging ich zu meiner Schwester Bernardine und frühstückte dort auch ganz feierlich. Zu Mittag war ich wieder zu Hause. Wenn ich nachmittags gevespert hatte, suchte ich nochmals Bekannte auf, wo ich noch etwas erben konnte. Dann wurde zu Hause wieder gegessen und Abends ging ich fast hungrig zu Bett mit dem Gedanken, am folgenden Tag noch mehr zu essen. In meinem Schlafzimmer stand ein Korb voll Birnen. Diese habe ich in 3 Tagen aufgegessen. Wenn ich Nachts wach wurde, dann habe ich erst mal an Birnen satt gegessen. Es gab ja auch genug von dem Zeug. So habe ich die erste Zeit gelebt. Jeder hatte es mir gegönnt und hatte für meine Unverschämtheit im Essen Verständniß

Heute lacht man selber darüber und kann es nicht verstehen, wie es möglich war. Durch Bestrahlungen ging meine Halsentzündung zurück und mein Allgemeinbefinden besserte sich so langsam. So konnte ich auch eines TaMellinghoff ges die Familie Heinrich Arnemann besuchen. Da hat es mir gut gefallen und für meine Hamburger Familie bekam ich noch etwas Schönes eingepackt. Auch hatte Vater Mellinghoff noch eine Flasche stehen, die schmeckte besonders gut und es ließ sich dabei gut erzählen. Meinen Freund Johannes Bartmann besuchte ich auch noch. Er hat sich mit seiner Frau ehrlich gefreut, das ich wieder da war. Einen großen Beutel mit Erbsen gab er mir mit, es kam nicht auf eine Schaufel voll an, auch noch. 2 Gläser Honig und das allerbeste war. ein. schöner Beutel voll Tabak Eigenheimer. Wenn ich später mel in Verlegenheit war so hat er mir immer damit ausgeholfen. Heinrich Johlkamp, der auch mit mir zurück gekommen war, ging es nicht gut. Er lag mit einem schweren Herzfehler im Krankenhaus. Lange Zeit hat es gedauert bis er wieder vollständig hergestellt war. Kurt Diedam habe ich auch noch besucht. Es war schon Spätherbst. Er hatte sich aber wieder gut herausgemacht. Schöne runde Backen hatte er, ich kannte ihn nicht wieder. Aber wenn man lange nicht zu Hause war, so sieht man doch, daß sich vieles in der Heimat verändert hat. Wie sind die Kinder in der Nachbarschaft groß geworden. Oma Gerwin, die älteste in der Nachbarschaft hat sich auch besonders gefreut. So schön kann sie immer erzählen von alten Zeiten, die ältere Generation kennt sie ja noch sehr gut. Immer findet sie aufmerksame Zuhörer wenn sie von früher erzählte. Immer konnte ich mit meiner Familie auch nicht zu Hause bleiben. Im September fuhren wir wieder nach Hamburg. Einen großen Koffer voll Lebensmittel konnte ich mitnehmen, denn im Herbst 1947 waren noch sehr schlechte Zeiten. Der schwarze Markt war hoch in Blüte. Die Eisenbahnen total überfüllt. Die D Züge konnten nur mit einer besonderen Genehmigung benutzt werden. Um Leben zu können wurde alles wertvolle verkauft. Aber die schlechten Zeiten sind ein Kapitel für sich. Mit unserm Gepäck sind wir gut durchgekommen, denn dieses war auch nicht so einfach. Es wurde vieles beschlagnahmt. An diese Verhältnisse mußte man sich erst gewöhnen. Es war nicht so einfach. An persönlichem Eigentum fand ich nichts mehr vor. Alles war durch die sinnlosen Bombenangriffe vernichtet. Nach Freiburg-Schle sien konnte ich nicht mehr zurück. Also auch dort alles verloren. Ich hatte überhaupt nichts mehr. Ich schaltete mich aber in das Zeitreschehen ein. Nun ging es so langsam bergauf. Im Sommer 1948 kam Heinr.Arnemann-Mellinghoff wieder zurück. Manche frohe Stunde haben wir schon wieder gehabt. Diese Erinnerungen, die ich hier aufgeschrieben habe, ist das gemeinsame Erleben, wie wir als Kriegsgefangene in Rußland waren. In der Heimat, in der Heimat da gibt's ein Wiedersehen.

 

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