Lager Trachenberg: Ankunft und erste Tage
Wie es schien war das Lager in Trachenberg eine neu errichtete Flachsfabrik. Riesengroß waren die Lagerhallen in denen Strohflachs gelagert wurde. Das ganze Gelände war schon mit einem hohen
Stacheldrahtzaun umgeben. Direkt am Lager stand auch eine alte hölzerne Windmühle. Hier wimmelte es nur so von Kameraden, die das Ende auch noch nicht gesehen haben. Jeder hatte die Hoffnung, hier
noch einen Kameraden aus der Heimat zu treffen. Es war spät Abends als wir im Lager eingeliefert wurden. Vorerst wurden wir in einem alten Keller untergebracht. Dieser Keller wurde so voll gestopft,
daß keine Gelegenheit zum Liegen und Sitzen war. Abendessen bekamen wir nicht, aber des Nachts gab es Kaffee. Wie wir darüber froh waren kann sich jeder denken. Aber diese Nacht ging auch vorüber.
Als wir aus diesem Keller heraus gelassen wurden gab es wieder eine genaue Filzung. Da hatten wir aber bald nichts mehr. Alles, auch das wertloseste Zeug wurde uns abgenommen. Dann kamen wir in eine
große Lagerhalle und konnten uns dort nach Herzenslust im Strohflachs ausruhen. Das Schönste war ja, daß wir uns jetzt frei innerhalb des Lagers bewegen konnten. Das Wetter war ja noch sehr
unfreundlich aber das Leben war schon etwas anders. Wir hatten mehr Menschen um uns und wir waren doch schon ruhiger. Es konnte nun nicht mehr so leicht etwas passieren, denn dafür war der Haufen
doch zu groß. Der Haufen war schon zu etwa 4000 Mann angewachsen. Als wir es uns nun etwas gemütlich gemacht hatten ging die Jagd los, um Bekannte zu suchen. In so einem großen Haufen sollte man
meinen doch einige zu finden. Es dauerte auch nicht lange da hatte mein Freund Heinrich auch schon seine Kameraden aus seiner Einheit gefunden. Nun hatte er seinen Oberfeldwebel Walter Plückelmann
aus Wesel, Walter Both aus der Gegend von Wismar und noch mehrere andere. Von meiner Einheit, wo ich doch bestimmt hoffte hier den einen oder anderen zu treffen, hat sich leider nicht erfüllt. Nur
meinen Freund Max traf ich des öfteren. Er war in einer anderen Halle untergebracht. So konnte ich mit der Zeit annehmen, daß alle im Walde zu Benau wo ich in Gefangenschaft kam, umgekommen sind. Wir
bekamen von jetzt ab regelmäßig unser Essen. Es war ja bitterwenig, aber wir hofften ja wenn der Krieg zu Ende ist, daß wir doch bald nach Hause kommen und so lange wollten wir schon aushalten. In
den ersten Tagen als wir im Lager ankamen, da war es nur ein Registrieren und Zählen. Diesen Zeitpunkt benutzten Heinrich und ich, unsere Gruppe einfach zu verlassen und gingen zur Gruppe Plückelmann
über. Wir konnten es da ja noch machen, da wir uns alle noch fremd waren. Keiner kannte den anderen. Plückelmann führte einfach 2 Mann mehr in seiner Gruppe auf und somit waren wir alle zusammen.
Die verschworene Gruppe um Plückelmann
Ich muß sagen, daß es mit der Zeit eine verschworene Gesellschaft wurde. Mitglieder dieser engen Gruppengemeinschaft waren: unser Führer Walter Plückelmann, dann Both, Malack, Rose, Arnemann und
Hölscher. Neue Mitglieder wurden in unsern Kreis nicht aufgenommen, das duldete keiner. Unserem Kameraden Walter Plückelmann hat jeder viel zu verdanken. Er hatte die wunderbare Gabe zu organisieren
und mit Leuten Fühlung zu nehmen, die in der Küche waren, mit dem Kartoffelschälemeister, also überhaupt mit Leuten wo noch etwas abfallen konnte. Wie er es wohl machte, er hatte immer ein oder auch
oft zwei Brote über. Dann hatte er wieder Kartoffeln organisiert, dann hatte er dieses, dann das. Wir hatten ja auch alle einen Hunger, es gab eben zu wenig. Walter Both war auch ein interessanter
Kumpel. Er hatte sich eine Nagelschere organisiert. Nun war er obenauf. Er war Friseur geworden. Er hatte ein gutes Geschäft. Geld gab es ja im Lager nicht, jeder der seine Haare schneiden lassen
wollte, mußte dieses mit Brot bezahlen. Es blieb für uns nicht viel übrig, denn er hatte ja auch großen Hunger. Es dauerte nicht lange, da hatte er schon einen Rasierapparat und zwei Klingen. Aber
man konnte eher zum Zahnarzt gehen als zu Walter Both’s Rasiersalon. Ich weiß nur, daß es eine Höllenqual war. Lange war er nicht Herr über seine Einrichtung, denn der Russe hatte ihn entdeckt und so
war er wieder brotlos, so wie wir es alle waren.
Arbeiten und kleine Freiheiten (Dampfmühle, Schuppen- und Lokusbau)
Es war 14 Tage vor Ostern, kam er ganz aufgeregt zu mir gelaufen und sagte: „Der Russe sucht einen Plotnik“ (Zimmermann). Wir meldeten uns auch. Wir erklärten den Russen, so gut es ging, daß wir ein
paar karosche (gute) Zimmerleute wären. Es dauerte auch nicht lange da wurden wir aus dem Lager geleitet und kamen zu einer kleinen Dampfmühle. Diese Mühle wurde sonst durch Strom betrieben. Jetzt wo
dieser nicht da war, hatten die Russen eine alte Lokomobile herangeschafft, ein Loch in die Wand geschlagen, Riemen darauf und schon lief die Mühle. Aber bei Regenwetter wurde der Riemen naß und nun
sollten wir einen Schuppen über die Lokomobile und den Riemen bauen. Das war keine schlechte Arbeit. Aber wir hatten keine Nägel und keine Bretter. Das kümmerte uns alle wenig. Das erste war, wo gibt
es was zu essen. Es dauerte nicht lange, da war Both schon am Kochen. Einen schönen Mehlbrei hatte er gekocht, natürlich ohne Salz und Zucker. Wir hatten hier ziemlich viel Freiheit. Wir waren
sozusagen ohne Bewachung. Auch die Arbeit konnten wir uns einteilen wie wir wollten. Es wurde uns aber kein Holz zur Verfügung gestellt, Nägel nichts hatten wir. Balken hatten wir, aber keine
Bretter. Es blieb uns nichts anderes übrig als die Bauernwagen abzubauen. Nach 8 Tagen hatten wir so einen schönen Schuppen für die Lokomobile gebaut, daß wir unsere Arbeit selber bestaunten. Der
Russe, der die Leitung der Mühle hatte, meinte auch, daß wir sehr gut gearbeitet hätten. Jetzt durften wir noch einen großen Getreideschuppen bauen. Von einem Sägewerk wurde uns jetzt Bretter und
Balken gebracht, so viel wir nur haben wollten. Wir mußten zuletzt mit und uns das Holz aussuchen. Nun konnten wir aber bauen. Die Bretter wurden natürlich roh verarbeitet. 12 Meter war dieser
Schuppen lang und 5 Meter breit. Ein schönes Spitzdach und einen schönen Giebel. Wir hatten wirklich Freude an unserer Arbeit. Aber jetzt mußten wir unser Meisterstück noch ablegen. Wir hatten die
Aufgabe einen funkelnagelneuen Lokus zu bauen. Die eine Hälfte für die Russen und die andere Hälfte für die Deutschen. Ich muß sagen, daß es ein wirkliches Meisterstück geworden ist. Es war viel zu
schade, daß so ein schöner Prunkbau benutzt werden sollte. Als wir mit unserer Arbeit fertig waren, war gerade Ostern. Als Dank bekamen wir von der Russenküche, die bei der Mühle war, ein schönes
Stück Kuchen. Diesen Kuchen haben wir mit ins Lager genommen und redlich geteilt. Da war es mit dieser Arbeit auch wieder alle. Arbeitslos waren wir wieder geworden. Diese 3 Wochen haben wir wirklich
gut gelebt, auch unsere Kameraden im Lager.
Krankheit, Tod und Lageralltag in Trachenberg
Heinrich Arnemann hatte so einen großen unmanierlich aussehenden Milchtopf gefunden, Inhalt ca. 5 Liter. Diesen brachten wir doch jeden Abend mit zum Lager. Auch brachten wir jeden Abend einen Sack
voll Pellkartoffeln mit, denn in unmittelbarer Nähe von dieser Mühle war eine Kartoffelmiete mit wunderschönen Pflanzkartoffeln